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Warum Boni im Bankenbereich scheitern (müssen)

In der Finanzkrise sind Boni für Bankmanager in die Kritik geraten. Bonussysteme stehen im Verdacht, Anreize für eine zu riskante Kreditvergabe zu setzen. Der vorliegende Beitrag untersucht am Beispiel einer großen internationalen Geschäftsbank, wie sich ein Bonussystem, das ein hohes Volumen neu vergebener Kredite belohnt und den Ausfall von Krediten bestraft, auf das Verhalten von Kreditsachbearbeitern auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass Kreditsachbearbeiter die Anbahnung neuer und die Überwachung bestehender Kredite verstärken, wenn sie ihren monatlichen Bonus zu verlieren drohen. Eine genauere Prüfung von Kreditanträgen findet dagegen nicht statt. Kreditsachbearbeiter passen ihr Verhalten besonders gegen Monatsende an, wenn die Bonuszahlung herannaht. Langjährige Mitarbeiter reagieren stärker auf das System als jüngere Kollegen. Komplexe Produktivitätsaspekte wie die Teamfähigkeit können mit Bonussystemen nicht erfasst werden.

17. November 2021

Autoren Reint E. Gropp Andre Guettler

In der Finanzkrise sind Boni für Bankmanager in die Kritik geraten: Banken in den USA hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hohe Boni gezahlt, die vor allem an das neu vermittelte Hypothekenvolumen gekoppelt waren. Diese Kopplung wurde für die Krise mitverantwortlich gemacht. Denn viele hochriskante Hypotheken auszugeben, ohne die damit verbundenen Risiken ausreichend zu berücksichtigen, zahlte sich für Bankmitarbeiter aus. Ein hoher Anteil dieser Hypotheken fiel später aus. Dies verursachte die globale Finanzkrise, die weltweit dramatische realwirtschaftliche Konsequenzen hatte. In den OECD-Ländern stürzte das Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt um mehr als vier Prozent ab, in Deutschland um rund fünf Prozent.*

Als Reaktion auf die ungewollten Wirkungen wurden die Anreizsysteme nach der Krise reformiert. Vielfach wird nun auch das eingegangene Risiko berücksichtigt, und in der EU begrenzte der Gesetzgeber die Boni für Bankmanager: Sie dürfen im Regelfall 100% des Grundgehalts nicht übersteigen. Neue Forschungen des von der G20 gegründeten Finanzstabilitätsrats (Financial Stability Board) und des IWH zeigen jedoch, dass sich die Risikoneigung der Banken trotz einer Fülle von strengeren Regeln bezüglich ihrer Liquidität, Kapitalausstattung und Aufsicht kaum verändert hat. Selbst verfeinerte Bonussysteme können noch immer zu signifikanten Fehlanreizen führen.1

Anreizsysteme im komplexen Arbeitsumfeld einer Bank

In einer komplexen Arbeitsumgebung wie dem Bankenbereich können Bonussysteme sich nur an einer Handvoll gut messbarer Kenngrößen ausrichten. Schwer messbare Kenngrößen werden von Bankmanagern und Kreditsachbearbeitern ignoriert, was wiederum zu Fehlanreizen führen kann. Die Forschung zeigt, dass die Komplexität des Bankengeschäfts bereits für Kreditsachbearbeiter so hoch ist, dass daraus Fehlanreize entstehen.

Für Vorstände ist das Problem noch dramatischer. Die Kombination von Investmentbanking und Kreditgeschäft in einer Institution kann aufgrund der komplexen Messbarkeit zu einer Vernachlässigung des Kreditgeschäftes führen. Der Erfolg von Investmentbanking ist kurzfristig viel leichter und präziser messbar. Die Kosten, die der Bank durch Kreditausfälle entstehen, belasten hingegen oft erst Jahre nach der Kreditvergabe die Gewinne.2

Das Beispiel eines Bonussystems für Kreditsachbearbeiter

Anreizbasierte Vergütungssysteme für Kreditsach- bearbeiter zeigen mitunter deutliche Schwächen, wie die Analyse eines gescheiterten Bonussystems einer internationalen Geschäftsbank zeigt, die dafür Daten zur Verfügung gestellt hat.3

Die Kunden der untersuchten Bank waren vor allem Einzelunternehmen und mittelständische Unternehmen. Die Datenbasis umfasst etwa 38000 Kreditanträge und 28000 vergebene Kredite im Zeitraum von Januar 1996 bis Oktober 2004. Im Untersuchungszeitraum besaß die Bank 15 Filialen und beschäftigte 271 Kreditsachbearbeiter.

Alle Kreditsachbearbeiter erhielten zusätzlich zu ihrem Festgehalt einen monatlichen Bonus auf Basis des neu vermittelten Kreditvolumens. Der Bonus betrug maximal 150% des Festgehalts, stellte also einen substantiellen Anreiz dar. Allerdings wurde der Bonus nur ausgezahlt, wenn die wertgewichteten notleidenden Kredite des Vormonats eine Risikoschwelle von drei Prozent nicht überschritten.

Die Bank teilte darüber hinaus die Kredite in sechs Größen- und Branchenkategorien ein und berechnete monatliche Boni nach Kategorie. Diese Datenstruktur ermöglicht den Vergleich des Verhaltens einer Kreditsachbearbeiterin in einer Kreditkategorie, in der sie über dem Schwellenwert liegt, mit dem Verhalten derselben Kreditsachbearbeiterin in einer anderen Kreditkategorie, in der sie unter dem Schwellenwert liegt.

