Zögerliche Belebung – steigende Staatsschulden: Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2009
Wirtschaft im Wandel,
2. Sonderausgabe
2009
Abstract
Im Herbst 2009 scheint der Tiefpunkt der schwersten weltwirtschaftlichen Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg überschritten. Vieles deutet auf eine konjunkturelle Erholung hin. Die Lage an den Weltfinanzmärkten hat sich erheblich entspannt, die Stimmungsindikatoren weisen wieder nach oben, die Auftragseingänge haben zugenommen, und die Produktion ist verbreitet gestiegen. Der Welthandel, der bis in das Frühjahr hinein rückläufig gewesen war, nahm im Sommer wieder deutlich zu. In einer Reihe von Schwellenländern, vor allem im asiatischen Raum, war die gesamtwirtschaftliche Produktion bereits im zweiten Quartal wieder deutlich aufwärtsgerichtet.
Maßgeblich für den Umschwung war die Stabilisierung an den Finanzmärkten, zu der es im Frühjahr als Folge massiver Interventionen der Notenbanken sowie der Ankündigung staatlicher Stützungsprogramme und Garantien für den Finanzsektor kam. Die Risikoneigung der Investoren hat sich inzwischen wieder stark erhöht. Indiz dafür ist der Anstieg der Kurse an den internationalen Aktienmärkten, aber auch der Rückgang der Risikoaufschläge auf Unternehmensanleihen und auf Staatsanleihen von Schwellenländern. In der Realwirtschaft machen sich außerdem zunehmend die anregenden Wirkungen der staatlichen Konjunkturprogramme bemerkbar.
Allerdings zeigt die Erfahrung früherer wirtschaftlicher Schwächephasen, dass Rezessionen, die mit Banken- und Immobilienkrisen einhergingen, zumeist nur langsam überwunden wurden. Daher rechnen die Institute damit, dass die konjunkturelle Dynamik im kommenden Jahr weltweit mäßig bleibt. Denn die Probleme im internationalen Finanzsystem sind noch nicht überwunden. Zudem kehren sich die günstigen Einflüsse der Energiepreisentwicklung auf Konsum und Unternehmensgewinne in den Industrieländern bei dem der Prognose zugrunde liegenden Ölpreis von 75 US-Dollar je Barrel im Jahr 2010 um. Ferner werden die finanzpolitischen Anregungen im Verlauf des kommenden Jahres nachlassen. Schließlich hat sich in vielen Ländern die Beschäftigung noch nicht an die deutlich verringerte Produktion angepasst. Dort wird die Arbeitslosigkeit selbst bei einer spürbaren Expansion der Produktion wohl noch geraume Zeit steigen, was die Zunahme der verfügbaren Einkommen und der Binnennachfrage dämpfen dürfte.
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Russland: Transformationsopfer oder Finanzkrisenopfer?
