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Energiekrise: Inflation, Rezession, Wohlstandsverlust

Die krisenhafte Zuspitzung auf den Gasmärkten belastet die deutsche Wirtschaft schwer. Durch die reduzierten Gaslieferungen aus Russland ist ein erheblicher Teil des Angebots weggefallen und auch das Risiko gestiegen, dass die verbleibenden Liefer- und Speichermengen im Winter nicht ausreichen, um die Nachfrage zu decken. Die Gaspreise sind in den Sommermonaten in die Höhe geschossen, und auch auf den Terminmärkten zeigen sich für einen längeren Zeitraum deutlich höhere Notierungen. Die dadurch stark steigenden Verbraucherpreise schmälern insbesondere die Kaufkraft der privaten Haushalte. Die Wirtschaftsleistung dürfte im dritten Quartal bereits leicht gesunken sein. Im Winterhalbjahr ist ein deutlicher Rückgang zu erwarten. Dass dieser nicht noch kräftiger ausfällt, ist dem hohen Auftragspolster im Verarbeitenden Gewerbe zu verdanken. Insgesamt dürfte die Produktion in diesem Jahr trotz des Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte um 1,4% ausgeweitet werden. Damit halbieren die Institute ihre Prognose vom Frühjahr für dieses Jahr annähernd. Für das kommende Jahr ist zu erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt um 0,4% zurückgeht. Im Frühjahr erwarteten die Institute noch einen Anstieg von 3,1%. In dieser Revision zeigt sich das Ausmaß der Energiekrise. Im Jahr 2024 expandiert das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt mit 1,9%. Die Inflationsrate dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Jahresdurchschnittlich ergibt sich für das Jahr 2023 mit 8,8% eine Teuerungsrate, die leicht über dem Wert des laufenden Jahres (8,4%) liegt. Erst im Jahr 2024 wird die 2%-Marke allmählich wieder erreicht.

29. September 2022

Autoren Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

Die Weltkonjunktur befindet sich im Abschwung. Der im Februar dieses Jahres ausgebrochene Krieg gegen die Ukraine und die westlichen Sanktionen gegen Russland haben die Teuerung für Energierohstoffe nochmals angeheizt, und Europa, wo die versiegenden Gaslieferungen aus Russland nur zu einem kleinen Teil ersetzt werden können, hat mittlerweile mit einer Energiekrise zu kämpfen. Hohe Inflationsraten haben die US-Notenbank und viele weitere Zentralbanken veranlasst, ihre Geldpolitik entschieden zu straffen. In China veranlasst die strikte Null-Covid-Strategie die Regierung immer wieder dazu, wirtschaftliche Aktivitäten durch Lockdowns zu unterbinden. Zudem schwelt in China eine Immobilienkrise, die den Bausektor und das Finanzsystem des Landes belastet. Die sich abschwächende weltweite Nachfrage dürfte zu einem Nachgeben der Preise von Industriegütern und einer allmählichen Entspannung der globalen Lieferkettenprobleme beitragen. Das Abarbeiten bestehender Aufträge stützt allerdings zunächst noch die Konjunktur.

Die sich abschwächende Weltkonjunktur zeigt sich auch in nachgebenden Notierungen von Erdöl, Industrierohstoffen und Nahrungsmitteln. Ein Sonderfall ist die Gasknappheit in der Europäischen Union und in Großbritannien. Hier stiegen die Großhandelspreise für Erdgas schon seit Sommer 2021. Mit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine und insbesondere seit Russland im Juni seine Gasausfuhren nach Europa zurückzufahren begann, stiegen die Gaspreise in bislang ungekannte Höhen. Import- und Endverbraucherpreise hinken den Großhandelspreisen beträchtlich hinterher, trotzdem zeichnet sich schon jetzt ein erheblicher Schock auf die Terms of Trade, die Handelsbilanz, die Verbraucherpreise und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ab.

