Inhalt
Seite 1
ZielstellungSeite 2
Daten und MethodikSeite 3
ErgebnisseSeite 4
Zusammenfassung und Endnoten Auf einer Seite lesen2 Daten und Methodik
2.1 Daten
Wir kombinieren das AFiD-Modul Produkte mit dem AFiD-Modul Energieverwendung. Beides sind Panel-Datensätze für das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland, welche die Population von Betrieben mit mindestens 20 Mitarbeitenden beinhalten. Die Daten werden von den statistischen Ämtern Deutschlands erhoben und bereitgestellt. Die Teilnahme an der Erhebung ist verpflichtend.
Wir verwenden die Daten für die Jahre 2015-2017. Alle Ergebnisse dieses Berichtes bilden Mittelwerte der Jahre 2015-2017 ab. Schwankungen im Gasverbrauch über die Zeit sind moderat, sodass der verwendete Zeitraum eine gute Referenzkategorie für die Zeit direkt vor Kriegsausbruch in der Ukraine darstellt.
2.1.1 AFiD-Modul Produkte
Das AFiD-Modul Produkte1 beinhaltet Informationen zu den Produktionswerten (von Betrieben angegebene Umsatzwerte am Fabriktor) sämtlicher Produkte aller Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes mit mindestens 20 Mitarbeitenden. Darüber hinaus beinhalten die Daten für ca. 70% aller Produkte Informationen zu den physischen Produktionsmengen (falls diese nicht erhoben sind, liegt das daran, dass das statistische Amt diese für spezielle Kategorien nicht erfragt). Hierbei sind die Maßeinheiten der Produktionsmengen (bspw. Kilogramm, Anzahl,) vom statistischen Amt vorgegeben, sodass alle Produktionsmengen einer Produktklasse in der gleichen Maßeinheit erhoben sind. Die Produkte sind gemäß der 10-Steller GP-Klassifikation angegeben. Die GP-Klassifikation ist dabei mit der PRODCOM-Klassifikation weitestgehend gleichzusetzen. Die ersten vier Stellen eines Produkts geben den WZ- (bzw. NACE-) Industriezweig an. Die ersten neun Stellen definieren das Produkt. Die zehnte Stelle gibt zusätzlich an, ob das Produkt als Lohnarbeit gefertigt wurde. Wir werden die Daten auf 6-Steller-Ebene auswerten, da auf dieser Ebene die Außenhandelsdaten herangespielt werden können. Auf der 6-Steller- Ebene beobachten wir ca. 1 600 Produktkategorien.
2.1.2 AFiD-Modul Energieverwendung
Das AFiD-Modul Energieverwendung2 beinhaltet Informationen zur Energieverwendung nach einzelnen Energieträgern für sämtliche Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes mit mindestens 20 Mitarbeitenden. Die Energieverwendung ist in Form von kWh erhoben und separat nach Energieträgern ausgewiesen. Neben Strom, Heizöl, Kohle und anderen Energieträgern ist auch der Verbrauch von Erdgas angegeben. Dieser Datensatz lässt sich mit dem AFiD-Modul Produkte auf Betriebsebene mittels betriebsspezifischer Identifikatoren verbinden.
2.1.3 Comtrade-Handelsdaten
Zur Ermittlung der produktspezifischen Exporte aus und Importe nach Deutschland verwenden wir die Comtrade-Datenbank der Vereinten Nationen. Die Comtrade-Daten geben die gesamten Exporte und Importe einzelner Produkte (auch von Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitenden) auf Bundesebene an und liegen in der HS-Klassifikation vor, welche wir mittels mehrerer Konkordanzen in die GP-Klassifikation der deutschen Daten umschlüsseln. Anschließend verbinden wir die Handelsdaten mit den AFiD-Modul7 Produkten auf Produktebene. Die Konkordanzen erlauben keine perfekte Umschlüsselung der Handelsdaten in die GP-Klassifikation. Dies hat zur Folge, dass i) für einzelne Produkte keine Handelsströme ermittelt werden können und ii) die Handelsströme in einigen Fällen Aggregationen aus mehreren GP-Produkten darstellen. Im letzteren Fall verteilen wir die aggregierten Handelsströme gleichmäßig auf alle zugrunde liegenden GP-Produkte. Es kommt zudem bei einzelnen Produkten vor, dass die Exportwerte die Summe aus dem Umsatz aus heimischer Produktion und den Importen übersteigen. Neben den oben genannten Einschränkungen bei der Datenqualität kann das daran liegen, dass die physischen Mengen an heimischer Produktion, Exporten und Importen jeweils monetär anders bewertet werden, dass sich Erhebungszeitpunkte zwischen Statistiken unterscheiden oder dass ein erheblicher Teil der heimischen Produktion auf Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitenden entfällt.