Marina Grusevaja
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 8,
2009
Abstract
Die Weltfinanzkrise hat Schwächen des russischen Wirtschaftssystems offenbart, die mit dem Weg der Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft in Zusammenhang stehen und nicht allein auf einen Verfall der Rohölpreise zurückzuführen sind. Die Engpässe bei der Kreditvergabe aufgrund der weltweit gesunkenen Liquidität treffen in Russland noch auf eine besonders hohe kurzfristige Direktverschuldung der Privatunternehmen im Ausland und auf eine einseitige wirtschaftspolitische Orientierung auf die Förderung der Rohstoffindustrie sowie der rohstoffnahen Industriezweige. Bis Mitte 2008 hatte die Auslandsverschuldung der privaten Banken und Nicht-Banken kräftig zugenommen und die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von den Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten erheblich verstärkt. Diese neue Abhängigkeit verstärkte die Anfälligkeit der Ex-porteinnahmen für die sinkenden Preise auf den Rohstoffmärkten. Die jüngste Abwertung des Rubel hat das Problem der Direktverschuldung noch verschärft. Die hohe Direktverschuldung des Unternehmenssektors im Ausland und die Abhängigkeit von Rohstoffexporten sind typische Ergebnisse des russischen Transformationswegs. Denn zum einen ist der Bankensektor nicht in der Lage, den Finanzierungsbedarf des Unternehmenssektors außerhalb der Rohstoffindustrien zu finanzieren, sodass die Unternehmen kurzfristig ins Ausland ausweichen müssen. Zum anderen hat die wirtschaftspolitische Strategie der vergangenen 17 Jahre den Einfluss des Staates auf den Rohstoffsektor wieder verstärkt – mit dem Ziel, diesen Sektor vorrangig auszubauen. Die hohe Marktkonzentration wirkt sich daher negativ auf die Anpassungsfähigkeit und -flexibilität des realwirtschaftlichen Sektors in Krisenzeiten aus. Die gegenwärtige Politik der Regierung ist kurzfristig orientiert und zielt auf direkte Finanzhilfen sowie protektionistische Maßnahmen ab. Ihre langfristigen Effekte könnten allerdings in einem stärkeren Eingriff des Staates in die Wirtschaft liegen. Vor diesem Hintergrund wird die Krise in Russland länger andauern als in den anderen Transformationsländern.
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19.08.2009 • 51/2009
Schwere der Finanzkrise in Russland vor allem der Transformation geschuldet
Die Schwächen der russischen Wirtschaftsstruktur, die momentan durch die Weltfinanzkrise offenbart werden, sind zum größten Teil dem spezifischen Transformationsweg des Landes zuzuschreiben – die Schwere der Krise hängt mit den Folgen der Transformation eines rohstoffreichen Landes, aber eines mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen, von der Plan- hin zu einer Marktwirtschaft zusammen. Allzu schnell lassen sich diese Schwächen auch nicht beheben. Das zeigt eine Studie von Marina Gruševaja vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), die am Mittwoch veröffentlicht wird.
Marina Grusevaja
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Editorial
Axel Lindner
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 6,
2009
Abstract
Laien ist die Ratio wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Eindämmung der Finanzkrise oft nur schwer zu vermitteln. Ein Beispiel dafür sind die Mitte Mai von der Bundesregierung beschlossenen Eckpunkte für das geplante Konsolidierungs- oder „Bad“-Bank-Modell. Kaum geringere Verständnisschwierigkeiten haben damit freilich auch geschulte Ökonomen. Welches Problem angegangen werden soll, ist immerhin klar: Die Finanzmarktkrise droht nach wie vor, die Kreditversorgung der Wirtschaft zu drosseln. Denn die Banken müssen damit rechnen, weiterhin in erheblichem Umfang Abschreibungen auf ihr Portfolio aus strukturierten Wertpapieren vornehmen zu müssen. Das zur Absicherung dieser Risiken zu hinterlegende Eigenkapital steht den Banken dann nicht mehr für die Kreditvergabe zur Verfügung. Die Eckpunkte des Bad-Bank-Modells sehen nun vor, dass den Finanzinstituten die Möglichkeit gegeben wird, die Problem-Papiere aus ihren Bankbilanzen in institutsspezifische Zweckgesellschaften (bad banks) auszulagern. Im Gegenzug erhalten sie von den Zweckgesellschaften herausgegebene Schuldverschreibungen. Durch die staatliche Garantie dieser Titel erledigt sich der Abschreibungsbedarf.
