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Regionale Wachstums- und Beschäftigungseffekte professioneller Fußballvereine – Eine europäische Analyse

Steigt ein Fußballverein ab, leiden die Fans. Leidet auch die Region? Der Beitrag nutzt abstiegsbedingte Änderungen in der räumlichen Verteilung der Vereine in vier großen europäischen Profifußballligen, um den kausalen Effekt des Abstiegs eines Erstligavereins auf das regionale Beschäftigungs- und Wirtschaftswachstum zu testen. Die Ergebnisse zeigen signifikant negative kurzfristige Effekte eines Abstiegs auf die Entwicklung der regionalen Beschäftigung und der Bruttowertschöpfung in sportbezogenen Wirtschaftszweigen. Darüber hinaus finden sich negative Auswirkungen auf das gesamte regionale Beschäftigungswachstum.

13. December 2018

Authors Matthias Brachert

Das Ausmaß regionaler Effekte eines Abstiegs

Im nächsten Schritt analysieren wir die sektoralen Auswirkungen eines Abstiegs in der Region. Die Cambridge-Econometrics-Daten liefern Informationen zur Anzahl der Beschäftigten und der Bruttowertschöpfung im Aggregat der Sektoren Handel, Gastronomie und Beherbergungen sowie Transport.

Diese Sektoren weisen direkte Bezüge zu Fußballaktivitäten bzw. Sportgroßveranstaltungen auf. Wir folgen Fedderson und Maennig,15 die zeigen, dass die Effekte von Sportgroßveranstaltungen überwiegend zeitlich begrenzt, außerdem räumlich sowie sektoral konzentriert auftreten. Die Analyse der Effekte eines Abstiegs bestätigt dieses Ergebnis. Die Abbildungen 2 und 3 verdeutlichen Unterschiede in der sektoralen Entwicklung der Beschäftigung (Abbildung 2) und der Bruttowertschöpfung (Abbildung 3) in fußballrelevanten Sektoren in den beiden Jahren nach Abstieg eines Vereins aus der ersten Liga. Die Effekte fallen mit durchschnittlich –2,7% (sektorale Beschäftigung) und –3,0% (sektorale Bruttowertschöpfung) deutlich negativ aus.

Abbildung 4 geht über die Betrachtung sektoraler Effekte hinaus und überprüft die Existenz gesamtregionaler Beschäftigungseffekte. Die Hypothese ist hier die oftmals vorzufindende Aussage, dass insbesondere in kleineren Regionen von Fußballbundesligisten auch regionale Entwicklungsimpulse ausgehen können. Abbildung 4 verdeutlicht, dass dies zumindest für kurzfristige regionale Beschäftigungseffekte zutrifft. So finden sich im Rahmen der Analyse negative Effekte in Höhe von 1,3%. Negative Effekte auf die gesamte regionale Bruttowertschöpfung lassen sich jedoch nicht nachweisen.

Abstieg trübt regionale Entwicklung – sektorale Effekte dominieren

Die Ergebnisse zeigen, dass professionelle Sportvereine bzw. Sportgroßveranstaltungen durchaus in der Lage sind, regionale Entwicklungsimpulse auszuüben. Heutige Profifußballclubs stellen zunehmend mittlere bis große Unternehmen dar, deren Bedeutung für Regionen in Anbetracht der weiter ansteigenden Finanzströme im Profifußballbereich zunehmen dürfte. Der durch den Profisport induzierte regionale Effekt stellt sich jedoch primär in mit dem Fußball verbundenen Wirtschaftszweigen ein. Dabei ist zu beachten, dass die Produktivität der in den Regionen durch den Sport geschaffenen oder im Fall des Abstiegs vom Verlust bedrohten Arbeitsplätze oftmals niedrig ausfällt. Dies sollte in Strategien zur sportinduzierten Entwicklung (z. B. für diverse Sportstädte in Deutschland) Beachtung finden, um ungewollte Nebeneffekte zu vermeiden.

Endnoten

1 Vgl. Neale, W.: The Peculiar Economics of Professional Sports: A Contribution to the Theory of the Firm in Sporting Competition and in Market Competition, in: The Quarterly Journal of Economics, Vol. 78 (1), 1964, 1–14.

2 Vgl. Szymanski, S.; Valletti, T. M.: Promotion and Relegation in Sporting Contests, in: Rivista di Politica Economica, Vol. 95 (3), 2006, 3–39.

3 Vgl. Rosen, S.: The Economics of Superstars, in: American Economic Review, Vol. 71 (5), 1981, 845–858.

4 Vgl. die Website www.fernsehgelder.de.

5 Vgl. Borland, J.; MacDonald, R.: Demand for Sports, in: Oxford Review of Economic Policy, Vol. 19 (4), 2003, 478–502.

6 Brachert, M.: The Regional Effects of Professional Sports Franchises – Causal Evidence from Four European Football Leagues. IWH-Diskussionspapiere 10/2018. Halle (Saale) 2018.

7 Alle betrachteten Ligen besitzen Abstiegsregelungen. Das Vorgehen führt zu 1202 Beobachtungen (Regionen mit Erstligaclub(s) in einem bestimmten Jahr) und 218 Abstiegen. Im Beobachtungszeitraum finden sich insgesamt 151 Clubs in 128 NUTS3-Regionen. Von den Regionen erfuhren 23 keinen Abstieg. 43 erlebten einen Abstieg, 36 Regionen zwei, 12 Regionen drei und 14 Regionen mehr als drei Abstiege.

8 Vgl. https://www.camecon.com/european-regional-data/.

9 In Deutschland entspricht dies der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte.

10 Vgl. Simmons, R.: The Demand for English League Football: A Club-level Analysis, in: Applied Economics, Vol. 28 (2), 1996, 139–155. Coates, D.; Humphreys, B. R.: The Economic Consequences of Professional Sports Strikes and Lockouts, in: Southern Economic Journal, Vol. 67 (3), 2001, 737–747.

11 Siehe etwa AC Arles-Avignon in der Saison 2010/2011, AFC Sunderland 2002/2003, Derby County 2007/2008 oder auch FBC Unione Venezia in der Saison 2001/2002.

12 Vgl. Lee, D. S.; Lemieux, T.: Regression Discontinuity Design in Economics, in: Journal of Economic Literature, Vol. 48 (2), 2010, 281–355.

13 Die Daten mehrerer Jahre werden aggregiert.

14 Vgl. Brachert, M., a. a. O.

15 Vgl. Feddersen, A.; Maennig, W.: Sectoral Labour Market Effects of the 2006 FIFA World Cup, in: Labour Economics, Vol. 19 (6), 2012, 860–869, und dieselben: Mega-Events and Sectoral Employment: The Case of the 1996 Olympic Games, in: Contemporary Economic Policy, Vol. 31 (3), 2013, 580–603.

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