Effekte der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns: Eine Fallstudie für das Handwerk in Sachsen-Anhalt
Knapp 8% der Beschäftigten in den Handwerksbetrieben Sachsen-Anhalts verdienten vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zu Beginn des Jahres 2015 brutto weniger als 8,50 Euro je Stunde. Allerdings differiert die Betroffenheit stark. In den besonders betroffenen Gewerken war zu befürchten, dass die durch den Mindestlohn induzierte Kostensteigerung zu einem spürbaren Beschäftigungsabbau führt. In diesem Kontext werden drei Fragen untersucht: (1) Wie hoch war die Mindestlohnbetroffenheit im Handwerk in Sachsen-Anhalt? (2) Welche – über die Lohnkostenerhöhung hinausgehenden – Effekte hatte die Mindestlohneinführung in den Handwerksbetrieben? (3) Welche Ausweichreaktionen haben die Handwerksbetriebe unternommen, um die höhere Kostenbelastung zu bewältigen? Die Untersuchungen basieren auf den von den Handwerkskammern Halle und Magdeburg durchgeführten Konjunkturumfragen, die in Kooperation mit dem IWH um zusätzliche Fragen zur Mindestlohneinführung erweitert wurden. Die Ergebnisse der Schätzungen zeigen keine signifikanten Beschäftigungseffekte infolge der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Vielmehr haben die Handwerksbetriebe vor allem mit Preiserhöhungen reagiert.
13. Dezember 2018
Inhalt
Seite 1
Effekte der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns: Eine Fallstudie für das Handwerk in Sachsen-AnhaltSeite 2
Die Befragung der Handwerksbetriebe in Sachsen-Anhalt: Ausgewählte ErgebnisseSeite 3
FazitSeite 4
Endnoten Auf einer Seite lesenMit dem Mindestlohngesetz ist in Deutschland zum 1. Januar 2015 erstmals ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro je Stunde eingeführt worden.1 Die zu erwartenden Wirkungen wurden im Vorfeld kontrovers diskutiert. Besonders starke Arbeitsplatzverluste wurden im Bereich der Minijobs, vor allem in Ostdeutschland, befürchtet.2 Dies liegt zum einen daran, dass der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit Stundenlöhnen unter 8,50 Euro in Ostdeutschland mit 21% deutlich höher war als in Westdeutschland (9%).3 Zum anderen war die durch die Mindestlohneinführung induzierte Steigerung des durchschnittlichen Stundenlohns in den Neuen Bundesländern erheblich stärker als in den Alten Bundesländern, da der Anteil der Bezieher sehr geringer Stundenlöhne im Osten höher war.4 Beide Faktoren führten dazu, dass der durch die Mindestlohneinführung ausgelöste Kostenschub in Ostdeutschland besonders kräftig ausfiel.
Im Folgenden werden die Auswirkungen der Mindestlohneinführung im Handwerk in Sachsen-Anhalt untersucht.5 Das Handwerk ist aus mehreren Gründen für die Analyse der Wirkungen der gesetzlich festgelegten Lohnuntergrenze von besonderem Interesse: Erstens dominieren im Handwerk Kleinbetriebe. In Kleinbetrieben ist der durchschnittliche Stundenlohn deutlich niedriger als im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt.6 Dadurch ist die durch die Mindestlohneinführung induzierte Entgelterhöhung je Beschäftigten bei kleineren Handwerksbetrieben besonders hoch.
Zweitens produzieren Handwerksbetriebe vorwiegend für regionale Märkte. Dadurch können sie ihre realen Umsätze nur begrenzt erhöhen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Handwerksbetriebe versuchen werden, als Reaktion auf die Mindestlohneinführung ihre Preise anzuheben. Bei einem Teil der Unternehmen dürften die Überwälzungsmöglichkeiten gegeben sein, weil die Kunden kaum Alternativen haben. Dies dürfte beispielsweise auf einige Leistungen des Bauhandwerks zutreffen. Bei anderen Handwerksleistungen dürfte mit steigenden Preisen die nachgefragte Menge sinken. Zu den handwerkstypischen Gütern, bei denen die Nachfrage infolge von Preissteigerungen vermutlich sinken könnte, gehören beispielsweise Lebensmittel. Gerade hier war zu befürchten, dass die durch den Mindestlohn induzierte Kostensteigerung zu einem spürbaren Beschäftigungsabbau führt.
Und drittens ist schließlich das Gewicht des Handwerks in Sachsen-Anhalt höher als in Deutschland insgesamt. So betrug der Anteil der Handwerksunternehmen am gesamten Unternehmensbestand im Jahr 2014 in Sachsen-Anhalt 23,1%, in Deutschland waren es lediglich 16,1%.7 Der Anteil der Handwerksunternehmen an den Beschäftigten insgesamt war im Jahr 2014 mit 14,2% höher als in Deutschland insgesamt (12,6%).8
Zu den Mindestlohneffekten in bisherigen Studien in Deutschland
Die Effekte der Mindestlohneinführung sind bisher in einer Vielzahl von Studien untersucht worden.9 Beschränkt man sich auf Untersuchungen, die auf Unternehmensbefragungen beruhen, zeigen sich u. a. folgende Ergebnisse:10
- Die Mindestlohnbetroffenheit der Betriebe bzw. Unternehmen war in Ostdeutschland in etwa doppelt so hoch wie in Westdeutschland.
- Mit der Mindestlohneinführung ist kein dramatischer Beschäftigungsabbau verbunden,11 wobei allerdings die Effekte in Ostdeutschland deutlich höher sind als in Westdeutschland. Vielmehr hat die Mindestlohneinführung die Unternehmen veranlasst, bei Neueinstellungen zurückhaltender zu sein. Zudem sind teilweise die Arbeitszeiten der vom Mindestlohn betroffenen Arbeitnehmer reduziert worden.
Datengrundlage
Im Rahmen der regelmäßigen Konjunkturbefragungen haben die Handwerkskammern Halle und Magdeburg im Jahr 2015 die Handwerksbetriebe zur Einführung eines Mindestlohns befragt. Zudem wurden die Angaben zur Beschäftigung aus der Befragung im Jahr 2014 genutzt. Insgesamt haben 1206 Handwerksbetriebe an der Mindestlohnbefragung teilgenommen. Die Fragen bezogen sich zum einen auf die Mindestlohnbetroffenheit. Ein Teil der insgesamt 1206 Handwerksbetriebe gab an, überhaupt nicht von der Mindestlohneinführung betroffen zu sein. Von den betroffenen Betrieben musste ein Teil die Löhne von Beschäftigten auf das Mindestlohnniveau erhöhen (direkte Betroffenheit). Der andere Teil war nur indirekt betroffen, weil beispielsweise Lieferanten infolge der Mindestlohneinführung ihre Preise erhöht haben. Zum anderen wurden Fragen zu den Ausweichreaktionen gestellt. Dabei spielte die Frage nach den Beschäftigungswirkungen der Mindestlohneinführung eine zentrale Rolle.
- Die Studien zeigen bezüglich der sonstigen Anpassungsreaktionen auf die Mindestlohneinführung ähnliche Muster. Übereinstimmend wurden als wichtigste Anpassungsmaßnahmen Preiserhöhungen, die Reduzierung von Sonderzahlungen sowie eine Verringerung der Investitionen genannt.