Dienstleistungen stützen ostdeutsche Wirtschaft – Implikationen der Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024 und von aktuellen Halbjahresdaten für die Länder

Im Jahr 2024 dürfte die ostdeutsche Wirtschaft um 0,2% wachsen, während sie in Deutschland insgesamt um 0,1% zurückgeht. Für das Jahr 2025 rechnet das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) für Ostdeutschland mit einem Zuwachs von 0,7%, für 2026 mit 1,2%. Die ostdeutsche Arbeitslosenquote dürfte laut IWH-Prognose in den Jahren 2024 und 2025 bei jeweils 7,5% und im Jahr 2026 bei 7,2% liegen.

Autoren Oliver Holtemöller

Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose konstatiert in ihrem Herbstgutachten, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer ausgeprägten Schwächephase befindet, die neben konjunkturellen vor allem auch strukturelle Ursachen hat. Das gilt ebenso für Ostdeutschland, wenngleich der Abschwung hier in diesem Jahr etwas milder ausfallen dürfte. Denn das exportorientierte Verarbeitende Gewerbe, welches von der schwachen Konjunktur besonders betroffen ist, hat in Ostdeutschland eine geringere Bedeutung als im Westen. Besonders trifft dies für die dienstleistungsorientierte Wirtschaft Berlins zu. Dort ist die Produktion nach Angaben des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,2% gestiegen, während sie in Deutschland insgesamt leicht sank. Dank des großen Gewichts Berlins hat die Wirtschaft Ostdeutschlands im ersten Halbjahr wohl in etwa stagniert. Das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr 2024 um 0,2% zulegen, während die Produktion in Deutschland insgesamt um 0,1% sinkt (vgl. Abbildung 1).

In den vergangenen Jahren hat Ostdeutschland auch von einigen Großprojekten wie der Inbetriebnahme des Tesla-Werks in Grünheide profitiert. Ob sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt, ist aber fraglich. Intel hat den Baubeginn für seine Halbleiterfabrik in Magdeburg erst einmal gestoppt. Durch diese Entscheidung werden die konjunkturellen Aussichten für die nächsten zwei Jahre allerdings nur wenig eingetrübt. Denn die Produktion sollte erst im Jahr 2027 oder 2028 aufgenommen werden, und der Fabrikbau hat nur geringe gesamtwirtschaftliche Effekte. Darauf lässt ein Blick auf die Spuren schließen, welche die Errichtung der Tesla-Fabrik in Grünheide in den Wertschöpfungszahlen Brandenburgs hinterlassen hat. Die Anlage wurde innerhalb von etwa zwei Jahren ab dem Frühjahr 2020 errichtet, ab dem Frühjahr 2022 ging sie in Betrieb. Auf Teslas Autoproduktion ist es wohl im Wesentlichen zurückzuführen, dass die Bruttowertschöpfung im Produzierenden Gewerbe in Brandenburg im Jahr 2023 um 8½% über der im Jahr 2019 lag, während sie in Ostdeutschland ohne Berlin insgesamt um reichlich 1% niedriger war. Dagegen hat in der Zeit des Fabrikbaus, also etwa in den Jahren 2020 und 2021, die Bruttowertschöpfung in Brandenburg kaum stärker expandiert als in Ostdeutschland insgesamt (vgl. Abbildung 2).

„Was die ostdeutsche Wirtschaft immer mehr bremst, ist der negative demographische Trend“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident am IWH. So geht die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Ostdeutschland seit Februar leicht zurück, während sie im Westen weiter steigt. Auch deshalb dürfte die Expansion des Bruttoinlandsprodukts in Ostdeutschland in den nächsten beiden Jahren mit 0,7% und dann 1,2% wohl knapp unter der in Deutschland insgesamt liegen. Die ostdeutsche Arbeitslosenquote nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit liegt in den Jahren 2024 und 2025 bei jeweils 7,5% und im Jahr 2026 bei 7,2%.

Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024: 
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Deutsche Wirtschaft im Umbruch – Konjunktur und Wachstum schwach. Berlin, September 2024.

Ihr Kontakt

Für Wissenschaftler/innen

Für Journalistinnen/en

IWH-Expertenliste

Die IWH-Expertenliste bietet eine Übersicht der IWH-Forschungsthemen und der auf diesen Gebieten forschenden Wissenschaftler/innen. Die jeweiligen Experten für die dort aufgelisteten Themengebiete erreichen Sie für Anfragen wie gewohnt über die Pressestelle des IWH.

Zugehörige Publikationen

cover_gd_2024-herbst.jpg

Deutsche Wirtschaft im Umbruch – Konjunktur und Wachstum schwach

Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

in: Dienstleistungsauftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, 2, 2024

Abstract

<p>Die deutsche Wirtschaft tritt seit über zwei Jahren auf der Stelle. In den kommenden Quartalen dürfte eine langsame Erholung einsetzen. Aber an den Trend von vor der COVID-19-Pandemie wird das Wirtschaftswachstum auf absehbare Zeit nicht mehr anknüpfen können. Die Dekarbonisierung, die Digitalisierung, der demografische Wandel und wohl auch der stärkere Wettbewerb mit Unternehmen aus China haben strukturelle Anpassungsprozesse in Deutschland ausgelöst, die die Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft dämpfen.&nbsp;</p> <p>Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr 2024 um 0,1% sinken und in den kommenden beiden Jahren um 0,8% bzw. 1,3% zunehmen. Damit revidieren die Institute ihre Prognose vom Frühjahr 2024 leicht nach unten. Getragen wird die schmalspurige Erholung vom steigenden privaten Verbrauch, der von kräftigen Zuwächsen der real verfügbaren Einkommen angeregt wird. Das Anziehen der Konjunktur in wichtigen Absatzmärkten, wie den europäischen Nachbarländern, wird den deutschen Außenhandel stützen. Zusammen mit günstigeren Finanzierungsbedingungen kommt dies den Anlageinvestitionen zugute. Die Wirtschaftspolitik sollte Produktivitätshemmnisse abbauen, den Strukturwandel zulassen und die politische Unsicherheit verringern.</p>

Publikation lesen
Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft LogoTotal-Equality-LogoGefördert durch das BMWK