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"Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe 'Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur' (GRW)" durch einzelbetriebliche Erfolgskontrolle

Die „Gemeinschaftaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ (GRW)“ repräsentiert das wichtigste Instrument der Regionalpolitik in Deutschland. Das Förderprogramm gewährt nicht-rückzahlbare Zuschüsse als Anteilsfinanzierung für Investitionsprojekte von Betriebsstätten (und Kommunen) im GRW-Fördergebiet. Die Festlegung des Fördergebiets erfolgt anhand eines aus verschiedenen Teilindikatoren zusammengesetzten Strukturschwächeindikators und eines von der Europäischen Union festgelegten Anteils der in Fördergebieten lebenden Bevölkerung. Verantwortlich für die Auswahl der geförderten Projekte ist das jeweilige Land, in dem das GRW-Projekt beantragt wird.

20. Juli 2020

Autoren Matthias Brachert Hans-Ulrich Brautzsch Eva Dettmann Alexander Giebler Lutz Schneider Mirko Titze

Institutioneller Rahmen

Die GRW verfolgt das Ziel, dauerhafte und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Damit sollen regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands reduziert und die geförderten Regionen in die Lage versetzt werden, Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung in Deutschland zu halten. Bei der GRW handelt es sich um ein nachfragegetriebenes Programm – Betriebe und Kommunen stellen Anträge für Investitionsbeihilfen bei den Bewilligungsbehörden. Bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen wurden und werden die Anträge in der Regel bewilligt. Das GRW-Fördervolumen war in den letzten Jahren jedoch rückläufig. Die Bewilligungsstatistik weist aktuell einen Wert von etwa 1 Mrd. Euro an Fördermitteln pro Jahr aus.

Forschungsansatz

Eine glaubwürdige Untersuchung der Wirkungen der GRW-Förderung ist nur über kontrafaktische Untersuchungsdesigns möglich. Hierbei geht es darum, die Entwicklung von Zielgrößen (Beschäftigungswachstum, Wachstum der Löhne, Wachstum der Produktivität usw.) zwischen GRW-geförderten Betrieben (oder Regionen) und Betrieben (oder Regionen), die keine GRW-Mittel erhalten haben, zu vergleichen. Die Gruppe der GRW-geförderten Betriebe stellt dabei jedoch keine Zufallsauswahl der deutschen Betriebslandschaft dar. Das Förderprogramm wird verstärkt von sich dynamisch entwickelnden Betrieben, die schon am Markt etabliert und in ganz bestimmten Branchen tätig sind, in Anspruch genommen. Viele dieser Selektionsmerkmale können dabei auch einen Einfluss auf die Entwicklung der Zielgrößen der Förderung ausüben. Der einfache Vergleich von GRW-geförderten mit nicht-geförderten Betrieben (oder Regionen) zeigt daher nicht, ob die Entwicklung der Zielgrößen auf die betrieblichen Merkmale oder die Gewährung der Förderung zurückzuführen ist. Ein Evaluationsdesign muss glaubwürdig für diese Selektion kontrollieren.

Gegenstand dieses Gutachtens ist die Analyse der Wirkungen der GRW auf die im Programm angegebenen Zielgrößen geförderter Betriebe. Unter den Methoden der Wirkungsanalyse ist der Differenz-von-Differenzen-Ansatz in Kombination mit einem vorgeschalteten Matching bei gegebenen GRW-Förderregeln und den zur Verfügung stehenden Daten für den Untersuchungszweck des Gutachtens am besten geeignet. Dieser Ansatz entspricht den grundlegenden wissenschaftlichen Standards der Evaluationsforschung und hat sich in jüngeren Studien, insbesondere für Deutschland und Italien, als praktikabel erwiesen. In diesem Forschungsdesign wird die Veränderung einer Zielgröße der GRW-geförderten Betriebe ab Beginn der Förderung mit der Veränderung der Zielgröße in ausgewählten nicht-geförderten Betrieben verglichen. Der Effekt der GRW ergibt sich dann aus dem Unterschied zwischen beiden Entwicklungen.

