Inhalt
Seite 1
Die soziale Integration von FlüchtlingenSeite 2
Spendenverhalten in einem LaborexperimentSeite 3
Endnoten Auf einer Seite lesenSpendenverhalten in einem Laborexperiment
Studierende einer Universität wurden zur Teilnahme an einer offline (also direkt an der Universität) stattfindenden Umfrage eingeladen, ohne dabei das Thema der Umfrage bekanntzugeben. Die Teilnehmenden wurden zu Beginn der Umfrage über ein lokales, bereits laufendes Projekt informiert, welches zum Ziel hat, Flüchtlinge mit Hilfe einer digitalen Nachbarschaftsplattform mit den Einwohnerinnen und Einwohnern des Ortes in Kontakt zu bringen. Angesichts der bis dato geringen Nutzerzahlen der Plattform sollten Flyer gedruckt und verteilt werden. Identisch zu dem deutschlandweiten Umfrageexperiment wurden die Teilnehmenden zufällig einer der zuvor beschriebenen Gruppen zugeteilt und entweder über das ehrenamtliche Engagement der Flüchtlinge informiert oder nicht. Anschließend wurden sie um eine Spende für den Druck der Flyer gebeten. Die 171 Teilnehmenden8 hatten zu Beginn der Umfrage eine Aufwandsentschädigung in Höhe von zehn Euro (in kleiner Stückelung, zzgl. fünf Euro für das Erscheinen zur Umfrage) erhalten, welche nun als Spende genutzt werden konnte.
94% aller Teilnehmenden entschieden sich für eine Spende, unabhängig davon, welcher Gruppe sie vorab zugeteilt wurden. Die durchschnittliche Spende lag bei 4,05 Euro, wobei diese sich stark zwischen den drei Gruppen unterscheidet. In der Kontrollgruppe konnten im Durchschnitt nur 3,07 Euro eingesammelt werden, wohingegen die Informationen über das ehrenamtliche Engagement von Flüchtlingen zu einem Anstieg von 40% und mehr führte (4,30 Euro in der Third-Party-Support-Gruppe und 4,80 Euro in der Mutual-Support-Gruppe, wobei diese sich statistisch aber nicht signifikant voneinander unterscheiden). Das Laborexperiment bestätigte also die These, dass Einheimische Flüchtlinge stärker unterstützen, wenn sie von deren ehrenamtlichem Engagement erfahren.
Ein natürliches Feldexperiment
Bei beiden zuvor beschriebenen Experimenten ist nicht vollständig auszuschließen, dass die positiven Effekte der Bereitstellung von Informationen über das Engagement der Flüchtlinge durch das Wissen der Probanden, Teil einer Studie zu sein, getrieben wurden. Daher wurde im Anschluss an das Laborexperiment die Verteilung der Flyer für die Nachbarschaftsplattform dazu genutzt, die Effekte der gegebenen Informationen erneut zu testen. Drei verschiedene Flyerversionen wurden dafür in Zusammenarbeit mit einem syrischen Flüchtling, in dessen Namen insgesamt 6 080 Flyer verfasst waren, zufällig in der Stadt verteilt. Anschließend konnte in Kooperation mit der Nachbarschaftsplattform beobachtet werden, wie hoch die Quote an Neuanmeldungen für die verschiedenen Flyerversionen war. Aus den Erfahrungen der Nachbarschaftsplattform heraus waren insgesamt nur sehr niedrige Quoten zu erwarten, zumal bereits wenige Wochen zuvor zwei konkurrierende Plattformen in derselben Stadt aktiv gewesen waren und Flyer verteilt hatten. Diese Erwartungen wurden dann mit einer Anmeldequote von nur 0,47% in der Kontrollgruppe auch bestätigt. Nichtsdestotrotz war ein ähnliches Muster wie in den beiden vorangegangenen Experimenten zu beobachten: Die Flyer-Replikationen der Gruppen third-party support und mutual support erzielten eine Anmeldequote von 0,70% bzw. 0,93%. Eine weitere Flyerversion, welche vergleichbar zu dem Mutual-Support-Flyer des syrischen Flüchtlings war, aber von einem deutschen Zuzügler verfasst und verteilt wurde, resultierte in einer Anmeldequote von 1,01%. Im Vergleich zur Kontrollgruppe mit 0,47% ist dies zwar ein signifikanter Unterschied, aber die gute Nachricht ist, dass die Anwohner offenbar keinen Unterschied zwischen einem Deutschen und einem Flüchtling machen, wenn letzterer auch bereit ist, sich in der Gesellschaft zu engagieren (die Anmeldequoten von 1,01% und 0,93% sind statistisch nicht signifikant verschieden).
Ehrenamtliches Engagement von Flüchtlingen fördern
Aufgrund der niedrigen Fallzahlen sind die Ergebnisse des Feldexperiments zwar nur unter Vorbehalt zu interpretieren, in Kombination mit den Ergebnissen der anderen beiden Experimente sprechen die Zahlen aber eine recht deutliche Sprache. Alle drei Experimente liefern Evidenz, dass sich ehrenamtliches Engagement von Flüchtlingen positiv auf die Integrationsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung auswirken kann. Auch wenn bereits viele Studien die Bedeutung von Reziprozität bestätigt haben, so war es keineswegs zwingend zu erwarten, dass in einem so speziellen Kontext mit einer Vielzahl neuankommender Flüchtlinge positive Effekte zu beobachten sein könnten, gerade wenn negative Einstellungen überwiegen. Dass das Wissen um ehrenamtliches Engagement vor allem den Anteil derjenigen stark reduziert, die überhaupt nicht helfen wollen (Experiment 1), lässt langfristig sogar noch bessere Ergebnisse erhoffen: Gemäß der so genannten Kontakthypothese9 können Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten am besten abgebaut werden, wenn man Angehörige dieser Minderheiten kennenlernt, und eine erste zaghafte Bereitschaft zur Kontaktaufnahme könnte einen solchen Prozess ins Rollen bringen.
Da die in den Experimenten gegebenen Informationen über ehrenamtliches Engagement von Flüchtlingen aber nur auf Einzelbeobachtungen beruhen, wäre es sinnvoll, deren Engagement auch aus politischer Perspektive verstärkt zu fördern, indem Hemmnisse zur Aufnahme eines solchen Engagements abgebaut werden. Neben mangelnden Kenntnissen der Flüchtlinge über das Ehrenamt an sich und die verschiedenen Möglichkeiten eines Engagements könnten fehlende oder zu niedrige Aufwandsentschädigungen ein Hemmnis darstellen. Gerade wenn Flüchtlinge noch keiner anderweitigen Tätigkeit nachgehen (dementsprechend aber Zeit für ein ehrenamtliches Engagement hätten) und auf jeden Euro angewiesen sind, werden sie diesen nicht für eine Busfahrt zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgeben können und wollen. Auch der Abbau von Bürokratie könnte den Einstieg in ein Ehrenamt erleichtern. So ist beispielsweise der Bundesfreiwilligen- dienst für Flüchtlinge zwar geöffnet, es muss aber eine Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde ausgestellt werden. Wenn es gelänge, durch den Abbau solcher Hemmnisse Flüchtlinge viel breiter als bisher ins Ehrenamt einzubinden, würde dies auch stärker in das öffentliche Bewusstsein dringen – mit den hier gezeigten positiven Folgen, welche die soziale Integration der Flüchtlinge erheblich erleichtern sollten.