Die Aufwärtsdynamik bei den Preisen ist in Europa bisher ungebrochen. So stieg die Inflation im Euroraum in den vergangenen Monaten kräftig und lag im August bei über 9%. Während im Euroraum die Preise von Energie und Nahrungsmitteln im Frühjahr und Sommer zwei Drittel zum Anstieg der Verbraucherpreise beitrugen, stiegen in den USA im Vorjahr zunächst vor allem die Preise für Industriegüter. Etwas verzögert schlug sich die hohe Inflation dann auch im Dienstleistungsbereich nieder, wohingegen die Energie- und Nahrungsmittelpreise gegenwärtig etwas weniger als die Hälfte der Inflation ausmachen. Insgesamt ging die US-Inflation im Juli und im August leicht zurück. 

Die hohe Inflationsdynamik bringt die Geldpolitik weltweit in Zugzwang. So hob die US-Notenbank seit März 2022 den Leitzins in mehreren großen Schritten an. Weitere Zinssteigerungen sind angekündigt. Die Institute erwarten, dass der Leitzins mit 4% Anfang 2023 seinen Höhepunkt erreichen wird. Im Sommer begann die Europäische Zentralbank mit Leitzinserhöhungen. Für den Herbst ist mit weiteren Zinsschritten zu rechnen. Dagegen senkte die chinesische Notenbank im Sommer ihren Zinssatz leicht; dort überwiegt angesichts einer bislang moderaten Inflation die Sorge um die Konjunktur.

Die Finanzpolitik dürfte im Prognosezeitraum weniger stützend wirken als zuvor, weil Maßnahmen, die im Zuge der Corona-Pandemie umgesetzt wurden, weitgehend wegfallen. Mehrjährige Investitionsprogramme in der Europäischen Union und in den USA wirken zwar anregend, sind aber von geringerem Umfang. Allerdings werden gegenwärtig vielerorts Maßnahmen diskutiert und beschlossen, mit denen die Folgen der hohen Inflation für die privaten Haushalte abgefedert werden sollen.

Der Prognose der Weltwirtschaft liegt die Annahme zugrunde, dass der Krieg in der Ukraine andauert und die Sanktionen gegenüber Russland bestehen bleiben. Auch wenn die Gaslieferungen aus Russland nach Europa wohl nicht vollständig gestoppt werden, bleiben die Gaspreise hoch und die Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung beträchtlich. Ausweislich der Notierungen an den Terminmärkten gehen die Gaspreise in Europa erst ab der zweiten Jahreshälfte 2023 allmählich zurück. Dieser Einschätzung schließen sich die Institute für die vorliegende Prognose an.

Vor diesem Hintergrund rechnen die Institute mit einem Zuwachs der Weltproduktion von 2,5% in diesem und 1,8 % im nächsten Jahr. Erst im Jahr 2024 dürfte er mit 3,0% wieder kräftiger ausfallen. Der weltweite Warenhandel wird im Jahr 2023 mit einer Rate von 1,6% weniger als halb so stark expandieren wie in diesem Jahr. Die Inflation wird insbesondere in den europäischen Ländern auch im nächsten Jahr sehr hoch bleiben und dürfte sich erst im Jahr 2024 wieder spürbar verringern. 

Die deutsche Wirtschaft wird von der krisenhaften Zuspitzung auf den Gasmärkten schwer belastet. Die hochgeschnellten Gaspreise erhöhen die Energiekosten drastisch und gehen mit einem massiven gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftentzug einher. Dies dämpft nicht nur die noch unvollständige Erholung von der Corona-Krise, sondern drückt die deutsche Wirtschaft in die Rezession.

Durch die reduzierten Gaslieferungen aus Russland ist ein erheblicher Teil des Angebots weggefallen und auch das Risiko gestiegen, dass die verbleibenden Liefer- und Speichermengen im Winter nicht ausreichen, um die Nachfrage zu decken. Dadurch sind die Gaspreise in den Sommermonaten in die Höhe geschossen. Die Unternehmen haben bereits damit begonnen, ihren Gasverbrauch spürbar einzuschränken. Auch wenn die Institute für den kommenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen mit keiner Gasmangellage rechnen, bleibt die Versorgungslage äußerst angespannt.

