Konjunkturprognosen
Das IWH erstellt regelmäßig für das laufende und das kommende Jahr Konjunkturprognosen für die Weltwirtschaft, für den Euroraum und für die deutsche Wirtschaft. Für die ostdeutsche Wirtschaft erfolgt einmal jährlich eine gesonderte Vorausschau auf der Basis sektoraler Entwicklungen der Produktion und ausgewählter Nachfragekomponenten.
In diesem Zusammenhang werden im Wege von Umfragen auch regelmäßig Konjunkturdaten bei Unternehmen erhoben.
Ostdeutsche Wirtschaft: Nachfrageschub überwiegt strukturelle Schwächen
in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 7, 2007
Abstract
Das kräftige Wachstum der Produktion in Ostdeutschland im vergangenen Jahr hat überrascht. Die strukturellen Schwächen hatten für eine geringe Produktionszunahme gesprochen. Unterschätzt wurde der Einfluß des nationalen und internationalen Konjunkturverbunds der ostdeutschen Unternehmen. Ein Großteil der Anregungen für den Produktionsanstieg von 3% kam nicht aus Ostdeutschland selbst, sondern aus den Alten Bundesländern und aus dem Ausland. In Ostdeutschland stimulierte 2006 vor allem das Einschwenken der Investitionsaktivitäten in ein kräftiges Plus. Dagegen blieb die Kaufkraft der privaten Haushalte infolge des geringen Anstiegs der Masseneinkommen zurück. Ausschlaggebend für die regionale Mitnahme der Produktionsimpulse aus dem Export und den Investitionsaktivitäten der deutschen Wirtschaft war die gewachsene Absorptionsfähigkeit konjunktureller Impulse durch die ostdeutschen Unternehmen. Hier schlugen vor allem die Ausstattung der Arbeitsplätze mit modernen Produktionsanlagen und der fortgesetzte Abbau der Nachteile im Kostenwettbewerb im Bereich der Herstellung handelbarer Güter positiv zu Buche. Der Vorteil bei den Arbeitskosten gegenüber westdeutschen Anbietern ist weiter gestiegen, und der Nachteil gegenüber industriellen Anbietern aus dem mittelosteuropäischen Raum hat sich verringert. Mit diesen Vorzügen ausgestattet, wächst die gesamtwirtschaftliche Aktivität in Ostdeutschland stärker als in Westdeutschland, solange der Aufschwung in Deutschland und im Ausland kräftig ist. Treibende Kräfte bleiben in diesem und im kommenden Jahr die Investitionsaktivitäten – und hier die Anschaffung von Ausrüstungsgütern – sowie die Ausfuhren sowohl in das Ausland als auch in die Alten Bundesländer. Weiter an Bedeutung für den Export gewinnen die kräftig expandierenden Märkte in Mittelosteuropa und Rußland. Der private Konsum wird die Expansion der Produktion mit der Verbesserung der Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven stützen. Die registrierte Arbeitslosigkeit dürfte im kommenden Jahr unter die 1-Million-Marke sinken. Tragende Kraft des Aufschwungs bleibt die Industrie. Ihre Vorteile im Kostenwettbewerb laufen so lange nicht Gefahr zu verschwinden, wie die Löhne und Gehälter auch unter dem Druck der Verknappung des Angebots an Fachkräften nicht stärker steigen als in den Alten Bundesländern. Im Gefolge des kräftigen Wachstums der gesamtwirtschaftlichen Aktivität in Ostdeutschland wird sich der Rückstand gegenüber Westdeutschland bei Produktion und Einkommen je Einwohner weiter verringern. Das Defizit in der regionalen Leistungsbilanz schmilzt. Die Unternehmen können sich bei ihren Geschäftsaktivitäten wieder auf die private Kreditwirtschaft stützen, auch wenn ein nicht geringer Anteil beispielsweise der Investitionsfinanzierung nach wie vor aus Fördermitteln stammt. Mittelfristig dürfte sich ihr Zugang zur Kreditfinanzierung durch die Verbesserung der Eigenkapitalbasis noch optimieren. Allerdings bleibt die Abhängigkeit von der Innenfinanzierung hoch und birgt zyklische Gefahren. Im konjunkturellen Abschwung dürften dann die strukturellen Schwächen der ostdeutschen Wirtschaft die Entwicklung beeinträchtigen.