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Zum Zusammenhang zwischen der Verschuldung der Bundesländer und ihren finanziellen Handlungsspielräumen
Sabine Freye
IWH Discussion Papers,
Nr. 12,
2009
Abstract
Die Bundesländer haben sowohl einnahmen- als aus ausgabenseitig nur eng begrenzte finanzielle Handlungsspielräume. Aus dieser Situation heraus resultierte ein seit Jahr¬zehnten zu beobachtender Anstieg der öffentlichen Schulden. Gegenwärtig steht die Verschuldung der Bundesländer aufgrund der Beschlüsse der Föderalismuskommission II vom März 2009 erneut im Mittelpunkt des Interesses. Die Schuldenbremse beinhaltet die schrittweise erfolgende Rückführung der strukturellen Defizite sowie ein strukturelles Netto-neuverschuldungsverbot der Länder ab dem Jahr 2020. Auf kurze Sicht bedeuten diese Regelungen für die Mehrzahl der Länder eine Einschränkung ihrer finanziellen Hand-lungsspielräume. Der vorliegende Beitrag untersucht, inwieweit diese Spielräume zum gegenwärti¬gen Zeitpunkt in den einzelnen Ländern bestehen. Hierfür werden die Kreditmarkt-schulden je Einwohner sowie die Zins-Steuer- und Zins-Ausgaben-Quoten der Länder betrachtet. Es zeigt sich, dass die fünf Länder, die ab dem Jahr 2010 Konsolidierungs-zahlungen zum Abbau ihrer strukturellen Defizite erhalten werden, im Jahr 2006 im Länder-vergleich zumeist die geringsten finanziellen Handlungsspielräume aus¬wiesen. Die höchsten Belastungen verzeichneten die Stadtstaaten Berlin und Bremen.
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Kommunale Unternehmen als Schattenhaushalte – Wie sieht die tatsächliche Haushaltssituation der deutschen Kommunen aus?
Peter Haug
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 5,
2009
Abstract
Die Verlagerung kommunaler Aufgaben aus dem Kernhaushalt auf kommunale Unternehmen verzerrt immer mehr die Wahrnehmung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kommunen in Deutschland. Überangebot- und -nachfrage bei öffentlichen Leistungen als Folge dieser „Fiskalillusion“ sind eine mögliche Gefahr jener Entwicklung. Der Beitrag versucht daher, am Beispiel der kreisfreien Städte durch die simultane Analyse ausgewählter Kennzahlen für Kernhaushalt und kommunale Unternehmen eine differenziertere Darstellung der Haushaltssituation zu leisten. Außerdem werden die methodischen Probleme derartiger Berechnungen verdeutlicht. Unter Berücksichtigung dieser Nebenhaushalte erhöhen sich z. B. die Pro-Kopf-Einnahmen, -Investitionen und -Schulden im gesamtdeutschen Durchschnitt um ein Drittel bis 50%. Dagegen entfallen 75% der kommunalen Beschäftigten weiterhin auf den Kernhaushalt. Der Auslagerungsgrad der Ausgaben für bestimmte freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben ist mit durchschnittlich 22% zwar noch relativ gering, doch zeichnet sich auch hier eine steigende Tendenz ab. Die Untersuchung liefert zudem Hinweise auf signifikante Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Städten. Dazu zählen die größere Ertragskraft kommunaler Unternehmen sowie die höhere Pro-Kopf-Verschuldung und die höheren Ausgaben in den Bereichen Kultur, Sport, Freizeit und Wissenschaft in Ostdeutschland. Bei der Ergebnisinterpretation sind allerdings gewisse Unzulänglichkeiten der amtlichen Statistik zu beachten. So ist beispielsweise keine vollständige Bereinigung um interne Zahlungsströme möglich. Außerdem können indirekte kommunale Mehrheitsbeteiligungen sowie die kommunalen Sparkassen nicht berücksichtigt werden. Insgesamt bleibt abzuwarten, ob die eingeleiteten Reformen zur Einführung der Doppik im kommunalen Haushaltswesen helfen, dem Idealziel eines aussagefähigen „Konzernabschlusses“ für den „Konzern Stadt“ näherzukommen.
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Investitionen der öffentlichen Hand in die Zukunft: Ja! Die Konjunktur aber retten sie nicht mehr!
