Polen am Scheideweg

Polen hat bislang einen recht erfolgreichen wirtschaftlichen Aufholprozess durchlaufen, der nun ins Stocken gerät. Der so genannte „Morawiecki-Plan“, den Oliver Holtemöller und Martina Kämpfe vom Leibniz-Institut für Wirtschafts-forschung Halle (IWH) nun genauer unter die Lupe nahmen, soll dem Aufholprozess wieder mehr Schwung verleihen. Ihr Fazit: Um nicht in der „Middle-Income-Trap“ zu landen, muss Polen innovative und junge Unternehmen stärker fördern und den Bildungssektor weiter ausbauen.

Autoren Oliver Holtemöller ; Martina Kämpfe

Polens Exporte haben sich seit den 1990er Jahren verzehnfacht, und seit dem Jahr 2000 ist die Produktivität des Landes um 58% gestiegen. Gleichzeitig zogen mo­derate Löhne reichlich ausländische Investitionen an. Doch die Aufholgeschwindig­keit Polens nimmt ab. Der internationale Vergleich zeigt, dass Länder im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs häufig zwischen zwei Entwicklungsphasen stagnieren. Sie wachsen mit Hilfe einer investitionsorientierten Wirtschaftspolitik zunächst schnell, verharren dann aber auf mittlerem Niveau, weil ihre Produktivität auf­grund zu geringer Innovationskraft gegenüber der wirtschaftlichen Spitzengruppe zurückbleibt. Polen, das seit Mitte der 1990er Jahre als Vorreiter des wirtschaft­lichen Wachstums unter den mittel- und osteuropäischen Ländern gilt, befindet sich langsam an dem Punkt, an dem die Wirtschaftspolitik von einer investitions­orientierten auf eine innovationsorientierte Strategie umgestellt werden sollte. Mit dem „Plan für eine verantwortungsvolle Entwicklung“ („Morawiecki“-Plan) will Polens Regierung das Land bis zum Jahr 2030 nun entscheidend voranbringen. Oliver Holtemöller und Martina Kämpfe haben diese Maßnahmen nun genauer be­leuchtet.

Mit dem Morawiecki-Plan möchte Polens Regierung der Situation vor allem mit inves­titions- und innovationsorientierten Maßnahmen begegnen: Einerseits sollen Hoch- und Mitteltechnologiebranchen gefördert und gleichzeitig Eigenkapital für Investitio­nen verfügbar gemacht werden. Andererseits will die Führung Polens Gründungen erleichtern und jungen Unternehmen stärker finanziell unter die Arme greifen. Aber auch den demographischen Wandel verliert sie nicht aus den Augen: Hier plant sie, ihre Bevölkerung bei der Kinderbetreuung deutlicher zu unterstützen und besser gesundheitlich zu versorgen.

Holtemöller und Kämpfe sehen vor allem die Gründungen und Unterstützung jun­ger Unternehmen als bedeutend für Polens Zukunft an: „Die Finanzierung junger Unternehmen ist besonders erfolgs-versprechend,“ so die Ökonomen. „Denn kleine und mittlere Unternehmen haben oft nicht die finanziellen Möglichkeiten, riskan­tere Geschäftsideen umzusetzen. Bislang waren die Rahmen-bedingungen für Unternehmensgründungen in Polen vergleichsweise schlecht.“ Investitions­förderpolitik sehen die Ökonomen hingegen kritisch: „Investitionsförderung kann in dieser Stufe des Aufhol-prozesses eher kontraproduktiv sein und das Risiko ei­ner ‚Middle-Income-Trap‘ sogar noch erhöhen“, geben Holtemöller und Kämpfe zu bedenken. „Vor allem der Versuch, ‚Zukunfts-Branchen‘ durch den Staat zu identi­fizieren, ist nicht besonders aussichtsreich; das Wachstum in fortgeschrittenen Volkswirtschaften findet vor allem im Dienstleistungsbereich statt.“ Innovationen und Wissen seien daher der Schlüssel, um sich weiter an das Wohlstandsniveau der fortge-schrittenen Volkswirtschaften Westeuropas anzunähern. „Alles was das innovative Unternehmertum und den Bildungssektor nachhaltig stärkt, verspricht am meisten Erfolg für den Schritt in die nächste Phase.“

Im Vergleich zu den asiatischen „Tigerstaaten“ zeigt Polen seit 1997 einen stetigen Aufholprozess, der sich aber in den vergangenen Jahren verlangsamt hat und der hinter der Entwicklungsgeschwindigkeit Koreas oder Taiwans zurückbleibt. Einige Bestandteile des „Morawiecki-Plans“ sind durchaus geeignet, um den Aufholprozess weiter voranzubringen; die Innovationsorientierung kommt aber noch zu kurz.

Veröffentlichung:
Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina: Polen vor der Middle-Income-Trap? Entwick­lungsplan bis 2030 soll den Aufholprozess beschleunigen, in: IWH, Wirtschaft im Wan­del, Jg. 23 (4), 2017, 79-82.

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