Konjunktur aktuell: Nach Wachstumsdelle Anfang 2007 deutsche Wirtschaft weiter im Aufschwung
in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2007
Abstract
Ende Februar sind die internationalen Finanzmärkte in Turbulenzen geraten. Eine gemischte Nachrichtenlage hat zu einer Korrektur der seit dem vergangenen Sommer außerordentlich günstigen Marktentwicklung geführt. Der Aktienboom schien bis dato durch die weltweit weiterhin günstige Gewinnentwicklung gedeckt. Dem entsprach auch die kräftige Expansion der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Japan und im Euroraum gegen Jahresende. Jedoch scheint sich der moderate Abschwung der US-Wirtschaft in diesem Jahr fortzusetzen. Auch deshalb ist damit zu rechnen, daß die Kursgewinne in diesem Jahr wesentlich bescheidener und die Risikoaufschläge für riskantere Anlagen höher ausfallen werden als im vergangenen Jahr. Von der Geldpolitik gehen in diesem Jahr keine einheitlichen Einflüsse aus. In den USA werden die Zinsen aufgrund der schleppenden Konjunktur ab dem Sommer wohl etwas gesenkt. Im Euroraum wird der geldpolitische Kurs dagegen im Sommer wohl noch einmal leicht verschärft. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich die konjunkturelle Dynamik in den Industrieländern wieder etwas angleichen: Der Aufschwung im Euroraum und in Japan verlangsamt sich, die US-Wirtschaft gewinnt gegen Jahresende wieder etwas an Fahrt. Ein wesentlicher Risikofaktor für die Prognose bleibt die Entwicklung auf den internationalen Finanzmärkten: Der jüngste weltwirtschaftliche Aufschwung hat sich auch dadurch ausgezeichnet, daß selbst risikoreiche Investitionen zu relativ günstigen Konditionen finanziert werden konnten. Eine wesentliche Ursache dafür dürften Finanzinnovationen sein, die den Kapitalgebern eine Diversifizierung ihrer Risiken ermöglichten. Wie leistungsfähig diese Instrumente auch in Zeiten wieder erhöhter Finanzmarktvolatilität sind, muß sich aber noch erweisen. In Deutschland hat unter den immer noch konjunkturfreundlichen Bedingungen im weltwirtschaftlichen und monetären Umfeld der Zugriff der Steuerpolitik zu Beginn des Jahres lediglich zu einer Delle im Zuwachs und nicht – wie ursprünglich prognostiziert – zu einem vorübergehenden Rückgang der Produktion geführt. Die privaten Haushalte haben zwar mit einer Einschränkung ihrer Käufe reagiert, Exporteure und Investoren haben aber ihre Aktivitäten ausgedehnt. Expandierende Weltmärkte und weiterhin günstige Finanzierungsbedingungen an den Kapitalmärkten, die gestiegene Ausstattung der Unternehmen mit Eigenmitteln sowie die bis zum Jahresende geltenden Abschreibungserleichterungen bei der Anschaffung beweglicher Anlagegüter werden die Produktionsaktivitäten auch im weiteren Verlauf des Jahres anregen. Zudem werden sich die Einkommenserwartungen der privaten Haushalte infolge der Besserung der Lage am Arbeitsmarkt aufhellen. Das IWH geht von einer dauerhaften Anhebung der Tariflöhne in der laufenden Lohnrunde von unter 3½ Prozent aus. Der Beschäftigungsaufbau dürfte nicht in Gefahr geraten. Das bislang schwache Glied in der wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung, der private Konsum, schließt damit weiter auf, und der Aufschwung selbst gewinnt an Breite und Stärke. Im kommenden Jahr gehen zwar die Impulse von der Geldpolitik nach dem Erreichen des konjunkturneutralen Zinses zurück, und die Nachfrage auf den Weltmärkten beschleunigt sich nicht weiter. In Deutschland fallen jedoch belastende Faktoren weg, so daß sich die endogenen Triebkräfte stärker entfalten können. Das Bruttoinlandsprodukt nimmt in diesem Jahr um 2% und im nächsten um 2,5% zu. Die registrierte Arbeitslosigkeit sinkt im nächsten Jahr auf 3,5 Millionen Personen. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 8,2%. In Ostdeutschland wird die gesamtwirtschaftliche Produktion in beiden Jahren schneller zunehmen als im Westen. Ausschlaggebend ist das anhaltend doppelt so starke Wachstum der Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe. Hinzu kommt die deutlich nachlassende Bremswirkung vom Baugewerbe, für das die Trendwende nach zehn Jahren schrumpfender Produktionsleistung in Sicht ist. Die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich deutlich verbessert:
