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Deutsche Wirtschaft (Forts.) Auf einer Seite lesenDie deutsche Wirtschaft entfaltete im vergangenen Jahr keine große Dynamik. Am Ende des Jahres war mit dem Produktionsrückgang die Wirtschaftsleistung sogar wieder niedriger als vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Anhaltende Lieferschwierigkeiten bei Vorprodukten, starke Turbulenzen mit extremen Preisspitzen an den Energiemärkten sowie ein Mangel an Arbeitskräften, unter anderem auch als Folge außergewöhnlich hoher Krankenstände, reduzierten die Produktionsmöglichkeiten und verhinderten einen kräftigeren Anstieg des Bruttoinlandprodukts.
An Nachfrage mangelte es zunächst nicht. So waren im Verarbeitenden Gewerbe und der Bauwirtschaft die Auftragsbücher prall gefüllt, und in den kontaktintensiven Konsumbereichen bestand ein enormes Aufholpotenzial nach den pandemiebedingten Einschränkungen. Hier haben auch die erheblich expansiven Impulse der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre nachgewirkt, die auch die Ersparnisse der privaten Haushalte während der Corona-Jahre anschwellen ließen. Im Verlauf des Jahres 2022 haben die deutlich gesunkenen Reallöhne die Konsummöglichkeiten vieler Haushalte trotz staatlicher Entlastungsmaßnahmen eingeschränkt, und die Zinswende führte zu einem Einbruch im Wohnungsbau. Trotzdem waren die verfügbaren Produktionskapazitäten aus Sicht der Unternehmen bis zuletzt deutlich überausgelastet.
Damit konnte der Preisauftrieb an Breite gewinnen. Während sich zunächst vor allem importierte Vorleistungen und Energie spürbar verteuerten, beschleunigte sich die heimische Teuerung zunehmend. Die bis zuletzt kräftigen Anstiege der Wertschöpfungsdeflatoren – vor allem in konsumnahen Bereichen und der Bauwirtschaft – deuten darauf hin, dass der Nachfrageüberhang den Unternehmen Preisanhebungen und damit eine spürbare Ausweitung der Gewinnmargen ermöglichte. Dadurch veränderten sich auch die Triebkräfte des Verbraucherpreisanstiegs, der seit einigen Monaten auf historischen Höchstständen verharrt. Während die Energiepreise die Inflation nunmehr weniger treiben, verstärkten sich bis zuletzt die Beiträge nahezu aller übrigen Waren und Dienstleistungen.
Die angebotsseitigen Behinderungen haben in den vergangenen Monaten nachgelassen. Die Großhandelspreise für Erdgas und Strom sind deutlich gesunken, wozu nicht zuletzt der ausgesprochen milde Winter beigetragen hat. Damit dürfte der konjunkturelle Rückschlag im Winterhalbjahr 2022/2023 glimpflicher ausgefallen sein als im Herbst befürchtet. Insbesondere deutet eine Vielzahl von Indikatoren darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung bereits zu Jahresbeginn wieder zugelegt hat. Das Verarbeitende Gewerbe dürfte in den kommenden Quartalen die Konjunktur stützen, da es unmittelbar vom Abflauen der Lieferengpässe und der günstigeren Energie profitiert. Die Bauwirtschaft wird die Konjunktur hingegen bremsen, auch wenn dort zu Jahresbeginn wohl witterungsbedingt ein Produktionszuwachs verzeichnet wurde. Besonders im Wohnungsbau wird die Nachfrage schwach bleiben, auch weil die Europäische Zentralbank ihren geldpolitischen Kurs weiter straffen wird und damit die Finanzierungskosten weiter steigen werden.
Der Höhepunkt der Inflationswelle dürfte mittlerweile erreicht sein, wobei die gemessene Inflation von den staatlichen Preisbremsen für Strom und Gas zunächst gedämpft wird. Ein merklicher Rückgang beim Verbraucherpreisanstieg wird jedoch noch etwas auf sich warten lassen, da der Nachfragesog vorerst noch andauern dürfte. Dazu trägt neben den staatlichen Entlastungsmaßnahmen insbesondere der voraussichtlich kräftige Anstieg der Tarifverdienste bei. Im Verlauf des Jahres dürften die Reallöhne wieder anziehen und der private Konsum im kommenden Jahr wieder positiv zur gesamtwirtschaftlichen Expansion beitragen.
Alles in allem wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,3% und im kommenden Jahr um 1,5% zulegen. Damit heben die Institute ihre Prognose vom Herbst 2022 für das laufende Jahr spürbar um 0,7 Prozentpunkte an, während die Prognose für das kommende Jahr um 0,4 Prozentpunkte gesenkt wurde. Die Inflationsrate wird im Jahr 2023 mit durchschnittlich 6,0 % nur wenig niedriger liegen als im Vorjahr. Erst im kommenden Jahr dürfte die Rate, insbesondere aufgrund der rückläufigen Energiepreise, auf 2,4% sinken. Der Rückgang der Kerninflationsrate (also der Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie) fällt deutlich schwächer aus. Sie dürfte im laufenden Jahr mit 6,2% sogar höher liegen als noch im Vorjahr (4,9%), und im kommenden Jahr nur langsam auf 3,3% zurückgehen. Im Vergleich zur Prognose vom Herbst 2022 wurden damit insbesondere für das laufende und das kommende Jahr die heimische Inflationsdynamik stärker eingeschätzt und damit die Prognose für die Kerninflationsrate um 1,7 bzw. 0,9 Prozentpunkte angehoben. Hingegen wurde wegen der günstigeren Entwicklung der Energiepreise die Prognose für die Gesamtinflationsrate im Jahr 2023 um 2,8 Prozentpunkte gesenkt; für das Jahr 2024 fällt die Prognose hingegen leicht um 0,2 Prozentpunkte höher aus.
Die Schwächephase im Winterhalbjahr dürfte die Arbeitslosenzahlen kaum steigen lassen, da Unternehmen aufgrund der sich seit Jahren verschärfenden Arbeitskräfteknappheit an ihrem Personal festhalten. Der Staat wird sein Finanzierungsdefizit im laufenden Jahr nur leicht auf 2,2% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt verringern, weil die Finanzpolitik zunächst an ihrem expansiven Kurs festhält. Erst im kommenden Jahr dürfte das Defizit dann auf 0,9% sinken. Der Leistungsbilanzsaldo wird bis zum Jahr 2024 wieder auf 6,0% der Wirtschaftsleistung steigen, nachdem er im vergangenen Jahr als Folge der kräftigen Verteuerung vor allem der Energieimporte vorübergehend auf 3,8% gesunken war.