Pandemie verzögert Aufschwung – Demografie bremst Wachstum
Das erste Jahr der Corona-Pandemie stand in Deutschland im Zeichen extremer Schwankungen der ökonomischen Aktivität und einer massiven Lähmung der Binnenwirtschaft. Der kräftige Erholungsprozess nach dem Ende des Shutdowns im vergangenen Frühjahr kam im Zuge der zweiten Infektionswelle über das zurückliegende Winterhalbjahr insgesamt zum Erliegen, wobei es große Unterschiede zwischen Industrie und Dienstleistern gibt. Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens gehen die Institute davon aus, dass der derzeitige Shutdown zunächst fortgesetzt wird und die zuletzt erfolgten Lockerungen wieder weitgehend zurückgenommen werden. Erst ab Mitte des zweiten Quartals setzen Lockerungsschritte ein, die es den im Shutdown befindlichen Unternehmen erlauben, ihre Aktivitäten nach und nach wieder aufzunehmen. Bis zum Ende des dritten Quartals sollten dann alle Beschränkungen aufgehoben worden sein, weil bis dahin insbesondere mit einem weitreichenden Impffortschritt zu rechnen ist. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,7% zulegen. Die deutliche Erholung im zweiten Halbjahr 2021 wirkt sich auch erheblich auf die Jahresdurchschnittsrate für das Jahr 2022 aus, die nach vorliegender Prognose 3,9% beträgt.
15. April 2021
Im Frühjahr 2021 ist die Weltwirtschaft weiter auf Expansionskurs obwohl von der Corona-Pandemie weiterhin Belastungen ausgehen. So sind Teile der europäischen Wirtschaft erneut durch Infektionsschutzmaßnahmen gelähmt, außerhalb Europas ist die Konjunktur aber im Aufschwung. Die Pandemie ist in Ostasien schon seit längerer Zeit weitgehend unter Kontrolle, und in den USA ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen seit Januar stark gesunken. Die internationale Konjunktur wird durch die Aussicht beflügelt, dass sich im Laufe des Jahres 2021 ein Großteil der Bevölkerung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften impfen lassen kann. Zusätzliche Impulse kommen von massiven finanzpolitischen Maßnahmen in den USA.
Schon in der zweiten Jahreshälfte 2020 hatte die globale Produktion nach dem dramatischen Einbruch vom vergangenen Frühjahr wieder deutlich zugelegt. Rasch ist die Erholung vor allem in Ostasien in Gang gekommen. In China ist die gesamtwirtschaftliche Produktion bereits auf ihren alten Wachstumspfad zurückgekehrt, in anderen ostasiatischen Ländern wie Japan und Korea lag sie im vierten Quartal nur noch wenig mehr als 1% unter dem Vorkrisenniveau von Ende 2019. Demgegenüber fehlten bis zum Produktionsniveau von vor einem Jahr etwa 2½% in den USA und sogar 4½% in der Europäischen Union (EU), wo das Bruttoinlandsprodukt im Zuge der zweiten Infektionswelle im Schlussquartal erneut zurückgegangen ist.
Die Geldpolitik trägt durch die weltweit ausgesprochen expansive Ausrichtung wesentlich zur konjunkturellen Erholung bei. Seit vergangenem Frühjahr liegen die Leitzinsen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften um 0%, und die Zentralbanken haben signalisiert, dass sie die Zinsen noch längere Zeit auf diesem Niveau belassen wollen. Die umfangreichen Anleihekäufe durch die Notenbanken sollen fortgesetzt werden. Die US-Notenbank will gemäß ihrer neuen geldpolitischen Strategie eine Zeit lang Inflationsraten über der Zielmarke von 2% tolerieren, wenn die Preissteigerung wie gegenwärtig längere Zeit niedriger gewesen ist. Die Kapitalmarktrenditen in den USA sind seit Jahresanfang gestiegen, für Staatstitel mit 10-jähriger Laufzeit von etwa 0,9% auf 1,7% Anfang April.
Die Finanzpolitik bleibt global gesehen ebenfalls expansiv ausgerichtet. Vor allem in den USA sind die Impulse beträchtlich. Auch andernorts (etwa in den größeren Ländern des Euroraums, in Großbritannien und in Japan) wurden im Winter finanzpolitische Programme aus dem Jahr 2020 verlängert oder neue aufgelegt. Zwar fällt die Summe aus öffentlichen Mehrausgaben und Abgabensenkungen außerhalb der USA zumeist deutlich geringer aus als im vergangenen Jahr. Dennoch stützt die Finanzpolitik die Wirtschaft auch im Jahr 2021 weltweit massiv.