Deutsche Wirtschaft 2007: Aufschwung mit Januskopf – das andere Gesicht
in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 1, 2007
Abstract
Die Stärke des Aufschwungs der deutschen Wirtschaft hat die anfänglichen Erwartungen deutlich übertroffen. Das gilt für den Export, in besonderem Maße allerdings für die Investitionen der Unternehmen. Die von der Wirtschaftspolitik ausgelösten Sonderentwicklungen haben vor allem der Industrie sowie nach sechs Jahren Rückgang erstmalig der Bauwirtschaft kräftige Nachfrageimpulse gegeben. Auch die Konsumenten wurden zu zusätzlichen Anschaffungen angeregt. Allerdings fand die politikinduzierte Konsumnachfrage der privaten Haushalte, Achillesferse der Konjunktur seit Jahren, wenig Rückhalt in den laufenden Erwerbseinkommen. So wurde weniger als zuvor gespart. An der Schnittstelle zwischen Beschäftigung und Einkommen liegt bisher der Schwachpunkt des Aufschwungs. Der sichtliche Beschäftigungszuwachs nach der bereits 2005 vollzogenen Wende am Arbeitsmarkt äußert sich bislang wenig in einer höheren Lohn- und Gehaltssumme. Das liegt zum Teil daran, daß für die Aufstockung der Beschäftigung, auch der sozialversicherungspflichtigen, nicht ausschließlich konjunkturelle Gründe und die Lohnzurückhaltung verantwortlich sind, sondern zu einem nicht geringen Teil Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik. Der export- und investitionsgetragene Aufschwung der deutschen Wirtschaft wird sich im Jahr 2007 fortsetzen, wenngleich das Wachstumstempo – zumindest vorübergehend – deutlich nachlassen wird. Die Konsumzurückhaltung, die in den ersten Monaten des Jahres aus dem Kaufkraftentzug durch die restriktive Finanzpolitik folgen wird, dürfte den Anstieg von Produktion und Beschäftigung bremsen. Hinzu kommt die Nachfragelücke, die von den in das Jahr 2006 vorgezogenen Käufen aufgerissen wird. So ist mit einem Rückgang der Konsumausgaben der privaten Haushalte zu rechnen. Er dürfte kurzfristig auch auf die Inlandsnachfrage insgesamt durchschlagen, da ein Ausgleich durch die weiterhin kräftige Investitionskonjunktur schon aufgrund des geringen Gewichts der Unternehmensinvestitionen in der Inlandsnachfrage unwahrscheinlich ist. So hängt der weitere Verlauf der Konjunktur nicht unerheblich von der Weltwirtschaft ab. Das hohe Expansionstempo der Weltwirtschaft aus dem Jahr 2006 kann im Jahr 2007 nicht ganzgehalten werden. Besonders der Abschwung in den USA wirkt dämpfend. Konjunkturrisiken und die Erwartung von Leitzinssenkungen haben zudem jüngst den Dollar abwerten lassen. Die damit einhergehende Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von US-Produkten hilft zwar, das weitere Anwachsen des enormen Leistungsbilanzdefizits des Landes zu begrenzen. Damit erhöht sich das auf mittlere Sicht größte Risiko für die Weltwirtschaft nicht weiter. Kurzfristig fehlen jedoch die von der USWirtschaft ausgehenden Nachfrageimpulse. Im Euroraum und in Japan wird sich der Aufschwung fortsetzen, wenn auch deutlich verlangsamt. So schwenkt die bislang sehr kräftige weltwirtschaftliche Expansion auf einen Pfad ein, der bei weltweit recht gut ausgeschöpften Produktionskapazitäten nahe am langfristigen Trend liegt. Die deutsche Wirtschaft wird daher weniger Impulse aus dem Ausland erhalten, und der Exportanstieg dürfte sich verlangsamen. Weil zugleich die Importe noch langsamer zunehmen werden, wird die Außenwirtschaft die gesamtwirtschaftliche Aktivität kräftig befördern. Alles in allem wird das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2007 um 1,4% steigen. Dabei trägt der Schwung der Konjunktur aus dem Vorjahr bis in das neue Jahr hinein. Reichlich ein Prozentpunkt des Zuwachses wird aus dem bis zuletzt kräftigen Anstieg im Jahr 2006 „mitgenommen“.
