Sechs Punkte für eine effiziente grüne Transformation
Die grüne Transformation, verstanden als ein Prozess, Energie zunehmend treibhausgasneutral zu erzeugen, kann mit marktwirtschaftlichen Instrumenten und dafür erforderlichen Rahmenbedingungen kostengünstiger umgesetzt werden als mit staatlicher Steuerung des Energieverbrauchs und der Energieerzeugung. Kosteneffizienz ist von entscheidender Bedeutung für die Bereitschaft und Fähigkeit der Bevölkerung, die Lasten der Transformation zu tragen, und für eine gerechte Verteilung der Lasten.
18. Juni 2024
Deutschland allein kann die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Minderung der globalen Erwärmung nicht schaffen. Für das Klima ist es wichtig, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen sinken. Ansätze, die zu einer Verschiebung von Emissionen ins Ausland führen, können zwar dazu beitragen, nationale Emissionsreduktionsziele zu erreichen, haben aber zur Folge, dass im Inland die Anpassungslasten getragen werden müssen, ohne dass dem eine Dämpfung der Erderwärmung gegenübersteht. Daher ist die Europäische Union (EU) die relevante Instanz bei der grünen Transformation in Deutschland und in Europa. Maßnahmen, die nur auf nationaler Ebene wirken, sind nicht effektiv und oft sogar kontraproduktiv.
Eine Strategie zur Treibhausgasneutralität sollte demnach sechs Punkte beinhalten. Alle sechs sind notwendig, und nur wenn alle sechs Punkte adressiert werden, kann die Transformation effizient ablaufen:
1. Treibhausgasmengenziele definieren
2. CO2-Preis und sektorenübergreifenden CO2-Zertifikatehandel fördern
3. Klimazölle einführen
4. Klimaneutrale Elektrizitätsproduktion erhöhen
5. Forschung und Entwicklung intensivieren
6. Soziale Härten abfedern
Strategiepunkt 1: Treibhausgasmengenziele definieren
Die EU hat eine Treibhausgasobergrenze von ‒55% relativ zu 1990 und das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 vorgegeben. Deutschland hat ehrgeizigere Ziele: ‒65% bis 2035 und klimaneutral bis 2045. Es ist nicht zielführend für Deutschland, ehrgeizigere Ziele als die EU insgesamt zu verfolgen. Ehrgeizigere Ziele in Deutschland führen zu keiner Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen, sondern nur zu einer ungleichen Verteilung der Anpassungslast innerhalb der EU. Die Anzahl der handelbaren CO2-Zertifikate sollte diesen Obergrenzen entsprechen. Das heißt, die Anzahl der im Umlauf befindlichen Zertifikate sollte jährlich abnehmen, möglicherweise durch Aufkäufe von Zertifikaten durch die Staaten. Der Pfad für die Anzahl der Zertifikate sollte langfristig vorgegeben sein, sodass die Unternehmen und die Haushalte planen können.
Strategiepunkt 2: CO2-Preis und sektorenübergreifenden CO2-Zertifikatehandel fördern
Das wichtigste marktwirtschaftliche Instrument für die grüne Transformation ist der CO2-Preis. Der CO2-Preis sollte sich aus dem CO2-Handel frei ergeben. Damit entspricht er der Zahlungsbereitschaft für CO2-Emissionen, und die Emissionsreduktion erfolgt dann immer zunächst dort, wo dies zu den niedrigsten Kosten möglich ist. Aufgrund der jährlichen Verknappung der Zertifikate wird der CO2-Preis steigen, bis alle Sektoren überwiegend auf CO2-freie Energieversorgung umgestiegen sind, und danach fallen. Der Handel der CO2-Zertifikate sollte sektorübergreifend und auf europäischer Ebene erfolgen. Zurzeit ist das unter dem EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) noch nicht der Fall: Das EU-ETS umfasst nur die Energieproduktion und einige energieintensive Wirtschaftszweige, aber nicht Verkehr oder Haushalte. Das EU-ETS II wird ab dem Jahr 2027 auch Haushalte und Verkehr abdecken. Dies sollte ausdrücklich von der Bundesregierung unterstützt und kommuniziert werden. Ein Handel in einzelnen Ländern oder für einzelne Sektoren würde zu Verzerrungen in der Preisbildung für CO2 führen, und damit zu einer Verzerrung in den Anreizen, CO2 zu reduzieren. Wenn CO2 disproportional in einem Land oder einem Sektor reduziert würde, zum Beispiel durch Verbote von Aktivitäten oder Technologie, würde der dadurch niedrigere CO2-Preis Einsparungen oder Innovationen in anderen Bereichen der Wirtschaft verzögern oder verhindern.