Die internationale Konjunktur dürfte rasch anziehen, sobald sich der Bann der Pandemie löst. Allerdings erholen sich die einzelnen Weltregionen zeitlich versetzt: In China ist die Konjunktur zur Jahreswende auf Hochtouren gelaufen, wieder niedrigere Einkaufsmanagerindizes deuten auf eine moderate Verlangsamung im Frühjahr hin. Zu diesem Zeitpunkt werden finanzpolitische Impulse und Erfolge der Impfkampagne für eine sehr kräftige Konjunktur in den USA sorgen. Pandemiebedingt liegt der Euroraum weiter zurück, für das erste Quartal ist sogar mit einem deutlichen Rückgang der Produktion zu rechnen. Das gilt auch für Großbritannien, wo zudem der wichtige Handel mit der EU unter den Folgen des Brexit leidet. Der Produktionsrückgang in Europa schlägt sich zu Jahresbeginn auch in einer langsameren Expansion der Weltproduktion nieder. Im Sommerhalbjahr dürfte die europäische Konjunktur zunehmend in Schwung kommen, in Großbritannien schneller als in der EU. Dagegen sind die wirtschaftlichen Aussichten in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern dadurch getrübt, dass der Großteil der Bevölkerung noch bis ins Jahr 2022 hinein nicht geimpft sein wird.
Alles in allem legt die Weltproduktion im Jahresdurchschnitt 2021 voraussichtlich um 6,3% zu, nach einem Rückgang von 3,6% im Jahr 2020. Für das Jahr 2022 erwarten die Institute eine wiederum recht kräftige Zunahme um 4,1%. Im Vergleich zur Gemeinschaftsdiagnose vom Herbst 2020 haben die Institute ihre Prognose für die Zunahme der Weltproduktion (gewichtet mit laufenden Wechselkursen) für die Jahre 2021 und 2022 um jeweils 0,4 Prozentpunkte nach oben revidiert. Der weltweite Warenhandel (CPB) legt im Jahr 2021 mit 8,2% sehr stark zu und steigt im nächsten Jahr voraussichtlich um 3,4%. Die Erholung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften nimmt bei dem zugrunde gelegten Szenario im Verlauf dieses Jahres Fahrt auf und erfasst zunehmend auch die Regionen und Wirtschaftsbereiche, die derzeit noch sehr von der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen werden.
Ein wesentliches Abwärtsrisiko für die internationale Konjunktur geht weiterhin vom Pandemiegeschehen aus. Zwar zeichnen sich bereits erste Erfolge der Impfkampagnen ab. In der kurzen Frist können aber überall, wo noch keine Herdenimmunität erreicht ist, die jüngeren, besonders ansteckenden Virusmutationen weitere Infektionswellen auslösen. Eine weitere Gefahr ist mit dem wirtschaftlichen Erholungsprozess verbunden, da viele Unternehmen bislang durch staatliche Zuschüsse und Kreditprogramme am Leben gehalten wurden. Die Zahl der Insolvenzen könnte im Prognosezeitraum deutlich stärker steigen als in dieser Prognose unterstellt. Schließlich ist die Handelspolitik nach wie vor mit einem Abwärtsrisiko verbunden, da die Biden-Administration im Grundsatz die gleichen wirtschaftspolitischen Ziele verfolgt wie die Vorgängerregierung. Es gibt aber auch gewichtige Aufwärtsrisiken für die Konjunktur. Die Kombination von stark expansiver Wirtschaftspolitik und hoher zurückgestauter Ersparnis könnte dann, wenn die Infektionsentwicklung eine nachhaltige Normalisierung der wirtschaftlichen Aktivität erlaubt, zu einem Konsumschub führen. In dem Fall dürfte nicht nur die Produktion, sondern auch die Inflation rascher steigen als in dieser Prognose erwartet.