Konjunktur aktuell: Deutsche Binnenkonjunktur nur 2006 in Schwung
in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 9, 2006
Abstract
Mit der aktuellen Veröffentlichung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bescheinigt nun auch die amtliche Statistik der deutschen Wirtschaft einen seit Sommer 2005 anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung. Er hat nach der neuen Datenlage bereits im vergangenen Jahr zu einer Wende am Arbeitsmarkt geführt. Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigen seitdem, zum Teil aus konjunkturellen Gründen und aufgrund von Lohnzurückhaltung, zum Teil als Folge der jüngsten Arbeitsmarktpolitik.
Ostdeutsche Wirtschaft: Wachstum der Produktion bleibt erneut im Ost-West-Vergleich zurück
in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 7, 2006
Abstract
Das vergangene Jahr war kein gutes Jahr für die ostdeutsche Wirtschaft. Während im früheren Bundesgebiet der konjunkturelle Aufschwung einsetzte, stagnierte die gesamtwirtschaftliche Produktionsaktivität im Osten, ging die Beschäftigung zurück, und der Aufholprozeß kam trotz sinkender Einwohnerzahl nicht voran. Maßgeblich waren altbekannte Strukturschwächen, die im Jahr 2005 besonders stark zum Durchbruch kamen: der Wegfall der flutbedingten Sonderentwicklung in der Bauwirtschaft, die bis zum Vorjahr für zusätzliche Aufträge gesorgt hatte, und der Abbau der Beschäftigung im Staatssektor. Auch in diesem Jahr fordern die Strukturschwächen ihren Tribut, ihr Einfluß auf die Gesamtwirtschaft läßt jedoch nach. So verschaffen sich die Fortschritte bei Produktivität und Kosten im Unternehmenssektor mehr gesamtwirtschaftliche Geltung. Die noch im Jahr 2000 vorhandenen Nachteile, gemessen an den Lohnstückkosten, wurden in der Folgezeit durch moderate Lohnanstiege und Beschäftigungsrückgang abgebaut. Allerdings werden die geringen Lohnstückkosten durch das Ausscheren vieler Unternehmen aus der Tarifbindung und einen hohen Anteil des Niedriglohnsektors mitbestimmt. Trotzdem sind von der Kostenseite Voraussetzungen für das Ankoppeln an den konjunkturellen Aufschwung gegeben. Auch das Produktionspotential hat sich erhöht und läßt auf Wachstumsreserven schließen. Freilich sind die Finanzierungsmöglichkeiten überdurchschnittlich stark von der aktuellen Einkommenssituation und Fördermitteln abhängig. Die vorteilhaften Rahmenbedingungen auf der Angebotsseite werden jedoch im Prognosezeitraum nicht ausgeschöpft. Zwar werden die Warenlieferungen in das Ausland aufgrund der günstigen Länderstruktur überdurchschnittlich steigen und Unternehmensinvestitionen anregen, die Binnennachfrage in Ostdeutschland insgesamt wird jedoch angesichts der schwachen Einkommensperspektiven der privaten Haushalte gedrückt bleiben. Auch von den vorgezogenen Käufen an hochwertigen Gebrauchsgütern im Vorfeld der Anhebung der Mehrwertsteuer dürfte die ostdeutsche Wirtschaft in diesem Jahr aus strukturellen Gründen wenig profitieren. Eine Wende am Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht. Die Beschäftigung sinkt weiterhin, obwohl die Arbeitsmarktpolitik stärker als im Westen stützend wirkt. Das Produktionswachstum resultiert vollständig aus der Steigerung der Arbeitsproduktivität. Der Produktivitätsabstand zum Westen stagniert. Die registrierte Arbeitslosigkeit steigt trotz des anhaltenden Beschäftigungsabbaus nicht, da das – an der Zahl der Erwerbsfähigen gemessene – Arbeitsangebot weiter abnimmt.