Nachdem wir die Handelsdaten mit den Produktdaten verbunden haben, können wir für 40 der 300 Produkte keine Handelsströme ermitteln. Für diese Produkte können wir nicht mit Sicherheit bestimmen, ob tatsächlich kein Handel stattgefunden hat, oder ob wir den stattgefundenen Handel nicht beobachten können. Diese fehlenden Werte entstehen dadurch, dass die Umschlüsselung der HS-Klassifikation in die deutsche GP-Klassifikation komplex und imperfekt ist. So lassen sich beispielsweise zwölf Stahlprodukte der GP-Klassifikation nicht hinreichend klar in der HS-Klassifikation der Handelsdaten identifizieren, was zur Folge hat, dass wir für zwölf Stahlprodukte keine Handelsströme ermitteln können. Das Fehlen der Handelsinformationen ist über die 300 Produkte betrachtet nicht sonderlich stark in gasintensiven oder umsatzstarken Produkten konzentriert. So können wir für ca. 13% der Produkte keine Handelsströme ermitteln, was ungefähr 13% des Gasverbrauchs und 15% des Umsatzes unserer Produkte umfasst.
2.2 Methodik
2.2.1 Berechnung des Gasverbrauchs
Unser Ziel ist die Ermittlung des Gasverbrauchs bei der Produktion einzelner Produkte in Deutschland. Die Herausforderung ist, dass wir den Gasverbrauch nur auf Betriebsebene beobachten, Betriebe aber mehrere Produkte gleichzeitig herstellen. Wir müssen also den Gasverbrauch auf Produktebene approximieren und können diesen somit in manchen Fällen nicht exakt ermitteln. Wir beobachten den Produktionswert sämtlicher Produkte der einzelnen Betriebe. Anhand dieser berechnen wir Umsatzanteile und verteilen den Gesamtgasverbrauch der Betriebe gemäß dieser Umsatzanteile auf die Produkte. Wenn also ein Betrieb zwei Produkte, A und B, herstellt, und A einen Umsatzanteil von 90% besitzt, dann schreiben wir dem Produkt A 90% des betrieblichen Gasverbrauchs zu.
Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass es für sämtliche Betriebe und sämtliche Produkte angewendet werden kann. Der Hauptnachteil des Verfahrens ist, dass höchstwahrscheinlich keine 1:1 technologische Beziehung zwischen Gasverbrauch und Produktionswert von Produkten existiert: Besonders gasintensive Produkte sind nicht im gleichen Maße teurer, wie sie mehr Gas verbrauchen. Daher unterschätzt die Aufteilung anhand von Umsatzwerten den Gasverbrauch der gasintensivsten Produkte tendenziell (und überschätzt den der weniger gasintensiven Produkte).
2.2.2 Grenzen der Interpretierbarkeit
Ein grundsätzliches Problem bei der Bestimmung gasintensiver Produkte auf Basis der vorliegenden Daten ist, dass Gasverbräuche nur für die jeweilige Produktionsstufe vorliegen, nicht aber für die gesamte Wertschöpfungskette. Daher ist es grundsätzlich möglich, dass ein aus vielen Wertschöpfungsstufen bestehendes Endprodukt nicht als gasintensiv gilt, auch wenn in jeder der Wertschöpfungsstufen so viel Gas verbraucht wird, dass zwar keine der einzelnen Wertschöpfungsstufen als gasintensiv gewertet wird, aber das Produkt in der Summe der Wertschöpfungsstufen gasintensiv ist. Um dies abzubilden, wäre eine vollständige Input-Output-Tabelle mit physischen Produktionsmengen und Gasverbräuchen auf fein untergliederter Produktebene erforderlich. Eine solche Tabelle existiert nach unserem Kenntnisstand nicht und kann in absehbarer Zeit auch nicht erstellt werden. Wir halten unsere Vorgehensweise daher für die derzeit praktikabelste Vorgehensweise zur Bestimmung des Gasverbrauchs auf Produktebene.
Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die Analyse nur auf Daten von Betrieben mit mindestens 20 Beschäftigten stützen kann. Falls sehr gasintensive Produkte in starkem Maße in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitenden hergestellt werden, fehlen diese Produkte in unserer Auswertung. Wir halten das Problem für zweitrangig, da die Unternehmen in unserem Datensatz fast 90% des Gesamtgasverbrauchs der Industrie in Deutschland abbilden.
Ebenfalls können wir nicht beobachten, ob bestimmte Produktionsprozesse gleichzeitig mehrere Produkte, so genannte Kuppelprodukte, hervorbringen. Im Falle solcher Kuppelprodukte ist die Aufteilung des Gasverbrauchs auf diese Produkte zwar unter Umständen rechnerisch richtig, allerdings kann in solchen Fällen nicht geschlussfolgert werden, dass ein Produktionsstopp für eines der Kuppelprodukte zu einer entsprechenden Gaseinsparung und der Weiterproduktion des anderen Kuppelprodukts führen wird. Zudem lässt sich bei Kuppelproduktion nicht mehr direkt ableiten, wie stark bei Gaspreissteigerungen die Rentabilität der Herstellung einzelner Produkte sinkt: Wird ein gasintensives Produkt, das in eine Kuppelproduktion eingeht, durch Gaspreisanstiege sehr viel teurer, so kann sich die gesamte Kuppelproduktion dennoch weiter rechnen.
