Warum Boni im Bankenbereich scheitern (müssen)
In der Finanzkrise sind Boni für Bankmanager in die Kritik geraten. Bonussysteme stehen im Verdacht, Anreize für eine zu riskante Kreditvergabe zu setzen. Der vorliegende Beitrag untersucht am Beispiel einer großen internationalen Geschäftsbank, wie sich ein Bonussystem, das ein hohes Volumen neu vergebener Kredite belohnt und den Ausfall von Krediten bestraft, auf das Verhalten von Kreditsachbearbeitern auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass Kreditsachbearbeiter die Anbahnung neuer und die Überwachung bestehender Kredite verstärken, wenn sie ihren monatlichen Bonus zu verlieren drohen. Eine genauere Prüfung von Kreditanträgen findet dagegen nicht statt. Kreditsachbearbeiter passen ihr Verhalten besonders gegen Monatsende an, wenn die Bonuszahlung herannaht. Langjährige Mitarbeiter reagieren stärker auf das System als jüngere Kollegen. Komplexe Produktivitätsaspekte wie die Teamfähigkeit können mit Bonussystemen nicht erfasst werden.
17. November 2021
Inhalt
Seite 1
Anreizsysteme im komplexen Arbeitsumfeld einer BankSeite 2
Das Anreizsystem wirkt auf die Priorisierung im MultitaskingSeite 3
Endnoten Auf einer Seite lesenIn der Finanzkrise sind Boni für Bankmanager in die Kritik geraten: Banken in den USA hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hohe Boni gezahlt, die vor allem an das neu vermittelte Hypothekenvolumen gekoppelt waren. Diese Kopplung wurde für die Krise mitverantwortlich gemacht. Denn viele hochriskante Hypotheken auszugeben, ohne die damit verbundenen Risiken ausreichend zu berücksichtigen, zahlte sich für Bankmitarbeiter aus. Ein hoher Anteil dieser Hypotheken fiel später aus. Dies verursachte die globale Finanzkrise, die weltweit dramatische realwirtschaftliche Konsequenzen hatte. In den OECD-Ländern stürzte das Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt um mehr als vier Prozent ab, in Deutschland um rund fünf Prozent.*
Als Reaktion auf die ungewollten Wirkungen wurden die Anreizsysteme nach der Krise reformiert. Vielfach wird nun auch das eingegangene Risiko berücksichtigt, und in der EU begrenzte der Gesetzgeber die Boni für Bankmanager: Sie dürfen im Regelfall 100% des Grundgehalts nicht übersteigen. Neue Forschungen des von der G20 gegründeten Finanzstabilitätsrats (Financial Stability Board) und des IWH zeigen jedoch, dass sich die Risikoneigung der Banken trotz einer Fülle von strengeren Regeln bezüglich ihrer Liquidität, Kapitalausstattung und Aufsicht kaum verändert hat. Selbst verfeinerte Bonussysteme können noch immer zu signifikanten Fehlanreizen führen.1
Anreizsysteme im komplexen Arbeitsumfeld einer Bank
In einer komplexen Arbeitsumgebung wie dem Bankenbereich können Bonussysteme sich nur an einer Handvoll gut messbarer Kenngrößen ausrichten. Schwer messbare Kenngrößen werden von Bankmanagern und Kreditsachbearbeitern ignoriert, was wiederum zu Fehlanreizen führen kann. Die Forschung zeigt, dass die Komplexität des Bankengeschäfts bereits für Kreditsachbearbeiter so hoch ist, dass daraus Fehlanreize entstehen.
Für Vorstände ist das Problem noch dramatischer. Die Kombination von Investmentbanking und Kreditgeschäft in einer Institution kann aufgrund der komplexen Messbarkeit zu einer Vernachlässigung des Kreditgeschäftes führen. Der Erfolg von Investmentbanking ist kurzfristig viel leichter und präziser messbar. Die Kosten, die der Bank durch Kreditausfälle entstehen, belasten hingegen oft erst Jahre nach der Kreditvergabe die Gewinne.2
Das Beispiel eines Bonussystems für Kreditsachbearbeiter
Anreizbasierte Vergütungssysteme für Kreditsach- bearbeiter zeigen mitunter deutliche Schwächen, wie die Analyse eines gescheiterten Bonussystems einer internationalen Geschäftsbank zeigt, die dafür Daten zur Verfügung gestellt hat.3
Die Kunden der untersuchten Bank waren vor allem Einzelunternehmen und mittelständische Unternehmen. Die Datenbasis umfasst etwa 38000 Kreditanträge und 28000 vergebene Kredite im Zeitraum von Januar 1996 bis Oktober 2004. Im Untersuchungszeitraum besaß die Bank 15 Filialen und beschäftigte 271 Kreditsachbearbeiter.
Alle Kreditsachbearbeiter erhielten zusätzlich zu ihrem Festgehalt einen monatlichen Bonus auf Basis des neu vermittelten Kreditvolumens. Der Bonus betrug maximal 150% des Festgehalts, stellte also einen substantiellen Anreiz dar. Allerdings wurde der Bonus nur ausgezahlt, wenn die wertgewichteten notleidenden Kredite des Vormonats eine Risikoschwelle von drei Prozent nicht überschritten.
Die Bank teilte darüber hinaus die Kredite in sechs Größen- und Branchenkategorien ein und berechnete monatliche Boni nach Kategorie. Diese Datenstruktur ermöglicht den Vergleich des Verhaltens einer Kreditsachbearbeiterin in einer Kreditkategorie, in der sie über dem Schwellenwert liegt, mit dem Verhalten derselben Kreditsachbearbeiterin in einer anderen Kreditkategorie, in der sie unter dem Schwellenwert liegt.
Auf diese Weise kann beobachtet werden, wie sich das Verhalten einer Person verändert, wenn das Anreizsystems auf sie angewendet wird. Vermieden wird so der Vergleich zwischen verschiedenen Kreditsachbearbeitern, der durch verschiedene mitarbeiterspezifische Einflussfaktoren wie Motivation, Erfahrung oder finanzielle Bedürfnisse verzerrt wäre. Außerdem wird der Vergleich immer für den gleichen Bezugsmonat durchgeführt, um die Wirkung zeitlicher Effekte auszuschließen.