Wirtschaft in Deutschland
In Deutschland stand das erste Jahr der Corona-Pandemie im Zeichen extremer Schwankungen der ökonomischen Aktivität und einer massiven Lähmung der Binnenwirtschaft. Besonders ausgeprägt war das Ab und Auf im industriellen Exportgeschäft. Anders als in früheren Krisen ist der private Konsum diesmal kein stabilisierender Faktor, sondern seinerseits mitursächlich für die starken Schwankungen. Maßgeblich hierfür ist, dass Infektionsschutzmaßnahmen zahlreiche kontaktintensive Geschäftsmodelle vor allem in den konsumbezogenen Dienstleistungsbranchen behindern, so dass die privaten Haushalte ihre Ausgaben nicht wie gewohnt tätigen können.
Der kräftige Erholungsprozess kam über das zurückliegende Winterhalbjahr im Zuge der zweiten Infektionswelle insgesamt zum Erliegen, wobei der Konjunkturverlauf zwischen Industrie und Dienstleistern gespalten ist. Die Industriekonjunktur war vor allem dank eines steigenden Auslandsgeschäfts bis zuletzt weiter aufwärtsgerichtet. Demgegenüber gab die Aktivität in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen mit dem Eintritt in die zweite Shutdown-Phase abermals deutlich nach. Diese begann im November 2020 mit neuerlichen kontaktbeschränkenden Maßnahmen, die bis Jahresende sukzessive verschärft wurden und dann im März 2021 allmählich gelockert wurden. Per Saldo verzeichnete die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal nur noch ein kleines Plus (0,3%), dem im ersten Quartal ein deutliches Minus gefolgt sein dürfte, das die Institute auf -1,8% veranschlagen. Neben dem Pandemiegeschehen prägt auch die am 1. Januar erfolgte Rückkehr zu den vormaligen Mehrwertsteuersätzen die wirtschaftliche Dynamik um den Jahreswechsel, da Käufe von langlebigen Konsumgütern und Bauleistungen in das alte Jahr vorgezogen wurden. Zudem ist die Bauproduktion witterungsbedingt zu Jahresbeginn kräftig gesunken.
Trotz des immer wieder verlängerten zweiten Shutdowns haben sich eine Reihe von Indikatoren zuletzt wieder deutlich verbessert. Dabei ist bemerkenswert, dass sich die ifo Geschäftserwartungen im Dienstleistungssektor und im Handel aufgehellt haben. Darin dürfte vor allem die Erwartung zum Ausdruck kommen, dass die zunehmende Immunisierung der Bevölkerung die Infektionsschutzmaßnahmen in absehbarer Zeit entbehrlich macht. Dies wird auch für diese Prognose angenommen. Konkret gehen die Institute angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens davon aus, dass der derzeitige Shutdown zunächst fortgesetzt wird und dabei auch die im März erfolgten Lockerungen wieder weitgehend zurückgenommen werden. Erst ab Mitte des zweiten Quartals setzen Lockerungsschritte ein, die es den im Shutdown befindlichen Unternehmen erlauben, ihre Aktivitäten nach und nach wieder aufzunehmen. Bis zum Ende des dritten Quartals sollten dann alle Beschränkungen aufgehoben worden sein, weil bis dahin insbesondere mit einem weitreichenden Impffortschritt zu rechnen ist.
Unter dieser Voraussetzung wird es in den Dienstleistungsbereichen zu einer kräftigen Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivität im Sommerhalbjahr kommen. Aufgrund der schrittweisen Aufhebung der Beschränkungen dürfte die Aktivität im dritten Quartal stärker zunehmen als im zweiten. Verwendungsseitig spielt dabei der private Konsum die Hauptrolle. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Frühjahr legen nahe, dass sich das wirtschaftliche Geschehen in vielen Bereichen so rasch normalisiert, dass der Aufhol- prozess im Verlauf dieses Jahres weitgehend abgeschlossen wird. In der Folge fallen dort die Produktionszuwächse im kommenden Jahr wieder weitgehend normal aus.
Die während der Pandemie beschränkten Konsummöglichkeiten gehen mit einer erheblichen Ersparnisbildung der privaten Haushalte einher. Die Institute schätzen die so aufgestaute Kaufkraft für die Jahre 2020 und 2021 auf insgesamt über 200 Mrd. Euro. Es ist unklar, welcher Teil davon in den Konsum fließt, sobald die Infektionsschutzmaßnahmen aufgehoben werden. Die Institute nehmen hierzu an, dass es nicht zu nachholenden Konsumaktivitäten in großem Stil kommen wird. Freilich ziehen die privaten Konsumausgaben allein durch die Rückkehr zum gewohnten Sparverhalten aus der Zeit vor der Pandemie kräftig an.