Hans-Ulrich Brautzsch, Brigitte Loose, Udo Ludwig
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 3,
2009
Abstract
Die Finanzmarktkrise hat die deutsche Wirtschaft in eine tiefe Rezession gestürzt. Ausschlaggebend ist ein starker Einbruch der Nachfrage aus dem Ausland, der auf die Unternehmensinvestitionen übergesprungen ist. Die deutsche Bundesregierung hält mit zwei Konjunkturpaketen dagegen. Gemäß einer Analyse des IWH umreißt deren investiver Teil ein konjunkturstabilisierendes Volumen von 25,3 Mrd. Euro. Damit werden hauptsächlich die Ausgaben des Bundes, der Länder und der Kommunen für Infrastruktur und Bildung aufgestockt. Zusätzliche Sachinvestitionen der Privaten sind hingegen kaum zu erwarten, Mitnahmeeffekte jedoch schon. Einschließlich der damit induzierten Einkommenszuwächse aus den mit diesen Ausgaben gesicherten Arbeitsplätzen bedeutet dies allenfalls rund einen Wachstumspunkt des Bruttoinlandsprodukts bzw. den Erhalt von 400 000 Beschäftigungsverhältnissen. Die Effekte verteilen sich auf zwei Jahre: 0,4 Prozentpunkte in diesem und 0,7 im kommenden Jahr. Insgesamt entfällt je ein Viertel auf Bauarbeiten und unternehmensnahe Dienstleistungen. Auch in den Produktionsbereichen Handel und Verkehr, Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Elektrotechnik wird die Produktion gestützt.
Insgesamt stellen die mit der Input-Output-Analyse gewonnenen Modellergebnisse eine Obergrenze der konjunkturstabilisierenden Effekte der investiven Ausgaben aus den Konjunkturpaketen dar. So könnte die Absorptionsfähigkeit der Impulse durch die Wirtschaft insbesondere im Baubereich geringer sein als hier geschätzt. Ein Teil des erwarteten Mengeneffekts bliebe aus, wenn Knappheitsverhältnisse entstehen, die in kräftige Preisanstiege münden. Auch dürfte die Erfüllung des Kriteriums der Zusätzlichkeit bei der Mittelbewilligung für kommunale Investitionen nach einer drei Jahre währenden Phase des Anstiegs schwierig werden.
Angesichts eines Prognosespektrums zwischen 2% und 5% Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009 mag die hier ermittelte Gegenwirkung durch die Konjunkturpakete gering erscheinen. Dem starken Nachfrageeinbruch aus dem Ausland und seinen Folgen für die Inlandsnachfrage kann wohl mit den Instrumenten der nationalen Wirtschaftspolitik nicht entschieden begegnet werden.
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Mittelfristige Wirtschaftsentwicklung und öffentliche Finanzen
Kristina vanDeuverden, Rolf Scheufele
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 1,
2009
Abstract
Die derzeitige Lage der Weltwirtschaft ist von gravierender Unsicherheit gekennzeichnet. Ein Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität hat stattgefunden; wie lang und wie schwer die Rezession aber sein wird, ist nicht leicht einzuschätzen. Gerade in dieser Situation ist eine Projektion der konjunkturellen, noch mehr aber der wirtschaftlichen Entwicklung in der mittleren Frist schwierig.
Allerdings müssen wirtschaftliche und politische Entscheidungen nicht nur in einfachen Zeiten getroffen werden. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Grundtendenz ist eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Auch die Lage der öffentlichen Haushalte und ihre Veränderung über die Zeit sind von grundlegender Bedeutung. Zwar werden neue politische Maßnahmen die Projektion schnell veralten lassen, dennoch ist sie eine hilfreiche Bestandsaufnahme im Vorfeld weiterer Beschlüsse.
In der hier vorgelegten Projektion ist angenommen, dass es gelingt, das Finanzsystem zu stabilisieren, und dass sich bis zum Ende des Projektionszeitraums bremsende Einflüsse auf die Realwirtschaft zurückgebildet haben werden.
Unter dieser Bedingung wird das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2009 um 1,9% sinken. In den Jahren 2010 bis 2013 wird es allerdings mit durchschnittlich 1½% wieder spürbar zulegen. Erste Impulse werden dabei vom Außenhandel ausgehen, später wird die wirtschaftliche Dynamik vor allem von der Inlandsnachfrage getragen werden.