2.2.3 Gasintensität und Importsubstituierbarkeit
Um die Folgen der hohen Gaspreise abzuschätzen, werden nachfolgend zwei Indikatoren eingeführt. Diese sollen annähern, wie stark sich einzelne Produkte bei Gaspreiserhöhungen verteuern und inwieweit dies an die Käufer der Produkte weitergegeben werden kann.
Die Gasintensität der Produktion misst den Gasverbrauch pro Euro Umsatz (in kWh/EUR). Sie ist ein Maß dafür, wie stark sich Gaspreiserhöhungen auf die Rentabilität der Produktion auswirken. Je höher die Gasintensität, umso stärker verteuern Gaspreissteigerungen die Produktion eines Euro Umsatzes (ceteris paribus). Für ein stark vereinfachendes Beispiel eines Produkts sei der Indikator kurz illustriert. Wenn für ein solches Produkt 10 kWh Gas pro Euro Umsatz verbraucht werden, kann bei konstanten Outputpreisen, konstanten Produktionstechnologien und keinerlei weiteren Kosten profitabel gearbeitet werden, solange der Gaspreis pro kWh nicht über 10 Cent liegt. Die Annahme konstanter Outputpreise bedeutet, dass Gaspreise nicht auf die Kunden überwälzt werden können. Dies ist zum Beispiel bei hohem Wettbewerb so, denn hier können Kunden leicht zu anderen Anbietern wechseln. Der Wettbewerb ist in der Regel dann stark, wenn Produkte homogen sind, sie also kaum diversifiziert werden können. Für viele Produkte mit hohem Gasverbrauch trifft das voraussichtlich zu; etwa für die chemische Grundstoffindustrie. Die Annahme konstanter Produktionstechnologien impliziert, dass Betriebe bei steigenden Gaspreisen nicht auf alternative, weniger gasintensive Produktionsprozesse umstellen können (bspw. durch Energieträgersubstitution). Letzteres ist insbesondere in der kurzen Frist, in welcher die aktuelle enorme Gaspreissteigerung stattgefunden hat, eine vertretbare Annahme zur Approximation der Rentabilitätseffekte.
Die Betroffenheit einzelner Produzenten durch steigende Gaspreise wird maßgeblich von der Fähigkeit der Produzenten beeinflusst, die steigenden Gaspreise an die Konsumenten weiterzugeben. Eine hohe Importsubstituierbarkeit der Produkte begrenzt jedoch die Möglichkeit zur Weitergabe höherer Gaspreise an die Kunden, da hierdurch Konsumenten leichter auf alternative Anbieter des Produkts ausweichen können. Ein Maß für die (inverse) Importsubstituierbarkeit eines Produkts ist dessen inländische Verwendung im Verhältnis zum Welthandelsvolumen.3 Je geringer dieses Verhältnis, desto eher kann der inländische Markt durch Importe bedient werden, ohne dass dadurch die Preise der Importe deutlich anziehen. Die inländische Produktion von Produkten mit hoher Gasintensität und hoher Importsubstituierbarkeit (Quadrant I in Abbildung 1) wird bei Gaspreiserhöhungen als erstes gedrosselt. Stark steigende Gaspreise dürften bei hoher Preiselastizität der inländischen Nachfrage selbst dann zu Produktionsdrosselungen gasintensiver Produkte führen, wenn Importsubstitutionsmöglichkeiten gering sind (Quadrant II).4
Das Welthandelsvolumen wird von uns als Summe der weltweiten Exporte (abzüglich der Re-Exporte) mit den ComTrade-Daten der Vereinten Nationen bezogen auf die Jahre 2015-2017 berechnet. Aus diesen Exporten werden die deutschen Exporte herausgerechnet. Da der Gasmarkt in der Europäischen Union (EU) insgesamt sehr angespannt ist, besteht die Gefahr, dass andere EU-Volkswirtschaften ebenfalls nicht mehr wie gewohnt exportieren und somit das auf dem Weltmarkt gehandelte Volumen zu hoch geschätzt wird. Daher berechnen wir in einem zweiten Szenario das Welthandelsvolumen abzüglich der Exporte aus der EU. Die inländische Verwendung wird mit unseren Daten als Summe aus der heimischen Produktion und der Importe abzüglich der Exporte angenähert.5
Neben Unschärfen bei der Berechnung des Welthandelsvolumens und beim Zusammenspielen der Daten mit den Produktdaten der amtlichen Statistik gibt es bei der Verwendung dieser Maße auch konzeptionelle Probleme. So dürfte sich das Welthandelsvolumen zum Beispiel dann vergrößern, wenn die europäische Nachfrage und somit die Produktpreise steigen. Es muss auch angenommen werden, dass sich hinter mit Preisen bewerteten Exporten und Importen ähnliche physische Produktmengen verbergen. Trotz dieser Einschränkungen erlaubt der Indikator zumindest eine grobe Einordnung der Produkte nach ihrer Importsubstituierbarkeit.