Infolge der für das Sommerhalbjahr erwarteten kräftigen Erholung dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,7% zulegen. Die mit 3,9% sogar noch etwas höhere Rate im kommenden Jahr ist ganz überwiegend (3,1 Prozentpunkte) dem statistischen Überhang geschuldet (die Verlaufsrate beträgt 1,4%). Grund dafür ist im Wesentlichen das veränderte Pandemiegeschehen. Etwa zur Mitte des Prognosezeitraums dürften die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten normal ausgelastet sein und dies bis zum Prognosehorizont auch bleiben.
Die bisher niedrigen Zahlen bei den Unternehmensinsolvenzen dürften vor allem auf die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und das Aussetzen der Anmeldepflicht für Insolvenzen zurückzuführen sein, welches derzeit noch bis Ende April dieses Jahres vorgesehen ist. Durch den Corona-Schock sind die Geschäftsmodelle der davon betroffenen Wirtschaftsbereiche für die Zeit nach der Pandemie aber ganz überwiegend nicht obsolet geworden, sondern dürften dann weiterhin marktfähig sein. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus der Finanzkrise, dass die Insolvenzanmeldungen erst mit einiger Verzögerung auf den Einbruch der Wirtschaftsaktivität erfolgen. Weil ein Teil der Anzeigen diesmal durch die wirtschaftspolitischen Maßnahmen verhindert wurde, wird es wohl vorübergehend zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen kommen, wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen auslaufen und die Pflicht zur Insolvenzanmeldung wieder vollumfänglich gilt.
Auf die Beschäftigung dürfte der Anstieg des Insolvenzgeschehens nur geringe Auswirkungen haben, da viele betroffene Betriebe, z.B. in der Gastronomie, relativ klein sind. Zudem hat sich die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen in den vergangenen Monaten stark verbessert, vor allem im Verarbeitenden Gewerbe. Dies spricht dafür, dass die Erholung der Erwerbstätigkeit im Sommerhalbjahr an Fahrt gewinnen dürfte. Im Jahresdurchschnitt ist für das Jahr 2021 ein Anstieg der Erwerbstätigkeit um 26 000 Personen zu erwarten. Im kommenden Jahr dürfte der Anstieg 539 000 Personen betragen, wobei das Vorkrisenniveau im ersten Halbjahr wieder erreicht wird. Im Zuge der Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen ab Mai wird die Zahl der Arbeitslosen wohl verstärkt zurückgehen.
Die Verbraucherpreise unterliegen im laufenden Jahr mehreren Sondereffekten, die die Inflationsrate deutlich steigen lassen werden. Hierzu zählen preiswirksame politische Entscheidungen (Rückkehr zu höheren Mehrwertsteuersätzen, Einführung der CO2-Abgabe) und das kräftige Wiederanziehen wichtiger Rohstoffpreise. Die von den Instituten prognostizierte Rate von 2,4% fällt so hoch aus wie seit 13 Jahren nicht mehr; in der zweiten Jahreshälfte dürfte auch die 3%-Marke erreicht werden. Im kommenden Jahr klingen die Sondereffekte jedoch ab, und die Verbraucherpreisinflation verlangsamt sich auf 1,7%.
Die öffentlichen Haushalte dürften im Jahr 2021 ein Defizit aufweisen, das mit 159 Mrd. Euro noch etwas höher ausfällt als im Jahr zuvor. Zwar nehmen konjunkturell die Steuereinnahmen bereits wieder zu. Die Ausgaben für Impfungen und Tests lassen jedoch die sozialen Sachleistungen kräftig steigen. Die Investitionstätigkeit des Staates dürfte weiter expandieren, insbesondre aufgrund der verfügbaren Mittel in Investitionsprogrammen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt dürfte das gesamtstaatliche Budgetdefizit im Jahr 2021 mit 4,5% in etwa konstant bleiben und im Jahr 2022 auf 1,6% deutlich zurückgehen.
