Das Potenzial von Bankkreditspreads für die Konjunkturprognose
Prognosemodelle für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung verwenden häufig marktbasierte Indikatoren wie Spreads von Unternehmensanleihen, die den Risikoaufschlag gegenüber einem Referenzzins angeben. Anleihespreads bilden jedoch nur die Entwicklung von Risiken für Unternehmen ab, die regelmäßig Anleihen emittieren – im Durchschnitt größere, sichere Firmen. Neuartige Daten zu Bankkrediten, die im Sekundärmarkt gehandelt werden, erlauben auch die Konstruktion von Kreditspreads. Kreditmarktdaten umfassen ein breiteres Spektrum an Firmen, inklusive kleinerer Firmen, die stärker von Finanzmarktfriktionen betroffen sind. Tests zeigen, dass Kreditspreads tatsächlich mehr Informationen über wirtschaftliche Entwicklungen beinhalten als Anleihespreads und daher das Potenzial haben, Prognosemodelle zu verbessern.
17. Juni 2022
Inhalt
Seite 1
Die Entwicklung von PrognosetoolsSeite 2
Prognosekraft von BankkreditspreadsSeite 3
Ursachen für die Prognosekraft und abschließende ÜberlegungenSeite 4
Endnoten Auf einer Seite lesenDie Entwicklung von Prognosetools für die erwartete wirtschaftliche Entwicklung (Konjunkturprognosen) sind ein Kernbaustein der anwendungsorientierten makroökonomischen Forschung. Ein wichtiger Indikator in den meisten Prognosemodellen sind Kreditspreads, d. h. der Risikoaufschlag auf einen Referenzzinssatz, den Firmen für risikobehaftete Anlagen oder Kredite zahlen müssen.
Die typische Motivation für die Prognosekraft marktbasierter Indikatoren sind Theorien, bei denen die Rolle von Finanzmarktfriktionen in der Verbreitung und Ausweitung von Schocks in der Ökonomie im Mittelpunkt steht.1 Zum Beispiel kann eine Schwächung der Bilanzen von Banken zu einer Reduktion in der Kreditvergabe führen. Die Kreditzinsen steigen und damit auch die Kreditspreads. Die Unternehmen investieren aufgrund der teureren Kredite weniger. Dies manifestiert sich schließlich in einer Verschlechterung der realen ökonomischen Lage.
Auch Friktionen auf der Unternehmensseite können in Spreads reflektiert sein. Für kleinere, risikoreichere Unternehmen ist externes Kapital oft teuer, zum Beispiel, weil außenstehende Investoren das Unternehmen aufgrund von asymmetrischer Information schlecht einschätzen können. Auch diese unternehmensseitigen Friktionen können in Kreditspreads reflektiert sein und das Investitionsverhalten beeinflussen. Beide Kanäle implizieren, dass Kreditspreads vorausschauende Indikatoren für die zukünftige ökomische Entwicklung sind.2
Typischerweise werden zur Berechnung von Kreditspreads in der Prognose Daten zu Unternehmensanleihen verwendet. Für viele, insbesondere kleinere Unternehmen sind jedoch Bankkredite das wichtigste Fremdkapital. Dies ist vor allem, aber nicht ausschließlich, in traditionell eher bankbasierten europäischen Ländern wie Deutschland der Fall. Zum Beispiel betrug das Volumen der Bankkredite für den privaten Sektor (exklusive des Finanzsektors) im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 in der Eurozone 96,6% verglichen mit 53,8% in den USA.3 Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Kreditspreads basierend auf Bankkrediten andere Informationen beinhalten als Anleihespreads. Dies ist insbesondere wichtig angesichts der Tatsache, dass Bankkredite einen breiteren Teil der Ökonomie abdecken und auch Informationen von kleineren, tendenziell eher Finanzmarktfriktionen ausgesetzten Unternehmen einbeziehen.
Ein neuer Bankkreditspread-Indikator
In den letzten 30 Jahren hat sich ein aktiver und liquider Sekundärmarkt für Syndikatskredite gebildet. Auf diesem Markt werden große Kredite gehandelt, die mehrere Banken (ein Syndikat) einem Unternehmen gegeben haben. Dieser Sekundärmarkt erlaubt erstmalig, tägliche Marktpreise für einzelne Bankkredite zu beobachten.4 Dies ermöglicht es, auf Basis eines breiten Pools an einzelnen gehandelten Krediten einen Bankkreditspread-Indikator zu entwickeln. Hierzu wird zunächst für jeden Kredit und jeden Zeitpunkt (Monat) anhand des Marktpreises der Risikoaufschlag auf den Referenzzinssatz (in der Regel der Dreimonats-LIBOR5) berechnet und dann der Durchschnitt über alle Kredite gebildet.
Abbildung 1 zeigt den Indikator, gebildet aus Preisdaten von über 9 000 Krediten, für den US-Markt – die Region mit dem liquidesten Sekundärmarkt für Syndikatskredite – im Zeitverlauf (orange Linie). Der Indikator zeigt eine starke Varianz über die Zeit mit Ausschlägen während der Finanzkrise 2008/2009 und während des Beginns der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020. Zum Vergleich dargestellt sind ein Unternehmensanleihen- Index (dunkelblau), die durchschnittliche Spread-Differenz zwischen mit „Baa“ und „Aaa“ bewerteten Unternehmensanleihen (grau) und ein Geldmarktpapier-Index (hellblau). Alle Indikatoren sind positiv miteinander korreliert, jedoch ist der Bankkredit-Index deutlich volatiler. Auch liegt das Level des Index deutlich über dem Level des Unternehmensanleihen-Index. Dies mag zunächst überraschen, sind doch Anleihen in der Regel in der Kapitalstruktur nachrangig gegenüber Bankkrediten, werden also bei Zahlungsausfall später bedient. Der Grund hierfür liegt in Unterschieden zwischen den Firmen, die am Anleihen- und Bankkreditmarkt aktiv sind: Firmen, die Anleihen emittieren, sind im Durchschnitt größer und sicherer verglichen mit Firmen im Bankkreditmarkt und haben daher geringere Risikoaufschläge.