Konjunktur aktuell: Abschwung in Deutschland geht weiter
Die internationale Konjunktur hat sich zur Jahresmitte 2019 weiter abgekühlt. Im ersten Halbjahr stagnierte die Industrieproduktion in etwa, und der Güterhandel ist schon seit Herbst 2018 rückläufig, im Wesentlichen aufgrund der von den USA ausgehenden Handelskonflikte. Weil aber die Dienstleistungen fast überall noch recht deutlich expandierten, hat sich die Dynamik der gesamtwirtschaftlichen Produktion global nur moderat verlangsamt. Vor diesem Hintergrund haben sich die konjunkturellen Erwartungen an den Finanzmärkten deutlich eingetrübt. Eine Reihe von Zentralbanken hat ihre Leitzinsen gesenkt oder plant solche Schritte für die nahe Zukunft. Die Finanzmärkte rechnen aber auch auf Dauer mit sehr niedrigen Zinsen sowohl in nominaler als auch in realer Rechnung. In den kommenden Quartalen dürfte die Produktion in den USA etwas langsamer als das Produktionspotenzial expandieren, die Wachstumsdynamik in China verlangsamt sich weiter, und der Abschwung im Euroraum setzt sich fort. In der vorliegenden Prognose wird unterstellt, dass es Ende Oktober zu einem Brexit ohne Vertrag kommt, pragmatische Regelungen einen Zusammenbruch der wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Großbritannien und der EU aber verhindern und auch das europäische Finanzsystem stabil bleibt.
In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2019 um 0,1% gesunken. Die Rezession im Verarbeitenden Gewerbe hat sich fortgesetzt. „Die wesentliche Ursache dafür ist eine schwächere Nachfrage nach deutschen Exportgütern, während die Binnennachfrage bislang nur moderat an Dynamik verloren hat“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Allerdings deuten gesunkene Auftragseingänge darauf hin, dass Ausrüstungsinvestitionen vor einer Schwächephase stehen. „Dass es trotzdem zu keiner schweren Rezession kommen dürfte, dafür sprechen die weiter sehr günstigen Finanzierungsbedingungen und die immer noch gute Arbeitsmarktlage, welche die Arbeitnehmereinkommen deutlich steigen lässt“, so Holtemöller weiter. Zudem gibt die Finanzpolitik der Wirtschaft in diesem Jahr einen expansiven Impuls im Umfang von 0,7% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt; im kommenden Jahr ist der finanzpolitische Impuls geringer. Alles in allem liegt die Produktion nach vorliegender Prognose im Jahr 2019 um 0,5% höher als im Vorjahr, im Jahr 2020 steigt die Rate auch wegen der höheren Zahl an Arbeitstagen auf 1,1%. Die Wirtschaft in Ostdeutschland expandiert in diesem Jahr mit 1,0% und im Jahr 2020 mit 1,3% etwas stärker als in Westdeutschland.
Die wesentliche Ursache dafür ist eine schwächere Nachfrage nach deutschen Exportgütern, während die Binnennachfrage bislang nur moderat an Dynamik verloren hat
Die konjunkturellen Risiken sind erheblich. Denkbar ist etwa, dass hohe Zölle auf deutsche Autoexporte in die USA erhoben werden. Zudem könnte die Rezession im Verarbeitenden Gewerbe zu einer größeren Zahl von Insolvenzen mit einer hohen Zahl von Entlassungen führen, was die Binnennachfrage erheblich belasten würde. Auch sind die konjunkturellen Folgen eines vertraglich nicht geregelten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union schwierig zu quantifizieren.
Die Langfassung der Prognose enthält drei Kästen:
Kasten 1: Annahmen und Prognosen bezüglich der Rahmenbedingungen
Kasten 2: Zur jüngsten Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen
Kasten 3: Zur Schätzung des Produktionspotenzials
Langfassung:
Brautzsch, Hans-Ulrich; Claudio, João Carlos; Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Lindner, Axel; Müller, Isabella; Schultz, Birgit; Staffa, Ruben; Wieschemeyer, Matthias; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Abschwung in Deutschland geht weiter. Konjunktur aktuell, Jg. 7 (3), 2019. Halle (Saale) 2019.
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