Die Corona-Pandemie stellt weiterhin das bedeutendste Abwärtsrisiko für die Prognose dar. Nach wie vor kann es bei der Lieferung von Impfstoffen und Tests zu Engpässen und Verzögerungen kommen. Darüber hinaus könnte das Auftreten neuer Mutationen des Virus die Wirksamkeit der Impfstoffe reduzieren, wodurch der Öffnungsprozess möglicherweise gestoppt werden müsste und damit die wirtschaftliche Erholung abermals zurückgeworfen würde. Zudem besteht die Gefahr, dass die Erholung auch bei einer Eindämmung der Corona-Pandemie nicht störungsfrei verläuft. In diesem Fall könnten steigende Insolvenzzahlen zusammen mit einem vermehrten Arbeitsplatzverlust die wirtschaftliche Aktivität auch deutlich stärker belasten als in dieser Prognose unterstellt. Ein erhebliches Aufwärtsrisiko stellt die bei den privaten Haushalten während der Pandemie aufgestaute Kaufkraft dar. Sollten die privaten Haushalte stärker auf ihre Ersparnisse zurückgreifen, würde das Bruttoinlandsprodukt deutlich stärker ausgeweitet werden. In diesem Falle würden auch die Verbraucherpreise deutlich stärker steigen.
Bereits jetzt zeichnet sich deutlich ab, dass Deutschland in den kommenden Jahren ein folgenreicher demografischer Wandel bevorsteht. Mit dem Eintritt der Babyboomer in das Rentenalter wird die Erwerbsbevölkerung schrumpfen und der Anteil der Älteren deutlich steigen. Die Folgen für das Potenzialwachstum sind beträchtlich: Bis zum Jahr 2030 muss mit einer Verringerung der Potenzialwachstumsrate um rund einen Prozentpunkt gerechnet werden. Dies ist das Ergebnis einer Schätzung, bei der der empirische Zusammenhang zwischen demografischem Wandel und den Bestimmungsfaktoren des Potenzialwachstums explizit Berücksichtigung findet. Zusätzliche Szenariorechnungen zeigen, dass etwa ein Anstieg des Wanderungssaldos um jährlich rund 100 000 Personen oder sogar eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre diesen Effekt nur leicht abmildern, aber bei weitem nicht kompensieren könnten.
Die Wirtschaftspolitik hat zügig und mit umfangreichen Maßnahmen auf die wirtschaftliche Krise reagiert. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass der Bestand vieler durch die Krise getroffenen Unternehmen bislang gesichert wurde. Insgesamt hat allein der Bund Hilfen in Höhe von mehr als einer Billion Euro zugesagt. Dabei spricht die Anatomie der Krise für solche Instrumente, die schnell und zielgerichtet wirken und sich zudem selbst dosieren. Hierzu zählt die Möglichkeit des steuerlichen Verlustrücktrags, der bereits jetzt genutzt wird, allerdings auf die Gewinneinkünfte des Jahres 2019 begrenzt und bis zu einem Höchstbetrag von 10 Millionen Euro gedeckelt ist. Eine Ausweitung dieser Regelungen auf die Jahre 2018 und 2017 könnte die Liquidität der durch die Krise getroffenen Unternehmen ohne weitere Prüfung stärken. Für junge und neu gegründete Unternehmen bedarf es freilich gesonderter Programme. Um Unternehmensgründungen zu fördern, wäre beispielsweise auch eine Weiterentwicklung des Gründungszuschusses eine Handlungsmöglichkeit.
Solide Staatsfinanzen sind eine wichtige Voraussetzung, um angemessen auf makroökonomische Krisen reagieren zu können. Auch deshalb ist ein strukturell ausgeglichener Haushalt in normalen Zeiten sinnvoll. Der demografische Wandel lastet aber mittel- und langfristig auf den Wachstumsperspektiven. Für das Erreichen eines strukturell ausgeglichenen Haushalts bleiben damit entweder die Möglichkeit der Konsolidierung auf der Ausgaben- oder die Stärkung der Einnahmeseite. Die Abgabenquote in Deutschland ist bereits auf einem gesamtdeutschen Höchststand – Bedarf für erhebliche Mehrausgaben gerade im investiven Bereich ist angemeldet. Vor diesem Hintergrund rückt ein höheres Renteneintrittsalter stärker in den Fokus, würde dies doch die Einnahmeseite der Rentenversicherung stärken und zudem das Produktionspotenzial erhöhen. Ein solcher Schritt brächte somit eine doppelte Rendite.
Zudem könnte die Zuwanderung in jüngere Alterskohorten gefördert und Maßnahmen ergriffen werden, um die Partizipationsquote weiter zu erhöhen.