Politiker sind mitverantwortlich für Ausfallrisiko ihres Staates
Nicht selten haben staatliche Zahlungsausfälle politische Ursachen. Denn die tatsächliche Rückzahlung von Staatsschulden entscheidet letztendlich immer die einheimische Regierung. So drohte beispielsweise 2015 die griechische Regierung offen mit Zahlungsausfall, sollte eine Tranche des Hilfspakets nicht ausgezahlt werden. Ob eine Regierung also willig ist, ihre Schulden zu bezahlen, spielt daher eine entscheidende Rolle für das Risiko eines staatlichen Zahlungsausfalls. Ob und inwieweit auch Anleiheinvestoren politische Faktoren als bestimmend für das staatliche Ausfallrisiko betrachten, damit beschäftigte sich Ökonom Stefan Eichler. Anhand der Risikoprämien auf Staatsanleihen von 27 Schwellen- und Entwicklungsländern in den Jahren von 1999 bis 2009 untersuchte er den Einfluss verschiedener politischer Faktoren auf das von Investoren wahrgenommene Ausfallrisiko.
Studien, die sich mit dem Ausfallrisiko von Staaten beschäftigen, sehen in der Regel die ökonomischen und finanziellen Faktoren als bestimmend an. Die wenigen Studien, die sich mit der politischen Dimension beschäftigen, untersuchen das Ausfallrisiko anhand der Bewertung von Ratingagenturen. „Staatliche Kreditratings sind aber in vielerlei Hinsicht eine Black Box, denn sie sind wenig transparent“, erklärt Eichler. Er untersuchte die Wahrnehmung der Investoren daher anhand der Effektivzinsen von Staatsanleihen.
„Für Investoren spielt zunächst die politische Ideologie der Regierung eine entscheidende Rolle. Staaten mit Links- oder Rechtsregierungen leiden unter signifikant höheren staatlichen Ausfallrisiken als Länder mit Zentrumsregierungen. Linksregierungen müssen durchschnittlich 2,6% höhere Risikoaufschläge zahlen als Zentrumsregierungen, bei Rechtsregierungen sind es sogar 3,9% mehr – denn Investoren müssen sowohl bei linken als auch rechten Regierungen stärker mit ideologisch motivierten Zahlungsausfällen rechnen“, so Eichler.
Auch die politische Stabilität schlägt sich in den Zinsen nieder. Je stabiler ein Land ist, desto geringer sind die Effektivzinsen, die es für Kredite bezahlen muss. Ein um zwei Punkte höherer Index für politische Stabilität reduziert den Risikoaufschlag um 6,6%. „Das entspricht beispielsweise dem Unterschied zwischen dem stabilen Chile und dem krisengeschüttelten Venezuela“, macht der Forscher deutlich. „Politische Stabilität erhöht für die Investoren die Sicherheit, dass sich ein Staat an die Staatsschulden der Vorgängerregierung gebunden fühlt.“ In politisch instabilen Staaten fällt es Investoren dagegen schwer, die Vorstellungen und Kompetenzen der neuen Regierung einzuschätzen.
Die Effekte von Ideologie und politischer Stabilität auf die staatlichen Ausfallrisiken werden aber wiederum durch andere Faktoren mitbestimmt: den Grad an Demokratie und die Einbindung in den internationalen Handel. In demokratischen Staaten spielt die politische Stabilität eine weniger tragende Rolle. „Dort besteht in der Regel Einigkeit darüber, dass fiskalische Verpflichtungen eingehalten werden müssen – und zwar über alle politischen Lager hinweg“, deutet Eichler die Ergebnisse.
Engagiert sich ein Land außerdem kaum im Außenhandel, ist das Ausfallrisiko ebenfalls deutlich stärker von Wahlzyklen, politischer Ideologie und Stabilität abhängig. „Der Außenhandel erhöht in den Augen der Investoren die politische Zahlungswilligkeit. Denn sie vermuten, dass Staaten, die stark in die Weltwirtschaft eingebunden sind, auch stärker darunter leiden, wenn ihre internationale Finanzierung eingeschränkt wird. Bei der aktuellen Debatte über das Für und Wider der Globalisierung sollten wir das bedenken. Ein globalisierter Staat genießt mehr Vertrauen und wirkt von außen deutlich widerstandsfähiger“, so Eichler.
Veröffentlichungen:
Eichler, Stefan; Plaga, P.: The Political Determinants of Government Bond Holdings, in: IWH Discussion Papers, 14/2016.
Eichler, Stefan: Politische Determinanten staatlicher Ausfallrisiken, in: IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 23 (2), 2017, 29-32.
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