Deutsche Wirtschaft kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel
Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen. Eine bis zuletzt zähe konjunkturelle Schwächephase geht mit schwindenden Wachstumskräften einher. In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagern sich somit konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik wird aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen. Zeitlich verzögert und in abgeschwächter Form hat das konjunkturelle Grundmuster, das die Institute im vergangenen Herbstgutachten gezeichnet hatten, im Prognosezeitraum weiterhin Bestand. Im laufenden Jahr avanciert der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur. Nachdem der ab Mitte 2021 einsetzende Teuerungsschub die Massenkaufkraft zwei Jahre lang drastisch geschmälert hatte, steigen die real verfügbaren Einkommen nun wieder deutlich. Zum einen bildet sich der kräftige Preisauftrieb weiter zurück, zum anderen werden nun mehr und mehr höhere Lohnabschlüsse wirksam, die zunächst nur verzögert an die hohe Geldentwertung angepasst werden konnten. Zudem schlägt auch bei den monetären Sozialleistungen in beiden Prognosejahren wieder ein deutliches reales Plus zu Buche. Damit fließt insgesamt mehr Kaufkraft an private Haushalte. Während somit in diesem Jahr die konsumbezogenen Auftriebskräfte dominieren, trägt im kommenden Jahr vermehrt das Auslandsgeschäft die Konjunktur. Alles in allem revidieren die Institute ihre Prognose für die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr gegenüber ihrem Herbstgutachten deutlich um 1,2 Prozentpunkte nach unten auf nunmehr 0,1 %. Die Prognose für die Rate im kommenden Jahr bleibt mit 1,4 % nahezu unverändert (Rücknahme um 0,1 Prozentpunkte), geht aber mit einem um über 30 Mrd. Euro geringeren Volumen der Wirtschaftsleistung einher. Die Werte für die jahresdurchschnittliche Veränderung überzeichnen die Unterschiede in der konjunkturellen Dynamik beider Jahre, die ausweislich der jeweiligen Verlaufsraten mit 1,0 % und 1,5 % weniger ausgeprägt sind. Gleichwohl verlagert sich die Erholung nunmehr stärker in das kommende Jahr.
27. März 2024
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WeltwirtschaftSeite 2
Weltwirtschaft (Forts.)Seite 3
Wirtschaft in DeutschlandSeite 4
Wirtschaft in Deutschland (Forts.) Auf einer Seite lesenIm Jahr 2023 expandierte die Weltwirtschaft zwar nur in moderatem Tempo, sie zeigte sich angesichts vielfältiger Belastungen aber insgesamt recht robust. Nachdem sich die internationale Konjunktur im Verlauf des zweiten Halbjahres 2023 abgeschwächt hatte, scheint sie zu Beginn des Jahres 2024 wieder etwas an Schwung zu gewinnen. Die Stimmungsindikatoren haben sich verbessert, und an den Finanzmärkten sind die Aktienkurse stark gestiegen. Anregend wirkt, dass die Energiepreise wieder niedriger sind und die inflationsbedingt gesunkene Kaufkraft in den meisten Ländern inzwischen wieder steigt.
Das internationale Konjunkturbild ist sektoral und regional stark differenziert. So expandierten die Dienstleistungen im vergangenen Jahr deutlich stärker als die Industrie. Der Welthandel mit Waren ging sogar spürbar zurück. Unter den großen Ländern expandierte die US-Wirtschaft überraschend stark, während die Produktion in der Europäischen Union (EU) und in Großbritannien nur geringfügig zunahm. In Japan rutschte die Wirtschaft im zweiten Halbjahr in eine Rezession. Differenziert war die Konjunktur auch innerhalb der Gruppe der Schwellenländer: In China wurde die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie durch die dortige Immobilienkrise beeinträchtigt. Rohstoffexportierende Volkswirtschaften, etwa in Südamerika, litten unter Preisrückgängen bei Getreide und Industriemetallen. Dagegen blieb das Expansionstempo der indischen Wirtschaft hoch, und in Russland konnten die nach dem Angriff auf die Ukraine eingetretenen Einbußen im Handel mit Europa zunehmend durch mehr Austausch mit China und anderen Ländern Asiens ersetzt werden.
Der Rückgang der Inflation erfolgte vielerorts rascher als erwartet. Zwar sind die Erdölpreise im vergangenen Jahr nicht mehr zurückgegangen, seit dem Jahreswechsel sind sie sogar leicht aufwärtsgerichtet. Die Börsennotierungen für Erdgas liegen aber deutlich unter den Vorjahreswerten, insbesondere in Europa. Was zudem die Preise für Güter des Verarbeitenden Gewerbes weltweit dämpft, sind deflationäre Tendenzen in China. Entscheidend für die Frage, ob sich die Inflationsraten in den USA und in Europa im Verlauf dieses Jahres weiter zurückbilden und sich damit die Voraussetzungen für eine Lockerung der Geldpolitik einstellen werden, dürfte aber sein, ob sich die Löhne stabilitätsgerecht entwickeln. Während die Effektivlöhne zuletzt in beiden Wirtschaftsräumen mit Jahresraten in der Größenordnung von 4 bzw. 4½ % ähnlich stark stiegen, erhöhten sich die für die Kostenbelastung der Unternehmen ausschlaggebenden Lohnstückkosten in sehr unterschiedlichem Maße. Weil die Arbeitsproduk- tivität in den USA deutlich zulegt, stiegen sie dort moderat und sind mit dem Inflationsziel von 2% vereinbar. Im Euroraum war die Arbeitsproduktivität hingegen zuletzt – auch wegen der schwachen Konjunktur – rückläufig und der Lohnstückkostenanstieg mit 5¾ % sehr stark. Allerdings ist damit zu rechnen, dass er sich im Prognosezeitraum auch im Euroraum verringert.
Alles in allem zeichnet sich für die USA und für den Euroraum ab dem Frühsommer eine Zinswende ab. Gleichwohl dürften die Leitzinsen trotz schrittweiser Senkung noch das ganze Jahr über so hoch sein wie kaum je seit der Finanzkrise. Unter völlig anderen Vorzeichen steht die Geldpolitik in China. Dort sucht die Politik zu verhindern, dass aus der Immobilienkrise eine allgemeine Finanzkrise wird. Auch die Finanzpolitik stützt dort die schwache Konjunktur und speziell den Immobiliensektor. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist die Ausrichtung der Finanzpolitik dagegen leicht restriktiv, auch weil die im Jahr 2022 ergriffenen Maßnahmen gegen den Energiekostenschub nun weitgehend entfallen sind. Angesichts der höheren Zinsen halten sich viele Regierungen bei zusätzlichen Ausgaben zurück, in Europa auch um fiskalpolitische Defizit- und Schuldenregeln einzuhalten. In den USA werden die Staatsausgaben durch den Parteienstreit im Kongress stark begrenzt. Allerdings können bereits verabschiedete und mittelfristig ausgerichtete Investitionspakete der Konjunktur in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften weiterhin Impulse geben.