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Geopolitischer Umbruch verschärft Krise – Strukturreformen noch dringlicher

Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in der Krise. Der Beginn des Jahres 2025 ist geprägt von erheblichen innen- aber auch außenpolitischen Veränderungen. In Deutschland ist die wirtschaftspolitische Unsicherheit angesichts des Regierungswechsels hoch. Gleichzeitig belastet die protektionistische Handelspolitik der USA die deutsche Konjunktur. Zudem hat sich mit der neuen Regierung in den USA die Sicherheitslage in Europa verschlechtert. Vor diesem Hintergrund haben Bundestag und Bundesrat die Finanzverfassung Deutschlands grundlegend geändert und weitreichende öffentliche Verschuldungsspielräume geschaffen. 

Die wirtschaftliche Schwäche in Deutschland ist nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur. So sehen sich deutsche Unternehmen einem verstärkten internationalen Wettbewerb vor allem aus China ausgesetzt. Zudem scheint ein Teil der Produktion in der energieintensiven Industrie dauerhaft weggefallen zu sein. Eine schwindende Erwerbsbevölkerung und hoher bürokratischer Aufwand sind weitere strukturelle Schwächen, unter denen die deutsche Wirtschaft leidet. 

Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr mit einem Anstieg um 0,1 % kaum mehr als stagnieren. Damit revidieren die Institute die Prognose vom Herbst 2024 recht deutlich um 0,7 Prozentpunkte nach unten. Insbesondere im Sommerhalbjahr 2025 wird inzwischen die Dynamik aufgrund der US-Zollpolitik schwächer eingeschätzt. Damit verzögert sich die erwartete Erholung. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte eine voraussichtlich expansive Finanzpolitik die Konjunktur beleben. Im kommenden Jahr dürfte steigt das Bruttoinlandsprodukt um 1,3 %, wobei 0,3 Prozentpunkte der höheren Zahl an Arbeitstagen zu verdanken sind. Damit ist die Rate gegenüber der Herbstprognose unverändert, das Niveau der Wirtschaftsleistung ist aber 0,8 % niedriger.

10. April 2025

Autoren Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

Inhalt
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Weltwirtschaft
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Die Weltwirtschaft steht im Frühjahr 2025 im Zeichen sich tiefgreifend ändernder geopolitischer und wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen. Vor dem Hintergrund des Politikwechsels in den USA sind insbesondere in Europa neue sicherheitspolitische Herausforderungen entstanden. Zudem hat die neue US-Regierung begonnen, neue Handelshürden aufzubauen, die eine erhebliche Belastung für die Weltwirtschaft bedeuten, weil sie den Handel bremsen und die Produktion verteuern. Problematisch ist auch die Unvorhersagbarkeit der handelspolitischen Maßnahmen, die zu einem drastischen Anstieg der wirtschaftspolitischen Unsicherheit beigetragen hat. Dies dürfte vor allem bei Investitionen dazu führen, dass Entscheidungen aufgeschoben werden.

Die Geldpolitik hat in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften die Zinsen weiter gesenkt. Gleichzeitig ging die Inflation in der Grundtendenz nur sehr langsam zurück. Im Euroraum ist der Leitzins mit 2,5 % nun wohl nicht mehr weit von einem neutralen Niveau entfernt, so dass die EZB voraussichtlich nur noch eine Zinssenkung vornehmen wird, bevor sie erst einmal längere Zeit pausiert. In den USA ist der Leitzins mit 4,5 % zwar noch deutlich höher, allerdings gilt dies auch für den Preisauftrieb. Er hat sich zuletzt sogar wieder verstärkt und dürfte sich durch die Zollpolitik der USA zunächst weiter verstärken. Daher rechnen die Institute auch hier nur noch mit wenig sinkenden Leitzinsen.

Die Finanzpolitik dürfte nach Jahren mit krisenbedingt hohen Haushaltsdefiziten in vielen Ländern einen Kurswechsel vollziehen. Im Euroraum sollen die Fiskalregeln gelockert werden, um Spielraum für mehr Verteidigungsausgaben zu schaffen. In den USA ist das Bild unklar. Einerseits ist geplant, die bislang gesetzlich vorgesehene Rücknahme der Einkommensteuererleichterungen zu verhindern und zusätzliche Steuersenkungen zu beschließen. Andererseits wirken die Zölle preistreibend und belasten die US-Wirtschaft. Auch sollen in großem Umfang Ausgaben gekürzt werden. Die Institute rechnen damit, dass das Haushaltsdefizit in den USA hoch bleibt und die Finanzpolitik insgesamt in etwa neutral wirkt.

In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird sich das Expansionstempo wohl verringern. Dies ist vor allem auf eine verlangsamte US-Konjunktur zurückzuführen. Im Euroraum gewinnt die Erholung hingegen leicht an Schwung. Weitere Kaufkraftgewinne, etwas günstigere Finanzierungsbedingungen und eine allmähliche Belebung des Verarbeitenden Gewerbes werden der binnenwirtschaftlichen Konjunktur Auftrieb verleihen. Die höhere Unsicherheit und die zunehmenden Handelshemmnisse belasten aber auch die europäische Wirtschaft.

Auch für die Schwellenländer haben sich die Aussichten aufgrund der jüngsten US-Zollpolitik eingetrübt. Vor allem China dürfte Gegenwind im Außenhandel spüren, wodurch sich die Expansion der chinesischen Wirtschaft wohl verlangsamen wird. Viele Volkswirtschaften werden wegen der höheren Zölle zudem mit weniger ausländischen Direktinvestitionen rechnen müssen, denn die Wirtschaftspolitik der neuen US-Regierung zielt darauf ab, die USA als Industriestandort attraktiver zu machen. Zudem bremst die hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit die Direktinvestitionen, da nicht klar ist, wie sich die relativen Standortbedingungen in der nächsten Zeit entwickeln werden.

Für die Weltproduktion erwarten die Institute Zuwachsraten von 2,4 % in den beiden Prognosejahren. Dies ist deutlich weniger als in den vergangen beiden Jahren. Die zunehmenden Handelshemmnisse und die stark gestiegene Unsicherheit werden nicht zuletzt die Entwicklung des Welthandels bremsen. Er dürfte in diesem und im kommenden Jahr nur noch um 2,1 % bzw. 1,6 % und damit um 0,2 bzw. 0,8 Prozentpunkte weniger zulegen als noch im vergangenen Herbst erwartet.

Die Risiken für die Prognose sind groß. Einen solch starken Anstieg der US-Zollsätze gab es in der jüngeren Vergangenheit nicht und seine Auswirkungen sind deshalb schwer zu quantifizieren. Gleiches gilt für die Reaktion der Haushalte und Unternehmen auf die mit der politischen Wende in den USA verbundene Unsicherheit. Der durch die Handelspolitik ausgelöste Preisdruck könnte die Zentralbanken dazu veranlassen, ihre Geldpolitik wieder zu straffen, um die Inflationserwartungen zu stabilisieren. In diesem Fall könnten erhebliche Korrekturen der Preise an den Finanzmärkten die Folge sein und die Produktion deutlich schwächer ausfallen als erwartet.

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