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Kommentar: Finanzstabilität in Zeiten von Corona

Die Corona-bedingte Wirtschaftskrise könnte den deutschen Bankensektor massiv in Mitleidenschaft ziehen, wenn die nationale und europäische Aufsicht nicht in den nächsten Monaten gegensteuert. Das ist die Aussage einer IWH-Studie, in der wir die Jahresabschlüsse von mehr als einer halben Million deutscher Unternehmen mit den Bilanzdaten von über 1 000 hiesigen Banken verknüpft haben. Die Stichprobe umfasst rund 90% der Bilanzsumme aller Banken und schließt alle großen systemrelevanten Geldhäuser mit ein. Wir benutzen dabei sektorspezifische Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung: Wir beziehen also die Tatsache mit ein, dass die Tourismusbranche besonders und die Baubranche relativ wenig von der Krise betroffen ist. Wir simulieren mehrere Szenarien: eines mit einer schnellen Erholung (V-förmig), eines mit einer relativ langsamen Erholung (U) und ein Szenario, in dem die Krise noch eine längere Zeit anhält (L).

03. Dezember 2020

Autoren Reint E. Gropp

Insgesamt interessiert uns dabei, wie sich die realwirtschaftliche Corona-Krise auf die deutschen Finanzinstitutionen auswirken wird. Die dramatische Kontraktion einiger Sektoren wird trotz der großzügigen Hilfspakete der Bundesregierung unweigerlich dazu führen, dass viele Firmen ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können. Die Kreditausfälle könnten Deutschlands Banken so schwer belasten, dass diese selbst in Existenznot geraten. Im optimistischen Szenario, bei dem sich die deutsche Wirtschaft rasch erholt, wären immerhin 6% und damit dutzende hiesige Geldhäuser gefährdet. Hingegen würden im pessimistischen Szenario einer langen Wirtschaftsflaute bis zu 28% und damit hunderte Banken in ernste Schwierigkeiten geraten. Wie wichtig diese Banken für die Wirtschaft sind, verdeutlicht der Blick in ihre Bilanzen: Die dort abgebildeten Kredite belaufen sich im optimistischen Szenario auf 127 Milliarden Euro, im pessimistischen Szenario auf 624 Milliarden Euro.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass der Aufsicht noch Zeit bleibt, sich des Problems anzunehmen und das Schlimmste zu verhindern. Aktuell zeigt der IWH-Insolvenztrend sogar einen Rückgang der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr. Der Grund für diese leicht paradoxe Situation liegt im Aussetzen der Insolvenzpflicht, Kurzarbeit und den Subventionen gerade für kleinere Unternehmen im Rahmen des Corona-Rettungspakets der Bundesregierung. Unternehmen werden also zurzeit „künstlich“ am Leben gehalten; allerdings sind damit in einigen Wirtschaftsbereichen, nämlich dort, wo auch langfristig das Geschäftsmodell durch Corona weggebrochen ist, die Insolvenzen nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Wir rechnen damit, dass sich die Zahl der Insolvenzen spätestens im Frühjahr spürbar erhöhen wird, mit entsprechenden Kreditausfällen für die Banken.

Es ist klar, dass die Banken durch die Re-Regulierung nach der Finanzkrise 2008/2009 viel besser und solider aufgestellt sind als vor der Finanzkrise, aber trotzdem übersteigt die Tiefe der Rezession selbst die pessimistischsten Stresstests der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) um einiges. Und wir wissen aus der Finanzkrise, dass Banken, die unter Druck geraten, zweierlei tun: Einerseits suchen sie das Risiko, um sich durch höhere Erträge aus der Krise zu befreien, und andererseits reduzieren sie die Kreditvergabe. Das könnte dann gerade zu dem Zeitpunkt der Fall sein, wenn die Unternehmen besonders viele Kredite brauchen, wenn nämlich die Corona-Krise vorbei ist und sie wieder investieren wollen. Das hätte das Potenzial, die Erholung gleich wieder abzuwürgen.

Deswegen ist es jetzt so wichtig, dass die Aufsicht aktiv wird und versucht, durch geeignete Maßnahmen (zum Beispiel dem Aussetzen von Dividenden und Abführungen oder durch Aufnehmen von frischem Kapital am Markt) die Kapitalbasis der besonders gefährdeten Banken zu stärken. Nur so kann auch eine Rettung von Banken mit Steuergeldern ohne systematische Restrukturierung ihres Firmenkreditportfolios ausgeschlossen werden. 

Die zugrundeliegende IWH-Studie ist Gropp, R. E.; Koetter, M.; McShane, W.: The Corona Recession and Bank Stress in Germany. IWH Online 4/2020. Halle (Saale) 2020.