Die gestiegenen Energiepreise verstärken den Preisauftrieb, der bereits in der Corona-Pandemie eingesetzt hat. Durch die Corona-Schutzmaßnahmen wurden die internationalen Lieferketten erheblich gestört, was mit steigenden Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte einherging. Diese Preissteigerungen wurden an die Verbraucher weitergegeben. Die sehr expansive Geld- und Finanzpolitik hat den Preisauftrieb zusätzlich verstärkt. Dadurch steigen die Verbraucherpreise auf breiter Front. Inzwischen haben die Inflationsraten Werte erreicht, die sogar noch über die Hochinflationsphasen in den 1970er und frühen 1980er Jahren hinausgehen.

Die stark steigenden Verbraucherpreise schmälern die Kaufkraft der privaten Haushalte. Dass der private Konsum dennoch im ersten Halbjahr deutlich ausgeweitet wurde, liegt daran, dass die privaten Haushalte weniger sparen. Hierbei greifen einige wohl auch auf die während der Pandemie aufgestauten Mittel zurück, nicht zuletzt, um die während dieser Zeit entbehrten Dienstleistungen wieder vermehrt nachzufragen. Inzwischen haben sich die Konsumaussichten aber stark eingetrübt. Die durch die verzögerte Preisweitergabe bei Gas und Strom weiterhin hohe Inflation wird die real verfügbaren Einkommen bis in das kommende Jahr hinein deutlich sinken lassen. Der massive Kaufkraftentzug dürfte dazu führen, dass der private Konsum bis zum Sommer des kommenden Jahres zurückgeht und sich erst in der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums wieder erholen wird.

Die Unternehmen sind von den stark steigenden Energiepreisen sehr unterschiedlich betroffen. Derzeit gelingt es vielen, die Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben. Deutlich stärker von der Krise am Gasmarkt betroffen sind die energieintensiven Unternehmen, allen voran in der chemischen Industrie. Um die Kosten zu senken, haben viele Unternehmen damit begonnen, ihren Gasverbrauch zu verringern. Dies ist zum einen durch Substitution von Gas durch andere Produktionsfaktoren geschehen. Zum anderen wurde vor allem in der chemischen Industrie die Produktion deutlich gedrosselt. Infolge rückläufiger Kaufkraft der privaten Haushalte kommen vermehrt auch die konsumnahen Wirtschaftsbereiche unter Druck.

Insgesamt dürfte die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal bereits leicht gesunken sein. Im Winterhalbjahr ist aufgrund der steigenden Kostenbelastung durch Energie, der nachlassenden Konsumnachfrage und der schwächelnden Weltwirtschaft mit einem deutlichen Rückgang zu rechnen. Dass dieser nicht noch kräftiger ausfällt, ist dem hohen Auftragspolster im Verarbeitenden Gewerbe zu verdanken. Mit den nachlassenden Lieferengpässen und der rückläufigen Teuerung dürfte die Wertschöpfung in den kommenden beiden Jahren wieder ausgeweitet werden.

Die Produktion in diesem Jahr dürfte trotz des Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte um 1,4% ausgeweitet werden. Damit halbieren die Institute ihre Prognose vom Frühjahr für dieses Jahr annähernd. Für das kommende Jahr prognostizieren sie einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,4%. Im Frühjahr erwarteten die Institute für das Jahr 2022 noch einen Anstieg von 3,1%. In dieser Revision zeigt sich das Ausmaß der Energiekrise. So fällt die Wirtschaftsleistung im laufenden und kommenden Jahr insgesamt um 160 Mrd. Euro niedriger aus, als noch im Frühjahr erwartet worden war. Im Jahr 2024 legt das Bruttoinlandsprodukt um 1,9% zu. Die Inflationsrate dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Jahresdurchschnittlich ergibt sich für das Jahr 2023 mit 8,8% eine Teuerungsrate, die leicht über dem Wert des laufenden Jahres (8,4%) liegt. Erst im Jahr 2024 wird die 2%-Marke allmählich wieder erreicht.

Vom Arbeitsmarkt geht eine stabilisierende Wirkung für die konjunkturelle Entwicklung aus. Zwar dürfte die Nachfrage nach neuen Arbeitskräften angesichts der krisenbedingten Schwächephase zurückgehen. Die Unternehmen werden aufgrund des Fachkräftemangels in vielen Bereichen aber bestrebt sein, den vorhandenen Personalbestand zu halten, so dass die Erwerbstätigkeit vorübergehend nur geringfügig sinken dürfte. Bei fortschreitender Erholung ist dann wieder mit einem Aufbau der Beschäftigung zu rechnen.