Auf diese Weise kann beobachtet werden, wie sich das Verhalten einer Person verändert, wenn das Anreizsystems auf sie angewendet wird. Vermieden wird so der Vergleich zwischen verschiedenen Kreditsachbearbeitern, der durch verschiedene mitarbeiterspezifische Einflussfaktoren wie Motivation, Erfahrung oder finanzielle Bedürfnisse verzerrt wäre. Außerdem wird der Vergleich immer für den gleichen Bezugsmonat durchgeführt, um die Wirkung zeitlicher Effekte auszuschließen.

Das Anreizsystem wirkt auf die Priorisierung im Multitasking

Die Daten ermöglichen das Auswerten verschiedener Aufgaben wie der Anbahnung neuer Kredite, der Prüfung der Kreditanträge und der Überwachung bestehender Kredite, die die Kreditsachbearbeiter ausführen und die sich auf die Profitabilität der Bank auswirken.

Die Auswertung der Daten zeigt Folgendes: Genau wie bei Bankvorständen ist zu befürchten, dass sich die Kreditsachbearbeiter durch das Bonussystem auf Aufgaben konzentrieren, die kurzfristig ihren Bonus maximieren.

Daher neigten Kreditsachbearbeiter unter diesem Anreizsystem dazu, Kreditanträge nicht sorgfältig zu prüfen. Denn das Ergebnis schlug sich erst mit mehrjähriger Verzögerung positiv in den Boni nieder. Stattdessen konzentrierten sie sich auf Aspekte ihres Kreditportfolios, die einen zeitnahen Effekt auf den Bonus haben: Sie fokussierten sich auf die Kreditanbahnung und darauf, bestehende Kreditnehmer dazu zu bringen, Kredite auch tatsächlich zurückzuzahlen. Im Endergebnis führte das Anreizsystem dazu, dass die Kreditqualität des Portfolios der Bank tendenziell eher abnahm, obwohl das System explizit das Kreditrisiko berücksichtigte.

Unbeabsichtigte Nebeneffekte

Gleichzeitig führte das Anreizsystem zu einer Reihe von unbeabsichtigten Nebeneffekten. Zum Beispiel reagierten Kreditsachbearbeiter mit einer längeren Betriebszugehörigkeit bei der Bank stärker auf Anreize als jüngere Kollegen. Es gibt also einen „Lerneffekt“. Zudem steigerten die Angestellten ihre Bemühungen in der zweiten Monatshälfte, wenn der Zeitpunkt der Bonusberechnung näher rückte.

Die untersuchte Bank, deren Daten die Grundlage für diese Analyse sind, hat das individuelle Bonussystem nach einigen Jahren eingestellt und den Kreditsachbearbeitern wieder ein fixes Gehalt gezahlt. Vertreter der Bank erklären das vor allem damit, dass sich die Bereitschaft und Fähigkeit zu Teamwork nicht adäquat abbilden ließen. Hierunter fällt zum Beispiel die Weitergabe aller relevanten Informationen bei der Übergabe eines Kunden an einen Kollegen. Da diese abgegebenen Kunden nicht mehr für den eigenen Bonus zählen, fehlt der finanzielle Anreiz für eine sorgfältige Übergabe an den Nachfolger. Darüber hinaus honorierte das Bonussystem nicht, wie gründlich neue Kreditsachbearbeiter von den bestehenden Kollegen eingearbeitet wurden. Die Bereitschaft, ausreichend Zeit und Energie in das Kreditportfolio eines Kollegen zu investieren, der aus gesundheitlichen oder privaten Gründen längere Zeit vertreten werden musste, wurde ebenso nicht belohnt.

Fazit: Bonussysteme scheitern, weil sie zu kurzfristig und eindimensional sind

Bonussysteme führen in der Regel dazu, dass sich Mitarbeiterinnen auf Aktivitäten konzentrieren, die die Höhe ihres Bonus kurzfristig beeinflussen. Investive Tätigkeiten, wie das sorgfältige Prüfen von Kreditanträgen, deren Ertrag sich erst nach Jahren zeigt, werden dagegen vernachlässigt. Im Ergebnis können Anreizsysteme sogar dazu führen, dass die Qualität des Kreditportfolios einer Bank abnimmt, obwohl das Kreditrisiko im System explizit berücksichtigt wird.

Um praktikabel zu sein, müssen sich Bonussysteme außerdem an wenigen, gut messbaren Größen ausrichten. Die komplexe Aufgabenfülle der Mitarbeiter im Bankenbereich können sie nicht hinreichend abbilden. Indem die Mitarbeiter ihre Anstrengungen auf die vom Anreizsystem belohnten Größen fokussieren, werden andere, möglicherweise ebenso produktivitätsrelevante Aspekte wie Teamarbeit tendenziell vernachlässigt.

Endnoten

* Dieser Beitrag ist die erweiterte Fassung eines Gastbeitrags der Autoren in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der am 13. September 2021 unter dem Titel: „Wenn Boni falsche Anreize setzen“ erschienen ist.

1 Vgl. Financial Stability Board: Evaluation of the Effects of Too-big-to-fail Reforms, Final Report. Basel 2021.

2 Vgl. Gropp, R.; Park, K.: To Separate or not to Separate Investment from Commercial Banking? An Empirical Analysis of Attention Distortion under Multiple Tasks. IWH Discussion Papers 2/2016. Halle (Saale) 2016.

3 Dieser Beitrag basiert auf Behr, P.; Drexler, A. H.; Gropp, R. E.; Guettler, A.: Financial Incentives and Loan Officer Behavior: Multitasking and Allocation of Effort under an Incomplete Contract, in: Journal of Financial and Quantitative Analysis, Vol. 55 (4), 2020, 1243−1267.

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