Pendlerströme führen zur regionalen Angleichung bei Beschäftigung
Im Jahr 2016 hatten 75% der erwerbsfähigen Personen, die in Ostdeutschland wohnten, dort auch einen Arbeitsplatz. In Westdeutschland waren es 81%. Berücksichtigt man den Pendlerüberschuss gegenüber Westdeutschland sowie die längeren Jahresarbeitszeiten in Ostdeutschland, verschwindet der Rückstand auf den Westen: Die erwerbsfähigen Ostdeutschen haben im Durchschnitt genauso viele Arbeitsstunden geleistet wie die Westdeutschen. Auch auf Kreisebene kann kein ausgeprägtes Ost-West-Gefälle ausgemacht werden. Vielmehr zeigen sich deutliche Disparitäten zwischen Süddeutschland (einschließlich Sachsens und Thüringens) und großen Teilen Norddeutschlands.
21. Dezember 2017
Die Beschäftigungslage in Ostdeutschland wird im Allgemeinen als unbefriedigend empfunden. Dabei wird die Beschäftigungssituation vielfach anhand der Zahl der Erwerbstätigen mit einem Arbeitsort in Ostdeutschland beurteilt. Allerdings bleiben hierbei zwei Faktoren unberücksichtigt, und zwar der hohe Pendlerüberschuss sowie die höheren Jahresarbeitszeiten pro Erwerbstätigen in Ostdeutschland. Wie im Folgenden gezeigt wird, verschwinden die Unterschiede zu Westdeutschland bezüglich der geleisteten Arbeitsstunden, wenn diese beiden Faktoren berücksichtigt werden.
Arbeitsplatzdichte im Ost-West-Vergleich
Im Jahr 2016 gab es 751 Erwerbstätige mit einem Arbeitsplatz in Ostdeutschland pro 1 000 Erwerbsfähige. Damit lag die Arbeitsplatzdichte bei 93% des westdeutschen Wertes (vgl. Tabelle). Bei den Beschäftigtengruppen bestanden allerdings erhebliche Unterschiede. Einen relativ hohen Angleichungsstand gab es bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Bei den Selbstständigen bestand sogar ein Vorsprung Ostdeutschlands. Bei Beamten und ausschließlich geringfügig Beschäftigten war der Abstand zum westdeutschen Wert noch groß.
Zu berücksichtigen ist, dass deutlich mehr Ostdeutsche einen Arbeitsplatz in Westdeutschland haben als umgekehrt. So überstieg die Zahl der Auspendler aus Ostdeutschland im Jahr 2016 die Zahl der Einpendler um 210 000 Personen. Werden die Pendlerströme in die Berechnung mit einbezogen, so kamen 771 Erwerbstätige mit Wohnsitz in Ostdeutschland auf 1 000 Erwerbsfähige. Diese Arbeitsplatzdichte der Erwerbstätigen (Inländer) entsprach damit 96% des westdeutschen Wertes (vgl. Tabelle).
Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die durchschnittliche Jahresarbeitszeit in ostdeutschen Arbeitsstätten im Jahr 2016 um 4,8% höher war als in Westdeutschland (vgl. Übersicht, Zeile 30). Dies führt dazu, dass das Arbeitsvolumen, das pro Erwerbsfähigen in Ostdeutschland geleistet wird, bei 97% des westdeutschen Wertes lag. Berücksichtigt man noch das Arbeitsvolumen der nach Westdeutschland auspendelnden bzw. nach Ostdeutschland einpendelnden Erwerbstätigen (Wechsel vom Inlands- zum Inländerkonzept), so ergibt sich folgendes Bild: Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden pro Erwerbsfähigen war in Ostdeutschland genauso hoch wie in Westdeutschland (vgl. Tabelle, letzte Zeile). Unter diesem – rein rechnerischen – Blickwinkel ist die Beschäftigungslage der ostdeutschen Bevölkerung identisch mit der westdeutschen. Allerdings erlauben diese Berechnungen keine Aussage darüber, ob die Beschäftigungslage auch unter qualitativen Gesichtspunkten (Verdienst, Arbeitsbedingungen) gleichwertig ist.
Kein Ost-West-Gefälle auf Kreisebene
Beim Arbeitsvolumen (Inland) pro Erwerbsfähigen auf der Ebene der Kreise zeigen sich große Disparitäten (vgl. Abbildung 1). Dabei wird als Maßstab der gesamtdeutsche Wert verwendet und gleich 100% gesetzt. Der höchste Wert in Ostdeutschland wurde im Jahr 2015 mit 147,8% in Eisenach erreicht, der niedrigste Wert mit 70,8% im Landkreis Märkisch-Oderland. Aber auch in Westdeutschland zeigen sich sehr große Unterschiede. Hier reicht die Spannbreite von 254,1% in Schweinfurt bis 46,4% im Landkreis Südwestpfalz. Bezieht man die – in Arbeitsstunden bewerteten – Pendlerströme mit ein, so ist das Bild deutlich ausgeglichener: In Sachsen und – mit wenigen Ausnahmen – auch in Thüringen wurde der gesamtdeutsche Wert übertroffen (vgl. Abbildung 2). Auch in Süddeutschland, im Speckgürtel von Berlin oder in einigen Regionen Norddeutschlands kommt es durch die Pendlerbewegungen zu einer deutlichen Angleichung. Bemerkenswert ist, dass in allen ostdeutschen Kreisen das Arbeitsvolumen (Inländer) pro Erwerbsfähigen mehr als 90% des gesamtdeutschen Durchschnitts betrug. Insgesamt ist kein ausgeprägtes Gefälle zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland auszumachen. Vielmehr zeigen sich erhebliche Disparitäten zwischen Süddeutschland (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen) und großen Teilen Norddeutschlands.
Fazit
Bei Berücksichtigung der Pendlerströme sowie der längeren Arbeitszeiten in Ostdeutschland zeigt sich, dass die Zahl der Arbeitsstunden pro Erwerbsfähigen in Ostdeutschland und Westdeutschland nahezu identisch ist. Auch auf Kreisebene kommt es infolge der Pendlerströme zu einer deutlichen Annäherung bei den Arbeitsstunden pro Erwerbsfähigen. Regionale Unterschiede zeigen sich vor allem zwischen Nord- und Süddeutschland.
Die Nivellierung des Ost-West-Unterschieds bezieht sich auf den Arbeitseinsatz in Form geleisteter Arbeitsstunden. Erkauft wird sie dadurch, dass deutlich mehr Ostdeutsche in den Westteil des Landes zur Arbeit pendeln als umgekehrt. Auch hinsichtlich der durchschnittlichen Arbeitsverdienste bleibt die Lücke zwischen Ost und West bestehen.