Empfohlene Publikationen

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The Corona Recession and Bank Stress in Germany

Reint E. Gropp Michael Koetter William McShane

in: IWH Online, Nr. 4, 2020

Abstract

We conduct stress tests for a large sample of German banks across different recoveries from the Corona recession. We find that, depending on how quickly the economy recovers, between 6% to 28% of banks could become distressed from defaulting corporate borrowers alone. Many of these banks are likely to require regulatory intervention or may even fail. Even in our most optimistic scenario, bank capital ratios decline by nearly 24%. The sum of total loans held by distressed banks could plausibly range from 127 to 624 billion Euros and it may take years before the full extent of this stress is observable. Hence, the current recession could result in an acute contraction in lending to the real economy, thereby worsening the current recession , decelerating the recovery, or perhaps even causing a “double dip” recession. Additionally, we show that the corporate portfolio of savings and cooperative banks is more than five times as exposed to small firms as that of commercial banks and Landesbanken. The preliminary evidence indicates small firms are particularly exposed to the current crisis, which implies that cooperative and savings banks are at especially high risk of becoming distressed. Given that the financial difficulties may seriously impair the recovery from the Covid-19 crisis, the pressure to bail out large parts of the banking system will be strong. Recent research suggests that the long run benefits of largely resisting these pressures may be high and could result in a more efficient economy.

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Außerdem in diesem Heft

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Aktuelle Trends: Spiegelt sich die Mehrwertsteuersenkung in den Verbraucherpreisen wider?

Birgit Schultz

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2020

Abstract

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Corona-Soforthilfemaßnahmen eine temporäre Mehrwertsteuer senkung von Juli 2020 bis Ende des Jahres beschlossen. Unter der Annahme, dass die Unternehmen die Mehrwertsteuersenkung über die Güterpreise vollständig an die Verbraucher weitergeben, würde die Mehrwertsteuersenkung von 19% auf 16% für sich genommen zu 2,5% niedrigeren Preisen und beim ermäßigten Steuersatz (von 7% auf 5%) für sich genommen zu 1,9% geringeren Preisen führen. Gaststätten dürfen die Mehrwertsteuer für Speisen ab Juli 2020 sogar von 19% auf 5% senken. 

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Ehrenamtliches Engagement von Flüchtlingen zur Förderung sozialer Integration

Sabrina Jeworrek

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2020

Abstract

Die soziale Integration von Flüchtlingen kann einen substanziellen Beitrag zu deren ökonomischer Integration leisten, häufig sind negative Einstellungen der Bevölkerung gegenüber ethnischen Minderheiten aber ein Schlüsselfaktor für Integrationsprobleme. Die Förderung ehrenamtlichen Engagements von Flüchtlingen könnte eine Lösung darstellen und<br />den Integrationsprozess positiv beeinflussen. Basierend auf den Daten dreier unterschiedlicher Experimente zeigt dieser Beitrag, dass Einheimische in höherem Maße bereit sind, die Integration von Flüchtlingen persönlich oder finanziell zu unterstützen, wenn sich Flüchtlinge an ihrem neuen Wohnort gesellschaftlich engagieren. Natürlich findet sich eine gewisse Heterogenität hinsichtlich der Neigung, eher persönlich oder eher finanziell zu unterstützen. Für die unterschiedlichsten Personengruppen gilt aber, dass ehrenamtliches Flüchtlingsengagement zumindest auf eine dieser beiden Optionen einen positiven Effekt ausübt.

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Protest! Die Rolle kultureller Prägung im Volkswagenskandal

Felix Noth Lena Tonzer

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2020

Abstract

Die Aufdeckung manipulierter Abgaswerte bei Dieselautos des Herstellers Volkswagen (VW) durch die amerikanischen Behörden im Jahr 2015 brachte einen der größten Unternehmensskandale Deutschlands zutage. Dieser Skandal blieb nicht ohne Konsequenzen. Martin Winterkorn trat von seinem Amt als Vorstandsvorsitzender und Michael Horn als Chef von Volkswagen in den USA zurück. Viele VW-Kunden klagten gegen den Konzern, und in deutschen Großstädten wurde über Dieselfahrverbote diskutiert. Doch gab es auch eine Reaktion auf Konsumentenseite, also seitens der Autokäufer? Und wenn ja, spielen hier gesellschaftskulturelle Unterschiede wie zum Beispiel religiöse Prägung eine Rolle? Diesen Fragen geht ein im letzten Jahr erschienenes Arbeitspapier des IWH nach. Die empirische Analyse beschäftigt sich mit der Frage, ob Konsumenten nach dem VW-Skandal ihr Kaufverhalten stärker anpassen, wenn das gesellschaftliche Umfeld protestantisch geprägt ist. In der wissenschaftlichen Literatur zeigt sich, dass Protestanten mehr Wert auf eine Überwachung und Durchsetzung von Regeln legen, weshalb die Autoren von dieser Religionsgruppe eine ausgeprägtere Reaktion auf den VW-Skandal erwarten. Das Hauptergebnis der Studie legt dann genau diesen Schluss nahe: In den deutschen Regionen, in denen die Mehrheit der Bevölkerung dem protestantischen Glauben angehört, kam es zu signifikant höheren Rückgängen bei VW-Neuzulassungen infolge des VW-Skandals. Der Effekt ist umso stärker, je länger die Region durch protestantische Werte geprägt ist. Offenbar können bestimmte gesellschaftskulturelle Ausprägungen wie Religion und deren Normen ein Korrektiv für Verfehlungen von Unternehmen darstellen und somit verzögerte oder ausbleibende Maßnahmen von Politikern und Regulierern zum Teil ersetzen.&nbsp;

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