Die Lage der öffentlichen Haushalte wird sich im Gefolge der Finanzkrise deutlich verschlechtern. Neben direkten Auswirkungen der Finanzkrise auf die öffentlichen Haushalte – so der „Schutzschirm“ für die Banken – werden vor allem die realwirtschaftlichen Folgen die Haushalte belasten. Insbesondere wenn die Rezession auf den Arbeitsmarkt übergegriffen hat, werden Mehrausgaben und Mindereinnahmen die Defizite anschwellen lassen. Außerdem sind bereits Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur verabschiedet worden, die sich belastend auf die Budgets auswirken.
Nach der hier vorgestellten Projektion wird der öffentliche Gesamthaushalt bis zum Ende des Projektionszeitraums deutliche Defizite aufweisen, allerdings wird die Defizitgrenze des Maastrichter Vertrags nicht überschritten.
Das IWH legt in diesem Winter zum ersten Mal eine Projektion der mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung vor. Die methodischen und theoretischen Grundlagen sind in einem Sonderkapitel am Ende des Beitrags ausführlich dargelegt.
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Konjunktur aktuell: Aufschwung stockt: Warten auf die „zweite Luft“
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 1,
2008
Abstract
In den Industrieländern kühlt sich die Konjunktur zum Ende des Jahres 2007 spürbar ab. Hauptgrund der Eintrübung ist die erneute Zuspitzung der Lage auf den internationalen Finanzmärkten, deren Hintergrund eine weitere Verschärfung der US-Immobilienkrise ist. Überraschend hohe Abschreibungen großer Banken haben jüngst deutlich gemacht, daß die Krise der Märkte für hypothekenbesicherte Titel noch nicht am Abklingen ist. Die Finanzmarktturbulenzen bringen nicht nur erhöhte Liquiditätsrisiken mit sich, auch die Eigenkapitalquoten sind zum Teil schon gesunken. Die drohende Verschlechterung der Bilanzpositionen von Banken in den USA und in Europa hat sich bereits im Herbst in einer Verschärfung der Kreditkonditionen niedergeschlagen. In der Folge wird sich im nächsten Jahr die Kreditschöpfung deutlich verlangsamen; die Güternachfrage wird dadurch spürbar gedämpft. Der Aufschwung in den Industrieländern wird sich im Jahr 2008 aber auch wegen der Kaufkraftverluste der Verbraucher aufgrund der neuerlich stark gestiegenen Preise für Energie und auch für Lebensmittel nicht fortsetzen. Freilich kommt es auch nicht zu einer Rezession. Wirtschaftspolitische Eingriffe werden in den USA die schlimmsten Auswirkungen der Immobilienkrise abfedern, und die Weltfinanzmärkte werden schon gegenwärtig davon gestützt, daß die Staatsfonds von Schwellenländern wie China von ihrer strikten Sicherheitsorientierung abrücken und langfristig renditeträchtigere Anlagen suchen. In den USA wird eine Rezession durch das Eingreifen der Wirtschaftspolitik, aber auch mit Hilfe von außenwirtschaftlichen Impulsen dank des schwachen Dollar verhindert. In der Europäischen Union sind die konjunkturellen Risiken für Großbritannien besonders hoch. Der wirtschaftlichen Entwicklung im Euroraum helfen die günstige Ertragslage der Unternehmen und strukturelle Verbesserungen auf den Arbeitsmärkten dabei, die Belastungen durch Finanzmarktturbulenzen und durch die Aufwertung des Euro im Lauf des Jahres 2008 zu bewältigen. In den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsländern dämpft die weltwirtschaftliche Verlangsamung die Wachstumsdynamik nur wenig. Die Risiken sind freilich überall beträchtlich. So steht die Kommunikationsstrategie der Zentralbanken in den USA und im Euroraum vor einer besonderen Herausforderung: Die Inflationsraten in den beiden Währungsräumen werden die längste Zeit des Jahres 2008 deutlich über der von der