Für die Zuordnung geeigneter nicht geförderter Betriebe wird ein zweistufiges Matching-Verfahren verwendet. Dazu werden diejenigen nicht-geförderten Betriebe ausgewählt, die den GRW-geförderten Betrieben hinsichtlich jener beobachtbaren Merkmale soweit wie möglich ähneln, welche aus theoretischer Sicht einen Einfluss auf die Entwicklung der Zielgröße und die Wahrscheinlichkeit einer Förderung haben könnten. In der ersten Stufe des Matchings (exaktes Matching) werden nicht geförderte Betriebe mit einem Standort im Nicht-Fördergebiet vorausgewählt, die zur gleichen Wirtschaftszweigklasse [4-Steller] der GRW-geförderten Betriebe gehören. Ein weiteres Kriterium für die Vorauswahl ist die Beobachtbarkeit der Merkmale für den gleichen Beobachtungszeitraum wie die der GRW-geförderten Betriebe. In der zweiten Stufe des Matchings (Nächster-Nachbar-Matching) erfolgt die Zuordnung des jeweils ähnlichsten nicht geförderten Betriebes zu einem geförderten Betrieb. Unbeobachtbare, über die Zeit unveränderliche Merkmale werden im Rahmen eines Differenz-von-Differenzen-Modells berücksichtigt.

Die Analysen in diesem Gutachten basieren auf Daten der amtlichen Statistik. Die Untersuchungen zu den arbeitsmarktrelevanten Zielgrößen nutzen Prozessdaten, welche im Rahmen der Meldungen zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Bundesagentur für Arbeit erhoben und vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bereitgestellt werden. Die Daten zur Beurteilung der Wirkungen der GRW auf die Wettbewerbsfähigkeit der geförderten Betriebe stammen aus den Monats- bzw. Jahresberichten sowie den Produktions- und Investitionserhebungen von Betrieben mit mindestens 20 Beschäftigten des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden, welche von den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder erhoben und über deren Forschungsdatenzentren bereitgestellt werden (Amtliche Firmendaten für Deutschland, AFiD). Diese Betriebsdaten werden mit der GRW-Förderstatistik des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) verknüpft. Gegeben die GRW-Förderregeln und die zur Verfügung stehenden Daten können die Effekte der GRW für die Förderkohorten der Jahre 2009-2016 untersucht werden.

Ergebnisse

Die Untersuchungen für arbeitsmarktrelevante Zielgrößen weisen einen deutlich positiven Effekt der GRW auf das Wachstum der Beschäftigung in den geförderten Betrieben nach. Je nach Spezifikation bewegt sich der Effekt zwischen 10 und
15 Prozentpunkten. Der positive Beschäftigungseffekt ist dabei über alle Zeiträume der Bindefrist nachweisbar, sinkt jedoch zum Ende der Bindefrist leicht. Für Betriebe des Produzierenden Gewerbes (ohne die Ver- und Entsorgungssektoren) fallen die Beschäftigungseffekte mit
8 bis 13 Prozentpunkten etwas geringer aus.

Für die betrieblichen Löhne zeigt sich vom Beginn der Förderung bis
3 Jahre nach dem Ende der Förderung kein Effekt. Ein moderater Effekt (in Höhe von 2,0 bis 2,5 Prozentpunkten) ist für längere Betrachtungszeiträume (bis 4 bzw. 5 Jahre nach Förderung) nachweisbar. Keinen Effekt hat die GRW auf die betrachteten Beschäftigungsstrukturen in den geförderten Betrieben.

Die Untersuchungen für Zielgrößen der Wettbewerbsfähigkeit weisen keinen Effekt der GRW auf das Wachstum der Arbeitsproduktivität sowie die Exportintensität der geförderten Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe nach. Das Wachstum der Arbeitsproduktivität kann verstanden werden als das Wachstum des Outputs abzüglich des Beschäftigungswachstums. In den Untersuchungen zeigt sich ein positiver Effekt der GRW auf das Wachstum des Umsatzes in den geförderten Betrieben, der größenmäßig mit 7 bis 12 Prozentpunkten leicht niedriger ausfällt als der Effekt auf das Beschäftigungswachstum (8 bis 13 Prozentpunkte).

Für das Jahr 2022 ist ein Ergänzungsbericht zu dieser Studie vorgesehen, der auch die Förderkohorten der Jahre 2017-2020 in den Analysen berücksichtigt. Der Ergänzungsbericht wird einige Aspekte der vorliegenden Studie vertiefend behandeln. Dazu gehört insbesondere die Frage, ob die GRW für die geförderten Betriebe tatsächlich einen Anreizeffekt im Sinne der Ausweitung der Investitionstätigkeit hatte. Des Weiteren widmet sich der Ergänzungsbericht einer vertiefenden Untersuchung heterogener Effekte (bspw. auf sektoral disaggregierter Ebene, nach Betriebsgrößen und -alter sowie weiteren betrieblichen Merkmalen) und der Analyse längerer Zeiträume nach dem Ende des Investitionsprojekts. Schließlich werden die Effekte noch in Beziehung gesetzt zur Höhe der aufgewendeten Fördermittel, was Aussagen zur Wirtschaftlichkeit des Programms auf einzelbetrieblicher Ebene erlaubt.