Strategiepunkt 3: Klimazölle einführen
Damit CO2-Emissionen nicht einfach durch Produktionsverlagerung ins Ausland und Import der Güter ausgelagert werden können, sind Klimazölle erforderlich. Dabei handelt es sich um Zölle, die mit dem CO2-Fußabdruck eines Produkts steigen. Außenhandelspolitik, und damit die Einführung von Zöllen, ist auf EU-Ebene angesiedelt. Zurzeit gibt es eine Meldepflicht für den CO2-Anteil von Importen, ab dem Jahr 2026 sollen Klimazölle eingeführt werden. Die Höhe der Zölle sollte an die Höhe des CO2-Preises gekoppelt sein. Es muss klar kommuniziert werden, dass selbst eine Klimapolitik auf EU-Ebene nur mit Klimazöllen eine effektive Wirkung auf den globalen Ausstoß von Klimagasen haben kann.
Strategiepunkt 4: Klimaneutrale Elektrizitätsproduktion erhöhen
Der Stromverbrauch wird in Deutschland durch die Elektrifizierung der Mobilität (E-Autos) und der Heizung von Gebäuden (zum Beispiel durch Wärmepumpen) laut Schätzungen um rund 50% bis 2030 steigen. Gleichzeitig werden durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung rund 25% der gegenwärtigen Stromproduktion wegfallen. Der Anstieg in der Nachfrage nach Elektrizität ist durch den Ausbau von Windrädern und Solarzellen allein nicht zu stemmen. Daher muss höchstwahrscheinlich auch auf andere Energiequellen zurückgegriffen werden. Aus Klimaperspektive sollte dabei auch Atomkraft nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Strategiepunkt 5: Forschung und Entwicklung intensivieren
Bei der aktuellen Geschwindigkeit des technischen Fortschritts und bei der aktuellen Ausbaugeschwindigkeit erneuerbarer Energien können die Emissionsreduktionsziele nicht ohne eine Reduktion der gesamtwirtschaftlichen Produktion erreicht werden, weil die zur Verfügung stehende treibhausgas-neutrale Endenergie dafür bislang nicht ausreicht. Auch aufgrund der Pfadabhängigkeit von Innovation sollte dem durch eine stärkere Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E) auf dem Gebiet der Energieeffizienz und Energieinnovation entgegengewirkt werden. Bei der F&E-Förderung ist eine ausgewogene Balance zwischen Technologieoffenheit und Netzwerkeffekten zu beachten. Da sich selbst unter günstigsten Annahmen der CO2-Ausstoß nicht auf null wird reduzieren lassen, kommt Technologien, mit denen existierendes CO2 aus der Atmosphäre geholt bzw. der verbleibende CO2-Ausstoß technisch neutralisiert werden kann, eine besondere Rolle zu. Dementsprechende Forschungsvorhaben soll-ten besonders gestärkt werden.
Strategiepunkt 6: Soziale Härten abfedern
Steigende CO2-Preise und der mit der grünen Transformation einhergehende Strukturwandel können zu sozialen Härten führen. Diese sollten grundsätzlich im Rahmen des existierenden Sozialsystems abgefedert werden. Insbesondere sollten staatliche Hilfen an private Haushalte die Bedürftigkeit berücksichtigen und Subventionen an Unternehmen deren Zahlungsbereitschaft für CO2-Zertifikate nicht verzerren. Klimaschädliche Subventionen sollten abgeschafft werden. Eine weitere Konsequenz gestiegener CO2-Preise, die es ebenfalls abzufedern gilt, sind mögliche Entlassungen. Jedoch sollten der demographische Wandel und der damit einhergehende Arbeitskräftemangel die Transformation erleichtern, da qualifizierte freigesetzte Arbeitskräfte generell schnell wieder anderweitig Beschäftigung finden dürften.
Abschließend kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Pariser Klimaschutzziele weltweit, selbst wenn sich Europa und Deutschland an seine Zusagen halten, nicht vollständig erreicht werden. Dies würde mit zusätzlichen nationalen Klimaschäden z. B. durch Extremwetterereignisse, aber auch mit mehr Fluchtmigration aus global besonders vom Klimawandel betroffenen Regionen einhergehen. Auf beides sollte sich Deutschland vorbereiten.