Geldpolitik implizit oder explizit angestrebten Teuerung von etwa 2% liegen. Die Zentralbanken werden darauf nicht mit einer Verschärfung ihres geldpolitischen Kurses reagieren und müssen die Öffentlichkeit davon überzeugen, daß sie das Ziel der Preisniveaustabilität trotzdem im Auge behalten. Wenn das nicht gelingt, droht ein Rückfall in die makroökonomischen Turbulenzen der siebziger und achtziger Jahre. Im Unterschied zu den angelsächsischen Ländern scheint Deutschland bislang wenig in die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten verwickelt zu sein. Gleichwohl hat sich das konjunkturelle Umfeld eingetrübt. Die Expansion der für Deutschland wichtigen Außenmärkte hat sich verlangsamt, und die Bedingungen der Kreditvergabe haben sich verschärft. Hinzu kommt, daß sich die Binnennachfrage im Jahr 2008 nicht so kräftig entwickelt wie bisher erwartet. Beschäftigung und Erwerbseinkommen steigen zwar, der Einkommenszuwachs hat jedoch einen großen Teil der privaten Haushalte noch nicht erreicht. Außerdem befindet sich die Teuerung auf einem Stand, bei dem Einkommen und Konsum in realer Rechnung zurückbleiben.
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Privatisierung kommunaler Leistungen – Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für die Entstaatlichung kommunaler Leistungen
Peter Haug
Demographie als Herausforderung für den öffentlichen Sektor,
2008
Abstract
In diesem Beitrag wurde versucht, Antworten auf die Frage zu finden, ob der u. a. infolge des demographischen Wandels gestiegene Kostendruck für die deutschen Kommunen durch die Privatisierung kommunaler Leistungsangebote gemildert werden kann. Als normativer Referenzrahmen wurde dabei die Theorie des Marktversagens und der Transaktionskostenansatz herangezogen. Eine Bewertung des aktuellen kommunalen Aufgabenspektrums zeigt, dass zwar in vielen Fällen Marktversagenstatbestände vorliegen, die staatliche Markteingriffe nötig machen. Allerdings erfordert dies nicht notwendigerweise, z. B. wegen des in der Praxis vielfach beobachteten „Staatsversagens“, auch eine kommunale Bereitstellung und Produktion. Bei vielen freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben erscheint daher eine weitgehende Privatisierung unter Effizienzgesichtspunkten zumindest unproblematisch. Für die Selbstverwaltungsaufgaben des übertragenen Wirkungskreises stellt sich dagegen – wegen der Unmöglichkeit der Übertragung der Aufgabenverantwortung an Private – derzeit vor allem die Frage nach Eigenproduktion oder Fremdbezug. Zentral für die Auslagerungsentscheidung ist dabei neben der Höhe der potentiellen Transaktionskosten eine hinreichende Wettbewerbsintensität auf den fraglichen Gütermärkten. Wettbewerbsintensität kann – bei entsprechender Teilbarkeit der Produktionsprozesse – durch Vergabe der Leistungen an mehrere Auftragnehmer gesichert werden, notfalls auf Kosten möglicher Größenvorteile. Die exemplarisch ausgewerteten Befunde nationaler und internationaler empirischer Untersuchungen zeigen tendenziell, dass vor allem in kommunalen Bereichen mit niedrigen Transaktionskosten (Müllabfuhr, Reinigungsleistungen) Effizienzgewinne durch Outsourcing möglich sind, sofern eine gewisse Wettbewerbsintensität auch nach der Auslagerung gewährleistet ist. Demgegenüber lassen sich z. B. für die Wasserwirtschaft (hohe Transaktionskosten, Unmöglichkeit eines Wettbewerbs „im Markt“) keine generellen Effizienzvorteile privater gegenüber öffentlichen Unternehmen belegen. Hier wird es vom jeweiligen Einzelfall abhängen, ob eine Privatisierung der Produktion zu Kostenentlastungen für die Kommune führt.
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