Die Bundesregierung hat im Laufe dieses Jahres bislang drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, um die Belastungen durch die steigenden Energiepreise für Unternehmen und private Haushalte abzufedern. Zu den Maßnahmen, die bereits in diesem Jahr wirken, gehören die Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gas sowie Direktzahlungen an private Haushalte und Unternehmen. Die Maßnahmen des dritten Entlastungspakets werden vor allem im kommenden Jahr wirken. So sind Anpassungen am Einkommensteuertarif zum Abbau der kalten Progression geplant. Zudem sollen mit der Einführung des Bürgergeldes Transfers erhöht und an weniger Bedingungen geknüpft werden.

Das größte Risiko für die Konjunktur stellt derzeit die Verfügbarkeit von Gas dar. Sollte der Verbrauch in diesem Winter nicht, wie in dieser Prognose unterstellt, ausreichend sinken, käme es zu einer staatlichen Rationierung. In dieser Situation müssten die Unternehmen ihre Produktion zusätzlich einschränken. Auch im darauffolgenden Winter ist eine Gasmangellage nicht auszuschließen. Auf- wie Abwärtsrisiken bestehen dadurch, dass die Gasnachfrage in den Wintermonaten stark von den Temperaturen abhängt. Sollte der kommende Winter deutlich wärmer (kälter) als im Durchschnitt der vergangenen Jahre werden, würde die Gasnachfrage geringer (größer) ausfallen als in dieser Prognose unterstellt. In diesem Fall dürften die Gaspreise schneller (langsamer) zurückgehen und die Wirtschaftsaktivität in geringerem (größerem) Maße dämpfen.

Auch von der Corona-Pandemie geht nach wie vor ein konjunkturelles Risiko aus. Die Infektionszahlen sind weltweit weiterhin hoch. Zwar sind die Krankheitsverläufe bei der derzeit dominierenden Variante vergleichsweise mild. Es besteht aber die Möglichkeit, dass eine neue Variante mit schwereren Verläufen auftritt. In diesem Fall könnte es wieder zu stärkeren Beeinträchtigungen der Wirtschaftsaktivität kommen.

Der Wirtschaftspolitik kann aus ökonomischer Perspektive geraten werden, Maßnahmen an den Ursachen der Probleme auszurichten. Bezogen auf das Gas bedeutet dies, das Angebot durch den Aufbau von LNG-Kapazitäten zu stärken und die Nachfrage zu dämpfen. Die Bundesregierung hat bei der Ausrufung des Notfallplan Gas den Energieversorgern die außerplanmäßige Weitergabe höherer Einkaufspreise an die Verbraucher nicht gestattet. Dadurch wird der Lenkungseffekt des Gaspreisanstiegs verwässert. Die Gasversorger geraten zudem unter Druck, weil die vertraglich vereinbarten Endkundenpreise die Beschaffungskosten bei weitem nicht mehr decken. Die Bundesregierung hat deshalb einzelne Gasversorger mit finanziellen Hilfen gestützt und den größten Importeur verstaatlicht. Außerdem soll zum 1. Oktober 2022 eine Gasumlage eingeführt werden. Damit werden die Zusatzkosten beim Gaseinkauf auf alle Verbraucher verteilt und eine Lenkungswirkung erzielt, die allerdings durch das Absenken des Mehrwertsteuersatzes auf Gas konterkariert wird.

Haushalte mit niedrigen Einkommen, die den Anstieg der Gaspreise nicht aus eigener Kraft stemmen können, sollten gezielt mit monetären Transfers gestützt werden, ohne das Gas selbst zu subventionieren und ohne bürokratische Detailanweisungen zur Reduktion des Gasverbrauchs zu erlassen. Die Entlastungspakete der Bundesregierung enthalten Maßnahmen, die in die richtige Richtung gehen. So ist die Wohngeldreform zu begrüßen. Auch ist es sinnvoll, dass der Bonus pro Kind und die Energiepreispauschale für Arbeitnehmer und Rentner steuerpflichtig sind. Damit fällt die effektive Entlastung bei Haushalten mit höheren Einkommen geringer aus als bei solchen mit niedrigeren.

