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Wirtschaft in Deutschland (Forts.) Auf einer Seite lesenDie deutsche Wirtschaft tritt seit über zwei Jahren auf der Stelle. Die Wirtschaftsleistung legte zu Jahresbeginn zwar etwas zu, schrumpfte im zweiten Quartal allerdings wieder. In den kommenden Quartalen dürfte eine langsame Erholung einsetzen. Aber an den Trend von vor der COVID-19-Pandemie wird das Wirtschaftswachstum auf absehbare Zeit nicht mehr anknüpfen können. Die Dekarbonisierung, die Digitalisierung, der demografische Wandel und wohl auch der stärkere Wettbewerb mit Unternehmen aus China haben strukturelle Anpassungsprozesse in Deutschland ausgelöst, die die langfristigen Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft dämpfen. Seit der Pandemie wurde das Produktionspotenzial wiederholt nach unten revidiert.
Der Strukturwandel und die konjunkturelle Flaute belasten besonders das Verarbeitende Gewerbe. Die Wettbewerbsfähigkeit der Investitionsgüterhersteller und der energieintensiven Industriezweige leidet unter den gestiegenen Energiekosten und der zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China, die deutsche Exporte auf den Weltmärkten verdrängen. Die Auswirkungen der strukturellen Anpassungsprozesse sind schwer abzuschätzen, und Indikatoren deuten darauf hin, dass das Verarbeitende Gewerbe vermehrt begleitende Dienstleistungen erbringt, die den Rückgang aus der Industrieproduktion bislang kompensieren. Konjunkturell leidet das Verarbeitende Gewerbe aber auch unter der schwachen globalen Industriekonjunktur und dem damit verbundenen Mangel an neuen Aufträgen. Abgemildert wird die deutliche Unterauslastung im Verarbeitenden Gewerbe durch die teilweise kräftig gestiegene Bruttowertschöpfung in den – insbesondere staatlich geprägten – Dienstleistungsbereichen.
Symptomatisch für die Probleme im Verarbeitenden Gewerbe ist die anhaltende Investitionsschwäche für Ausrüstungsgüter und im Bau. Zudem hat der deutsche Außenhandel zuletzt kaum von der Belebung des Welthandels profitiert. Vor allem die deutschen Ausfuhren von Investitionsgütern entwickelten sich schwach. Konjunkturell dürften in Deutschland vor allem das noch hohe Zinsniveau und die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit die Investitionstätigkeiten der Unternehmen und die Anschaffungsneigung der privaten Haushalte belastet haben.
Der private Konsum konnte die Wirtschaft im ersten Halbjahr zwar stützen, die erhoffte Belebung blieb aber trotz kräftig gestiegener real verfügbarer Einkommen aus. Die privaten Haushalte legten ihre Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt es für Konsumgüter auszugeben. So hat sich die Sparquote vier Quartale hintereinander erhöht und verharrt über ihrem langfristigen Niveau.
Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die Sparquote in Deutschland hoch ausfällt. Strukturelle Analysen der Institute deuten darauf hin, dass die Höhe des öffentlichen Budgetsaldos, das Niveau und das Wachstum des Einkommens, wie auch der Realzins im Allgemeinen keine Relevanz für die im Ländervergleich hohe deutsche Sparquote haben. Vielmehr spielen kulturelle Faktoren eine Rolle. Vor allem das Vorsichtsmotiv scheint hierzulande besonders relevant zu sein. Die zuletzt erhöhte Sparneigung der privaten Haushalte dürfte somit insbesondere durch die zunehmende Verunsicherung über wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und vermehrt auch durch Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz begründet sein.
Mit einer schwungvollen Erholung ist im Prognosezeitraum nicht zu rechnen. Die strukturellen Anpassungsprozesse werden andauern und die konjunkturellen Hemmnisse dürften sich nur allmählich auflösen. Insgesamt deuten die Frühindikatoren für das dritte Quartal darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung noch einmal leicht sinkt. Ab dem Jahresende dürfte eine wenig dynamische Erholung einsetzen. Getragen wird sie vom anziehenden privaten Verbrauch, der von kräftigen Zuwächsen der real verfügbaren Einkommen angeregt wird. Der deutsche Außenhandel dürfte sich wieder etwas beleben, gestützt von der Konjunktur in wichtigen Absatzmärkten, wie den europäischen Nachbarländern. Zusammen mit den sich verbessernden Finanzierungsbedingungen wird dies auch den Anlageinvestitionen zugutekommen. Davon dürfte auch die Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe profitieren und zum Ende des Jahres 2026 wohl wieder das vorpandemische Niveau erreichen.
Die Finanzpolitik ist im laufenden und kommenden Jahr leicht restriktiv ausgerichtet. Von der „Wachstumsinitiative“ der Bundesregierung dürfte im Prognosezeitraum nur ein geringer Impuls ausgehen. In dieser Prognose sind diejenigen der 49 Maßnahmen berücksichtigt, die bereits konkretisiert sind, wie beispielsweise die Korrektur der kalten Progression oder die Erweiterung der Regelungen zur degressiven Abschreibung. Die verbleibenden Maßnahmen enthalten wichtige Vorschläge zur Stärkung des Arbeitsangebots und zur Verbesserung der unternehmerischen Rahmenbedingungen; sie sind aber teilweise noch zu konkretisieren bzw. werden wohl nur mit größerer Verzögerung beschlossen und implementiert werden.