Auswirkungen des GRW-Programms auf lokale Kreditmärkte in Deutschland

Am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wurde eine Studie über die Rolle lokaler Banken bei der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) durchgeführt und die Ergebnisse in einem Discussion Paper „Firm Subsidies, Financial Intermediation, and Bank Risk“ veröffentlicht. Das GRW-Programm ist das zentrale nationale Instrument der regionalen Strukturpolitik in Deutschland und konzentriert sich auf die Förderung strukturschwacher Regionen. Die am IWH durchgeführte Studie fand unter anderem Einzug in den Transition Report 2024 der EBRD und wurde hierdurch vom internationalen Fachpublikum breit beachtet. Wir sprachen aus diesem Anlass mit einem der Ko-Autoren der Studie, Professor Michael Koetter, Ph.D., Leiter der Abteilung Finanzmärkte am IWH und Vize-Präsident des Instituts.

Herr Koetter, die Haupterkenntnisse der Studie zum GRW-Programm sind, dass lokale Kreditmärkte gestärkt werden, kein Verdrängungseffekt auf nicht subventionierte Firmen besteht und regionale Unterschiede in der Wirkung existieren. Bedeutet das, dass die staatlichen Subventionen im Falle von Ostdeutschland offenbar zu einem positiven Effekt geführt haben und als Positivbeispiel einer Subvention gewertet werden müssen?

Michael Koetter: Der Effekt der GRW-Subventionen auf die lokalen Kreditmärkte ist in der Tat positiv. Banken, welche in den letzten 20 Jahren mit GRW subventionierten Unternehmen zusammengearbeitet haben, verleihen mehr und dies scheint nicht zu Lasten nicht-subventionierter Unternehmen zu gehen. Dabei ist interessant zu sehen, dass dieser Kreditmultiplikator vor allem in den neuen Bundesländern statistisch nachweisbar ist. Dies ist jedoch weniger ein Positivbeispiel einer Subventionspolitik, sondern eher ein Hinweis darauf, dass Finanzintermediäre in ihrer Funktion als Experten in der Selektion und Bewertung von Investitionsprojekten ein wichtiger Baustein erfolgreicher Subventionspolitik zu sein scheinen. 

War es aus Ihrer Sicht insgesamt sinnvoll, die Subventionen durchzuführen? Oder hätte es alternative Ansätze gegeben, die möglicherweise effizienter oder nachhaltiger gewesen wären?

Michael Koetter: Es ist wichtig zu realisieren, dass unsere Untersuchungen nichts über die Effekte von GRW-Subventionen auf die Leistungsfähigkeit von Unternehmen aussagen können oder allgemeine Wohlfahrtseffekte quantifizieren. Das Hauptaugenmerk lag vielmehr auf der Frage, ob die institutionelle Einbindung von Banken in den Vergabeprozess von GRW-Subventionen möglicherweise die Kreditvergabe an nichtsubventionierte Unternehmen verdrängt. Das ist nicht der Fall. Vielmehr zeigen unsere Ergebnisse, dass die Subventionierung ausgewählter Projekte unter frühzeitiger Einbeziehung von Banken die lokale Kreditvergabe insgesamt befördert. Ob dieses Ziel auch und besser durch alternative Fördermaßnahmen hätte erreicht werden können, bleibt eine offene Frage. Aber unsere Befunde legen nahe, dass eine Subventionierungspolitik, welche frühzeitig Banken oder auch andere Finanzmarktakteure in der Bewertung von geförderten Investitionsprojekten einbezieht, Nutzen stiftet.   

Gab es Anzeichen dafür, dass Unternehmen in Westdeutschland oder nicht subventionierte Unternehmen in Ostdeutschland durch die Subventionen im Osten benachteiligt wurden? Zum Beispiel durch eine Verschiebung von Ressourcen oder Investitionen?

Michael Koetter: Wir können mit recht hoher Sicherheit sagen, dass zumindest in Ostdeutschland die zusätzliche Kreditvergabe an Unternehmen aufgrund einer GRW-Subventionierung nicht zu Lasten der nicht-subventionierten Unternehmen ging. Ob es zudem zu einer innerdeutschen Reallokation von Krediten auf Bankenseite kam, wäre eine spannende Untersuchung für die Zukunft.

Herr Koetter, gibt es Erkenntnisse dazu, ob die Subventionen Banken dazu verführt haben, mehr Risiken zu akzeptieren?

Es ist ja denkbar, dass einige Kredite an subventionierte Unternehmen vergeben wurden, welche ohne staatliche Hilfe nicht gewährt worden wären. Eine höhere Kreditvergabe aufgrund von GRW-Subventionen könnte somit zu einer höheren Risikoneigung bei einigen Banken führen. Unsere Befunde zeigen, dass derartige unerwünschte Nebenwirkungen dieser Politikmaßnahme nicht zutreffen. Weder steigt der Anteil notleidender Kredite noch die Ausfallwahrscheinlichkeit jener Banken, die relativ viele GRW subventionierte Unternehmen in ihrem Kundenportfolio halten. 

Gab es ähnliche Förderprogramme wie das GRW auch in anderen Staaten, und welche Erfahrungen wurden dort mit diesem Instrument gemacht?

Michael Koetter: Ja, der EBRD Transition Report beleuchtet eine Vielzahl ähnlicher, sogenannter Place Based Programs in ausgewählten Ländern. Am IWH untersucht das Team um Mirko Tietze im Zentrum für evidenzbasierte Politikberatung (IWH-CEP) die realwirtschaftlichen Effekte von solchen Subventionsprogrammen, welche international gemischt ausfallen. Eine Erkenntnis aus meiner Perspektive als Finanzökonom ist jedoch, dass es grundsätzlich Nutzen zu stiften scheint, wenn unabhängige Experten der Finanzbranche frühzeitig in die Bewertung möglicher Förderprojekte eingebunden werden, um inhärente Informationsasymmetrien abzubauen. Zudem werden durch die institutionalisierte Einbindung von Finanzmarktakteuren mögliche politische Zielsetzungen durch eine möglichst neutrale und renditeorientierte Einschätzung ergänzt.

In Deutschland gab es 2024 erstmals weniger als 20.000 Bankfilialen, rund 945 Filialen weniger als noch vor einem Jahr. Man spricht von einem Bankensterben. Wie passt das zusammen mit der Aussage der gestärkten lokalen Kreditwerte?

Michael Koetter: Deutschland bleibt ungeachtet dieses Rückgangs nach wie vor ein Land mit mehr Bankstellen je Einwohner als nahezu jeder andere europäische Partner. Zudem werden insbesondere typische Finanzdienstleistungen für Verbraucher, wie z.B. die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, aber auch zunehmend Spar- und Investitionsprodukte, vor allem digital vertrieben. Ich denke also, dass die lokale Expertise von Banken vor Ort wenig mit Filialen aus Steinen und Glas zu tun hat. Vielmehr bedarf es moderner Vertriebsstrukturen, um auch weiterhin lokal verwurzelte Hausbankbeziehung effizienter unterhalten zu können.

Die Fragen stellte Wolfgang Sender. 


Zur PersonProfessor Michael Koetter, Ph.D.

Professor Michael Koetter, Ph.D.

Professor Michael Koetter ist Leiter der Abteilung Finanzmärkte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Vize-Präsident des Instituts.


Ihr Kontakt


Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft LogoTotal-Equality-LogoGefördert durch das BMWK