Die mittelfristige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland für die Jahre 2017 bis 2022 und finanzpolitische Optionen einer neuen Bundesregierung

Aufgrund der hohen konjunkturellen Dynamik dürfte der deutsche Staat bei unveränderter Gesetzeslage in den kommenden Jahren hohe Haushaltsüberschüsse erzielen. Einer künftigen Bundesregierung bieten sich damit große finanzpolitische Handlungsspielräume. Mit dem finanz-politischen Simulationsmodell des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) werden die gesamt-wirtschaftlichen Wirkungen alternativer finanzpolitischer Maßnahmen analysiert. Im Ergebnis zeigt sich, dass ausgabeseitige Maßnahmen, etwa die Ausweitung von Sozialleistungen, einen stärkeren Effekt auf die Produktion als einnahmeseitige, wie etwa Steuersenkungen, hätten. „Aufgrund der ohnehin hohen Auslastung der Produktions-kapazitäten scheinen einnahmeseitige Maßnahmen somit konjunkturell vorteilhaft. Außerdem hätte eine Reduktion der hohen Abgabenlast der Arbeitseinkommen im Gegensatz zu einer Ausweitung von Sozialleistungen positive Effekte auf das Produktionspotenzial“, so Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH.

Autoren Oliver Holtemöller

Deutschland befindet sich in einem kräftigen Aufschwung.* Der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte dürfte sich vor diesem Hintergrund im Jahr 2017 auf knapp 45 Mrd. Euro belaufen. Bei unveränderter Gesetzeslage und einer ab dem Jahr 2019 konjunktur-neutral ausgerichteten Finanzpolitik würde der Haushalts­überschuss in den kommenden Jahren in etwa auf diesem Niveau verharren (vgl. Tabelle 1). Der strukturelle, also um konjunkturelle und Einmaleffekte bereinigte Finanzierungs­saldo würde sich, ausgehend von ungefähr 30 Mrd. Euro im Jahr 2018, bis zum Jahr 2022 sogar weiter erhöhen.

* Vgl. IWH-Pressemitteilung 39/2017 „Aufschwung in Deutschland und in der Welt“ vom 14. Dezember 2017.

Der sich daraus ergebende finanzpolitische Spielraum einer zukünftigen Bundes­regierung könnte für einnahme- oder ausgabe-seitige expansive finanzpolitische Maßnahmen genutzt werden. Mit Hilfe des finanzpolitischen Simulationsmodells des IWH werden ein einnahmeseitiges, ein ausgabeseitiges und ein Szenario beste­hend aus einer Kombination ein- und ausgabeseitiger Maßnahmen simuliert (vgl. Tabelle 2).

Da der politische Prozess vom Beschluss über die Verabschiedung bis hin zur Um­setzung bei vielen finanzpolitischen Maßnahmen erfah-rungsgemäß eine gewisse Zeit erfordert, fallen die finanzpolitischen Impulse in sämtlichen Szenarien im Jahr 2019 noch recht gering aus. Im Jahr 2022 beläuft sich der finanzpolitische Impuls in allen drei Szenarien jedoch auf 33 bis 34 Mrd. Euro. Im Ergebnis zeigt sich, dass ausgabeseitige Maßnahmen die Produktion stärker anregen würden als einnahme­seitige (vgl. Tabelle 3).

In der aktuellen konjunkturellen Lage erscheint eine Nutzung der finanzpoliti­schen Spielräume für einnahmeseitige Maßnahmen vorteilhaft, weil ausgabeseitige Maßnahmen stärker prozyklisch wirken würden. Für einnahmeseitige Maßnah­men spricht zudem, dass die gesamtstaatliche Einnahmequote in den vergangenen Jahren zugenommen hat und eine Reduzierung der Abgabenlast auch deshalb angemessen erscheint. Eine Verringerung der Belastung des Faktors Arbeit mit Steuern und Sozialabgaben könnte das Produktions-potenzial erhöhen, die öffent­lichen Finanzen somit langfristig stabilisieren und damit dazu beitragen, den finanzpolitischen Handlungsspielraum des Staates auch in Zukunft zu sichern.

Langfassung:
Bershadskyy, Dmitri; Brautzsch, Hans-Ulrich; Drygalla, Andrej; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Lindner, Axel; Wieschemeyer, Matthias; Zeddies, Götz: Die mittel­fristige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland für die Jahre 2017 bis 2022 und finanzpolitische Optionen einer neuen Bundesregierung. IWH-Pressemit­teilung 40/2017 (Langfassung).

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