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Deutschland braucht eine klare wirtschaftspolitische Strategie

Die deutsche Wirtschaft steht unter Druck, doch die aktuellen Maßnahmen der Regierung führen kaum zu einer nachhaltigen Erholung. Unternehmen sind mit Unsicherheiten konfrontiert, die Investitionen hemmen – insbesondere hinsichtlich der Energieversorgung und der damit verbundenen Kosten. Viele Betriebe schieben deshalb notwendige Investitionen auf – genau die Investitionen, die das wirtschaftliche Wachstum antreiben könnten.

02. Oktober 2024

Autoren Reint E. Gropp

Wirtschaftswachstum entsteht nur aus besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Innovationen, Unternehmertum und Risikofreude fördern. Statt sich aber hierum zu kümmern, steht das Jahr 2024 für weitere gezielte Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, insbesondere durch Subventionen und Rettungspakete. Der Staat glaubt offenbar zunehmend, dadurch über das Überleben einzelner Unternehmen entscheiden zu können. Diese „Hybris des Staates“ ist ein Zeichen für einen Mentalitätswandel in der deutschen Wirtschaftspolitik. Die EU hatte lange strenge Beihilferegeln, um genau solche Eingriffe zu verhindern. Nach der Pandemie wurden diese Regeln aufgeweicht – zunächst zu Recht, aber heute wird der Ausnahmezustand zum Normalzustand.

Ein Beispiel für selektive staatliche Eingriffe ist die geplante milliardenschwere Subventionierung von Intel in Magdeburg. Der Staat ist kein guter Unternehmer und kann schwerlich abschätzen, welche Industrien langfristig erfolgreich sein werden – und dies zeigt sich am Beispiel Intels besonders: Im September hat das Unternehmen angekündigt, aufgrund von großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sein Vorhaben in Magdeburg zu verschieben.

Neben fehlenden generellen Impulsen und selektiven Eingriffen ist das Erstarken der AfD, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern, ein weiteres zentrales Risiko für die deutsche Wirtschaft. Viele Unternehmer und Verbände hatten vor den jüngsten Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewarnt. Die Sorge: Ein weiterer Wahlerfolg der AfD könnte die Wirtschaft nachhaltig schädigen, da die AfD auf keine der großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen, wie den Fachkräftemangel aufgrund des demographischen Wandels oder die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft, eine Antwort hat. Der Klimawandel wird trotz überwältigender wissenschaftlicher Evidenz rundheraus geleugnet, und alles, was die AfD als „Lösung“ für den Fachkräftemangel anbietet, ist kontraproduktiv. In Deutschland scheiden jährlich rund 400 000 Menschen netto aus dem Arbeitsmarkt aus. Der Arbeitskräftemangel ist schon jetzt besonders dramatisch in Ostdeutschland, da nach der Wende disproportional viele Hochqualifizierte, insbesondere junge Frauen, abgewandert sind. Gleichzeitig hat Ostdeutschland in den letzten zehn Jahren deutlich weniger von Einwanderung profitiert als Westdeutschland. Durch die hohen Stimmenanteile der AfD bei den letzten Landtagswahlen ist zu erwarten, dass sowohl internationale, aber auch weltoffene inländische Fachkräfte die östlichen Bundesländer zunehmend meiden werden. Der Fachkräftemangel in Ostdeutschland wird dadurch noch weiter verschärft.

Was Deutschland angesichts dieser Umstände braucht, ist eine strategische und kohärente Wirtschaftspolitik. Der Fokus sollte auf der Förderung von Forschung und Innovation liegen und darauf, die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen zu verbessern, zum Beispiel durch das Beschleunigen von Genehmigungsverfahren für alle Unternehmen, nicht nur für Großinvestoren wie Tesla oder Intel.

Außerdem in diesem Heft

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Aktuelle Trends: Starker Anstieg der Gesetzesfolgekosten der Wirtschaft

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>Steigende Bürokratiekosten werden derzeit oft als ein Grund für die aktuelle wirtschaftliche Schwäche genannt. Allerdings ist der Streit um (zu hohe) Bürokratiekosten nichts Neues. Als Konsequenz daraus wurde der unabhängige Normenkontrollrat bereits 2006 ins Leben gerufen.</p>

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Nachlassende Unternehmensdynamik in Europa: Die Rolle von Schocks und Reaktionsfähigkeit

Filippo Biondi Sergio Inferrera Matthias Mertens Javier Miranda

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>Wir untersuchen die Veränderung der Unternehmensdynamik in Europa seit 2000 anhand neuer Daten, die wir für 19 europäische Länder erhoben haben. In allen Ländern dokumentieren wir einen breit angelegten Rückgang der Unternehmensdynamik, der die meisten Wirtschaftszweige und Firmengrößenklassen betrifft. Große und ältere Unternehmen verzeichnen den stärksten Rückgang der Unternehmensdynamik. Gleichzeitig geht der Anteil an Personen, die in jungen Unternehmen arbeiten, zurück. In Übereinstimmung mit Ergebnissen aus den USA reagieren Unternehmen in Europa weniger stark auf Produktivitätsveränderungen als früher („Reaktivität von Firmen“), was einen Teil des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt. Im Gegensatz zur bisherigen Evidenz für die USA hat sich in Europa jedoch auch die Dynamik von Produktivitätsschocks abgeschwächt, was einen weiteren Teil des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt. Für das deutsche Verarbeitende Gewerbe berechnen wir, dass der Rückgang der Reaktivität von Firmen ca. 40% des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt, während die Abschwächung von Produktivitätsschocks 60% des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt. Diese Prozesse deuten darauf hin, dass Marktfriktionen, wie beispielsweise Firmenmarktmacht in Europa, zu zunehmenden Fehlallokationen führen und dass die Innovationsprozesse sich abgeschwächt haben, woraus eine geringere Umverteilung von Marktanteilen zwischen Firmen resultiert.</p>

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Analyse der Effekte des Atomausstiegs auf die deutschen Großhandelsstrompreise 2023

Christoph Schult

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>Seit dem Atomausstieg am 15. April 2023 sind die Großhandelsstrompreise in Deutschland deutlich gesunken. Innerhalb des deutschen Merit-Order-Systems galten Atomkraftwerke als die kostengünstigste Form der Stromerzeugung. Hätten die Atomkraftwerke weiterbetrieben werden können, wären die Großhandelsstrompreise für den Zeitraum vom 16. April 2023 bis zum 31. Dezember 2023 voraussichtlich um 1% bis 8% niedriger gewesen. Insbesondere im Oktober hätte der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke die Großhandelsstrompreise gesenkt, vor allem in Zeiten hoher Stromnachfrage und geringer Verfügbarkeit erneuerbarer Energien.</p>

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Interview: Gibt es aktuell eine Insolvenzwelle in Deutschland?

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>In den letzten Wochen gab es zahlreiche Medienberichte zu Insolvenzen in Deutschland, darunter einige bekannte Namen. Befinden wir uns in einer Insolvenzwelle? Dazu sprechen wir mit dem Insolvenz-Experten Professor Dr. Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).</p>

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