Auf der regionalen Ebene zeigen die Analysen auf der Basis panelökonometrischer Analyseverfahren für den betrachteten langen Zeitraum von 2000 bis 2017 robuste positive Zusammenhänge zwischen der GRW-Förderung und dem Wachstum der regionalen Beschäftigung sowie des regionalen Einkommens. Die Größenordnung dieses regionalen Effekts der GRW – bezogen auf die Intensität der Förderung – ist als sehr moderat einzustufen. So würde bei einer Erhöhung der bewilligten regionalen GRW-Mittel um 1 000 Euro je Erwerbstätigem das jährliche Erwerbstätigenwachstum um einen Prozentpunkt und das jährliche BIP-Wachstum um etwa
3 Prozentpunkte zunehmen. Ferner lässt sich – allerdings nur für den relativ langen Untersuchungszeitraum – ein positiver Effekt auf das regionale Produktivitätswachstum belegen, der rund 2 Prozentpunkte beträgt, wenn die GRW-Mittel um 1 000 Euro je Erwerbstätigem steigen würden. Das gegenwärtige Förderniveau beträgt etwa 8 Euro pro Beschäftigtem.

Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der GRW

Ein zentrales Problem der GRW-Fördergebiete liegt in der bis heute weiterhin bestehenden Produktivitätslücke gegenüber den strukturstarken Regionen Deutschlands, die im Jahr 2017 bei
15 Prozentpunkten lag. In Anbetracht der sich (vor der aktuellen Corona-Krise) gewandelten Arbeitsmarktsituation kann daher eine Neugewichtung der Ziele der GRW als sinnvoll erachtet werden. Das Ziel der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der geförderten Betriebe (und Regionen), insbesondere im Hinblick auf ihre Produktivität, könnte ein stärkeres Gewicht erhalten, ohne das Beschäftigungsziel dabei aus den Augen zu verlieren.

Die Hinzunahme der Produktivität in den Zielkatalog der GRW lässt sich insbesondere mit zwei Argumenten begründen. Erstens stellt die Produktivität die zentrale Größe für die Wettbewerbsfähigkeit dar. Produktivere Betriebe können sich am Markt behaupten und tragen damit langfristig zum Ziel der Bestandsfestigkeit GRW-geförderter Betriebe bei, was auch den arbeitsmarktrelevanten Zielgrößen zuträglich ist. Zweitens liegt in der Erhöhung der Produktivität (berechnet als Output pro Einheit Arbeitseinsatz) in Zeiten von alternder und in Teilen regional schrumpfender Bevölkerung sowie dem daraus folgenden Fachkräftemangel der einzige Weg, das flächendeckende Wachstum des Outputs zukünftig zu sichern.

Die große Herausforderung für die Wirtschaftspolitik besteht darin, operationalisierbare Indikatoren für ein mögliches Produktivitätsziel in der GRW zu definieren, die gleichzeitig Fehlanreize für die Antragsteller verhindern. Eine erste Säule zur Stärkung der betrieblichen und regionalen Produktivitätsentwicklung kann dabei die Beschäftigung von hochqualifizierten Arbeitskräften in den Betrieben bilden. Die empirische Literatur liefert hinreichende Evidenz dafür, dass ein höheres Qualifikationsniveau der Mitarbeiter zu einer höheren Produktivität in den Betrieben beiträgt. Neben der Qualifikation der Beschäftigten rückt gleichsam auch eine zweite Säule in den Fokus. Diese beinhaltet Leitplanken für arbeitsmarktrelevante Aspekte, die sich aus der Berechnung der Produktivität als Output pro Einheit Arbeitseinsatz ergibt. Die Produktivität ließe sich nämlich auch erhöhen, indem der Arbeitseinsatz reduziert wird (bzw. weniger stark wächst als der Output). Dies verdeutlicht einen möglichen Konflikt mit den arbeitsmarktrelevanten Zielen. Vor diesem Hintergrund kommt den Löhnen eine entscheidende Bedeutung zu. Das Regelwerk der GRW muss sicherstellen, dass die Produktivitätsgewinne an die Beschäftigten weitergereicht werden und nicht ein neuer Verteilungskonflikt provoziert wird. Die Literatur thematisiert in diesem Zusammenhang bspw. die Lohnsetzungsmacht von Unternehmen. Die empirische Literatur findet etwa für Deutschland, dass die Elastizität der Löhne geringer ist als sie es in Märkten mit perfektem Wettbewerb sein müsste. Eine Möglichkeit, diesen Fehlanreiz zu kompensieren, besteht darin, die Vergabe von GRW-Mitteln künftig an die Lohnentwicklung in den geförderten Betrieben zu koppeln.

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