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Aktuelle Trends: Starker Anstieg der Gesetzesfolgekosten der Wirtschaft

Steigende Bürokratiekosten werden derzeit oft als ein Grund für die aktuelle wirtschaftliche Schwäche genannt. Allerdings ist der Streit um (zu hohe) Bürokratiekosten nichts Neues. Als Konsequenz daraus wurde der unabhängige Normenkontrollrat bereits 2006 ins Leben gerufen.

02. Oktober 2024

Autoren Steffen Müller

Steigende Bürokratiekosten werden derzeit oft als ein Grund für die aktuelle wirtschaftliche Schwäche genannt. Allerdings ist der Streit um (zu hohe) Bürokratiekosten nichts Neues. Als Konsequenz daraus wurde der unabhängige Nationale Normenkontrollrat (NKR) bereits 2006 ins Leben gerufen. Der NKR überwacht die Berechnung der Folgekosten der von den Bundesministerien entwickelten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Der so genannte Erfüllungsaufwand soll den Zeitaufwand und die Kosten messen, die eine neue Regelung für die Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung unmittelbar auslöst oder einspart. Bürokratiekosten sind ein Teil davon. Die vom IWH auf Basis der Daten des Normenkontrollrats erstellte Graphik saldiert sowohl die in der aktuellen Legislaturperiode entstandenen einmaligen Zusatzkosten als auch die durch neue Regelungen dauerhaft wegfallenden oder zusätzlich anfallenden Kosten für die Wirtschaft.

Die teuersten Regelungen wurden dabei vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, Grüne) und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS, SPD) eingeführt. Durch das BMWK wurden sowohl einmalige als auch jährlich wiederkehrende Zusatzkosten verursacht. So führte die „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen“ vom August 2022 laut der Daten des NKR zu einmaligen Zusatzkosten von 5,5 Mrd. Euro. Entscheidende Mehrkosten entstehen jedoch vor allem aus dem „Gesetz zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes und mehrerer Verordnungen zur Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien“ welches 12,5 Mrd. Euro einmalige Kosten und jährliche Kosten von 
3,6 Mrd. Euro verursacht. Auf die Bürger entfallen jährlich weitere 
5 Mrd. Euro. Das BMAS hat vor allem aufgrund der Anpassung des Mindestlohns im Jahr 2022 einen jährlich anfallenden Erfüllungsaufwand der Wirtschaft von 5,7 Mrd. Euro ausgelöst, der bei einer (geringeren) Mindestlohnanhebung durch die Mindestlohnkommission in Teilen auch ohne BMAS-Intervention entstanden wäre. Kostenreduktionen gehen auf das Konto des Bundesministeriums der Finanzen (BMF, FDP). Insgesamt entlasten neue BMF-Regelungen die Unternehmen um jährlich 1,7 Mrd. Euro, maßgeblich durch das „Wachstumschancengesetz“ vom August 2023.

Außerdem in diesem Heft

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Deutschland braucht eine klare wirtschaftspolitische Strategie

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>Die deutsche Wirtschaft steht unter Druck, doch die aktuellen Maßnahmen der Regierung führen kaum zu einer nachhaltigen Erholung. Unternehmen sind mit Unsicherheiten konfrontiert, die Investitionen hemmen – insbesondere hinsichtlich der Energieversorgung und der damit verbundenen Kosten. Viele Betriebe schieben deshalb notwendige Investitionen auf – genau die Investitionen, die das wirtschaftliche Wachstum antreiben könnten.</p>

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Nachlassende Unternehmensdynamik in Europa: Die Rolle von Schocks und Reaktionsfähigkeit

Filippo Biondi Sergio Inferrera Matthias Mertens Javier Miranda

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>Wir untersuchen die Veränderung der Unternehmensdynamik in Europa seit 2000 anhand neuer Daten, die wir für 19 europäische Länder erhoben haben. In allen Ländern dokumentieren wir einen breit angelegten Rückgang der Unternehmensdynamik, der die meisten Wirtschaftszweige und Firmengrößenklassen betrifft. Große und ältere Unternehmen verzeichnen den stärksten Rückgang der Unternehmensdynamik. Gleichzeitig geht der Anteil an Personen, die in jungen Unternehmen arbeiten, zurück. In Übereinstimmung mit Ergebnissen aus den USA reagieren Unternehmen in Europa weniger stark auf Produktivitätsveränderungen als früher („Reaktivität von Firmen“), was einen Teil des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt. Im Gegensatz zur bisherigen Evidenz für die USA hat sich in Europa jedoch auch die Dynamik von Produktivitätsschocks abgeschwächt, was einen weiteren Teil des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt. Für das deutsche Verarbeitende Gewerbe berechnen wir, dass der Rückgang der Reaktivität von Firmen ca. 40% des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt, während die Abschwächung von Produktivitätsschocks 60% des Rückgangs der Unternehmensdynamik erklärt. Diese Prozesse deuten darauf hin, dass Marktfriktionen, wie beispielsweise Firmenmarktmacht in Europa, zu zunehmenden Fehlallokationen führen und dass die Innovationsprozesse sich abgeschwächt haben, woraus eine geringere Umverteilung von Marktanteilen zwischen Firmen resultiert.</p>

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Analyse der Effekte des Atomausstiegs auf die deutschen Großhandelsstrompreise 2023

Christoph Schult

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>Seit dem Atomausstieg am 15. April 2023 sind die Großhandelsstrompreise in Deutschland deutlich gesunken. Innerhalb des deutschen Merit-Order-Systems galten Atomkraftwerke als die kostengünstigste Form der Stromerzeugung. Hätten die Atomkraftwerke weiterbetrieben werden können, wären die Großhandelsstrompreise für den Zeitraum vom 16. April 2023 bis zum 31. Dezember 2023 voraussichtlich um 1% bis 8% niedriger gewesen. Insbesondere im Oktober hätte der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke die Großhandelsstrompreise gesenkt, vor allem in Zeiten hoher Stromnachfrage und geringer Verfügbarkeit erneuerbarer Energien.</p>

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Interview: Gibt es aktuell eine Insolvenzwelle in Deutschland?

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2024

Abstract

<p>In den letzten Wochen gab es zahlreiche Medienberichte zu Insolvenzen in Deutschland, darunter einige bekannte Namen. Befinden wir uns in einer Insolvenzwelle? Dazu sprechen wir mit dem Insolvenz-Experten Professor Dr. Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).</p>

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