Bei der finanziellen Unterstützung von Unternehmen wandelt die Wirtschaftspolitik auf einem schmalen Grat. Einerseits ist es Aufgabe der Unternehmen selbst, Puffer für unvorhergesehene Ereignisse anzulegen und nicht mehr rentable Geschäftsmodelle zu reformieren oder aufzugeben. Andererseits sollte ein gleichzeitiger Marktaustritt sehr vieler Unternehmen oder eine Unterbrechung der Produktion kritischer Versorgungsgüter bzw. der dafür erforderlichen Infrastruktur vermieden werden. Befristete allgemeine Unternehmenshilfen und zielgenaue Stützungsmaßnahmen im Einzelfall können daher sinnvoll sein. Angesichts der permanenten Energieverteuerung ist aber darauf zu achten, dass es nicht zu einer dauerhaften Subvention nicht mehr rentabler Unternehmen kommt; Unternehmenshilfen sollten daher degressiv gestaltet werden.

Auf dem Strommarkt stellt sich die Situation etwas anders dar als auf dem Gasmarkt. Primär kommt es darauf an, das Angebot an Strom zu stabilisieren, um dem Preisanstieg entgegenzuwirken. Die vermiedenen Umweltgrenzkosten und Grenzrisiken, die sich aus wenigen zusätzlichen Jahren Atomstromproduktion in Deutschland ergäben, dürften eine Stilllegung der Atomkraftwerke im Krisenwinter 2022/2023 kaum rechtfertigen. Auch der anschließende Winter 2023/2024 wird die deutsche Energiewirtschaft vor immense Herausforderungen stellen. Die Institute empfehlen daher, den Ausstieg aus der Atomenergie um einige Jahre zu verschieben. Dies würde nicht nur die Energieversorgungssicherheit erhöhen, sondern auch einen Beitrag zur Stabilisierung des Strompreises leisten.

Als Schwerpunktthema aktualisieren die Institute ihre Analyse zu den konjunkturellen Folgen eines Gasmangels in Deutschland. Dazu wird der Einfluss einer Vielzahl von Parametern und deren Kombination simuliert. Auf diese Weise können die Spannbreite möglicher Effekte des russischen Lieferstopps bis zum Jahr 2024 quantifiziert und Risiken abgeschätzt werden. Das erweiterte Simulationsmodell für die Gasverfügbarkeit in Deutschland berücksichtigt neben dem Mindestfüllstand der Gasspeicher neue Erkenntnisse über zusätzliche Gasimportmöglichkeiten, macht Witterungseinflüsse deutlich, verfeinert die kurzfristigen Gaseinsparpotenziale und berücksichtigt die Rückwirkungen zwischen industrieller Aktivität und Gasverfügbarkeit.

In den Jahren 2022 und 2023 kann eine Gasmangellage im Median aller Modellsimulationen vermieden werden. Allerdings besteht ein erhöhtes Risiko, dass es zwischen Januar und März 2024 zu einer Rationierung in der Industrie kommen wird. Eine Gasmangellage ließe sich durch den Weiterbetrieb der aktuell noch laufenden Atomkraftwerke und die volle Auslastung der geplanten LNG-Terminals vermeiden. Eine entscheidende Rolle spielt das Wetter. Für den Fall, dass die kommenden Winter sehr kalt würden, käme es im Median der Simulationen sowohl im Frühjahr 2023 als auch im Winter 2023/2024 zu einer Gasmangellage. Diese könnte verhindert werden, wenn der Gasverbrauch um 20% reduziert und gleichzeitig die Importe (insbesondere über die geplanten LNG-Terminals) erhöht würden.

Sofern solche Einsparungen nicht gelingen, sind gravierende Konsequenzen für die wirtschaftliche Aktivität zu erwarten. In einem Risikoszenario, welches unter anderem einen sehr kalten Winter sowie geringere Gaseinsparungen unterstellt, dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt jeweils zu Jahresbeginn 2023 und 2024 massiv einbrechen. Unter der Annahme, dass der dramatische Einbruch nicht mit einer Welle von Geschäftsschließungen einhergeht, dürfte die Gasmangellage in dem unterstellten Szenario zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung im Jahr 2023 von 7,9% und im Jahr 2024 von 4,2% führen.

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