Importwettbewerb und Firmenproduktivität
Dieser Beitrag untersucht für Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland empirisch, ob der Wettbewerbsdruck durch Importe zu einer Steigerung der Produktivität führt. Um die Reaktionen der einheimischen Unternehmen besser zu verstehen, werden auch Effekte auf Output, Beschäftigung und FuE-Aktivitäten der Unternehmen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anreize der Unternehmen, in eine Erhöhung ihrer Produktivität zu „investieren“, von der Art der importierten Güter abhängen sowie davon, wie schwierig es für die einheimischen Unternehmen ist, mit der Konkurrenz mitzuhalten. Auf Importe von vergleichsweise technologisch einfachen und arbeitsintensiven Produkten aus Niedriglohnländern reagieren einheimische Unternehmen nicht mit einer Erhöhung ihrer Produktivität; vielmehr reduzieren sie Output und Beschäftigung. Dagegen steigt die Produktivität einheimischer Unternehmen als Reaktion auf Wettbewerbsdruck durch Importe von kapital- und technologieintensiven Gütern aus Industrieländern – jedoch nicht aufgrund höherer FuE-Ausgaben; ein Rückgang von Output und Beschäftigung ist in diesem Fall nicht beobachtbar.
01. März 2021
Inhalt
Seite 1
Internationaler HandelSeite 2
Die Effekte von ImportwettbewerbSeite 3
Endnoten Auf einer Seite lesenDie Öffnung eines Landes für den internationalen Handel wird typischerweise mit wohlfahrtssteigernden Effekten für die heimische Wirtschaft assoziiert.* Dabei wird unter anderem der Intensivierung des Wettbewerbs durch ausländische Importe eine wichtige Rolle zugesprochen. Der Importwettbewerb, so die These, bedrohe die Marktposition und sogar die Existenz der einheimischen Unternehmen. Diese würden also „diszipliniert“, ihre Produktivität zu erhöhen und ihre Konkurrenzfähigkeit wiederherzustellen. Unternehmen, denen dies nicht gelingt, verließen die entsprechenden Märkte, und die in ihnen gebundenen Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) und Ressourcen könnten von anderen, effizienteren Unternehmen genutzt werden.1 Jedoch mangelt es an robuster empirischer Evidenz für diesen Zusammenhang. Gleichzeitig wird in akademischen und politischen Kreisen kontrovers über die Effekte der Handelsliberalisierung diskutiert.2 Protektionistische Maßnahmen
– von strikter regulierten Handelsabkommen bis hin zu Importzöllen oder gar Abschottung – sind Gegenstand dieser Debatte.
Dieser Beitrag untersucht empirisch die Effekte von Importwettbewerb auf die Produktivität einheimischer Unternehmen; zum besseren Verständnis der Zusammenhänge werden zusätzlich die Effekte auf Output, Beschäftigung und FuE-Aktivität analysiert. Dabei kommt der präzisen Messung von Produktivität und Import-
wettbewerb entscheidende Bedeutung zu. Die Grundlage bilden Daten von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes (Amtliche Firmendaten in Deutschland des Bundesamts für Statistik, AFiD)3 für den Zeitraum von 2001 bis 2014. Insbesondere die Verfügbarkeit detaillierter Informationen über Mengen und Preise der von den Unternehmen selbst hergestellten Produkte ermöglicht eine genaue Erfassung der Effekte des Importwettbewerbs.
Firmenproduktivität (TFPQ)
In der hier vorliegenden Untersuchung wird die selten gegebene Verfügbarkeit von Informationen über die physischen Mengen und Preise der einzelnen Produkte im Portfolio eines jeden Unternehmens genutzt, um ein Produktivitätsmaß (TFPQ) zu ermitteln, welches möglichst genau die rein technische Effizienz der Unternehmen widerspiegelt. Dadurch können insbesondere die verzerrenden Einflüsse systematischer Unterschiede zwischen Unternehmen reduziert werden. Solche Unterschiede bestehen einerseits in der Zusammensetzung des Produktportfolios und andererseits in Preisen von Endprodukten (etwa aufgrund von Marktmacht)4 sowie von Produktionsfaktoren und Verbrauchsgütern.5 Insgesamt ermöglicht es dieser Ansatz, die „Disziplinierungsfunktion“ des Wettbewerbs genauer zu analysieren, wonach Unternehmen „gezwungen“ werden, Ressourcen effizienter zu nutzen.
Importwettbewerb
Zum ersten Mal wird in dieser Studie die unternehmensspezifische Intensität des Importwettbewerbs anhand von Informationen über einzelne Produkte in den Portfolios der Unternehmen ermittelt. Somit wird explizit berücksichtigt, dass Wettbewerb auf firmenspezifischen Märkten stattfindet. Anders als bei Maßen, die auf Basis der Importe einer ganzen Branche berechnet werden, können dadurch insbesondere Verzerrungen vermieden werden, wenn die Importe einer Branche für einige Unternehmen dieser Branche Endprodukte, für andere dagegen Inputs sind. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der vorliegenden Studie ist die Unterscheidung zwischen Importen aus Niedriglohnländern und Importen aus Industrieländern. Hierdurch wird berücksichtigt, dass sich die Wettbewerbsposition und dementsprechend die Reaktionen der einheimischen Unternehmen bei Produkten mit unterschiedlichen Charakteristika (insbesondere bezüglich Faktorintensitäten und Faktorpreisen) aus unterschiedlichen Ländern unterscheiden können. Die Gruppe der Niedriglohnländer wird durch Argentinien, Brasilien, Bangladesch, Chile, China, Indien, Indonesien, Pakistan, die Philippinen, Russland, Südafrika, Malaysia, Mexiko, Thailand, Tunesien, die Türkei und Vietnam approximiert. Die Industrieländer werden durch Japan, Kanada, Südkorea und die USA repräsentiert. Importinformationen stammen aus der Comtrade-Datenbank der Vereinten Nationen.6
Konkret wird die Importwettbewerbsintensität, IW, für jedes einzelne Unternehmen i im Jahr t durch den Anteil der Importe aus Ländergruppe n, Mn, am gesamten inländischen Markt des Unternehmens berechnet. Der gesamte inländische Markt eines Unternehmens ist die Summe aus gesamter inländischer Produktion, ∑i Ri , und den Gesamtimporten, MWelt. Dieser Importanteil wird für jedes selbst hergestellte Produkt g berechnet und mit dessen Anteil am Produktportfolio des Unternehmens gewichtet. Die Summe der gewichteten Import-Marktanteile aller Produkte des Unternehmens ergibt die Importwettbewerbsintensität IW:
In Tabelle 1 wird die Faktor- und Technologieintensität der Importe aus den unterschiedlichen Ländergruppen dargestellt. Da direkte Informationen über den Faktor- und Technologiegehalt der Importe fehlen, werden als Näherung die entsprechenden Werte der jeweils betroffenen einheimischen Unternehmen (bzw. Produkte) angegeben. Importe aus Niedriglohnländern sind demnach vergleichsweise arbeitsintensiv, jedoch weniger FuE-intensiv (sie werden typischerweise eher mit „Standard“-Technologien produziert). Importe aus Industrieländern dagegen sind kapital- und FuE-intensiver (es sind typischerweise vertikal differenzierbare Produkte mit vergleichsweise hohem Innovationspotenzial).