Kann sich eine Olympia-Bewerbung Deutschlands 2040 wirtschaftlich auszahlen?

Deutschland wird sich um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele im Jahr 2040 bewerben. Das Bundeskabinett hat Ende Juli 2024 per Kabinettsbeschluss der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und beteiligten Städten und Bundesländern zugestimmt. Bundesinnen- und Sportministerin Nancy Faeser plant die Unterzeichnung einer Absichtserklärung am 2. August am Rande der Olympischen Spiele in Paris. Was bei einer möglichen Olympia-Bewerbung Deutschlands für 2040 wirtschaftlich beachtet werden sollte, klären wir im Interview mit Professor Dr. Oliver Holtemöller, Vize-Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und hier Leiter der Abteilung Makroökonomik.

Interviews Sportgroßveranstaltungen

Herr Professor Holtemöller, Sie haben die wirtschaftlichen Effekte von Sportgroßveranstaltungen untersucht. Was sind Ihre Erkenntnisse hieraus: Können sich diese gesamtwirtschaftlich lohnen?

Oliver Holtemöller: Studien zu bisherigen Olympischen Spielen finden in der Regel keine signifikanten positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte. Den positiven Effekten in einigen Branchen stehen Substitutions- und Verdrängungseffekte in anderen Bereichen gegenüber. Einzelne Branchen wie etwa das Gastgewerbe profitieren vor allem von höheren Preisen, während der reale (preisbereinigte) Umsatz deutlich weniger zunimmt. In manchen Fällen kommt es zu positiven langfristigen Effekten, weil neue Infrastruktur errichtet oder bestehende erweitert wurde und langfristig eine entsprechende Nutzung stattfindet. Das war zum Beispiel in Barcelona 1992 und in Salt Lake City 2002 der Fall. Dort gibt es langfristig mehr Touristen als vor den Spielen. Außerdem kommt es in den ein bis zwei Jahren vor den Spielen zu einer erhöhten Bauaktivität an den Austragungsorten, auch diese ist auf nationaler Ebene allerdings nicht unbedingt zusätzliche Aktivität, sondern bestehende Kapazitäten werden entsprechend umgelenkt. Für die Gesamtbilanz ist auch zu berücksichtigen, dass die Organisatoren die Kosten der Austragung im Vorfeld jeweils erheblich unterschätzen.

Sie erwähnen Barcelona: Gerade in dieser Stadt gibt es ja derzeit Proteste gegen zu viel Tourismus, der hier unter anderem zu stark steigenden Ausgaben für Mieten geführt hat. 

Ich denke, dass für diese Entwicklung in Barcelona nicht nur Olympia verantwortlich ist. Die Verbesserung der Infrastruktur dort hat auch den Einheimischen nachhaltig geholfen. Aber man muss genau schauen, welche Regionen man durch eine Teilnahme an Sportgroßveranstaltungen fördern möchte und was das sowohl im Erfolgsfalle als auch im Falle eines Misserfolgs bedeutet. Solche Misserfolge mit später leerstehenden Stadien etc. gibt es ebenfalls. Olympische Spiele leben auch von der Begeisterung der Einheimischen: Ohne eine breite Unterstützung in der Bevölkerung ist ein ökonomischer Erfolg unwahrscheinlich.

Was ist ökonomisch betrachtet der Unterschied zwischen einer Fußball-Meisterschaft und den Olympischen Spielen?

Bei einer EM oder WM verteilen sich die Effekte oft auf verschiedene Austragungsorte, wie dieses Jahr in Deutschland. Außerdem ist aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Sportarten bei Olympischen Spielen das weltweite Interesse noch größer. Ökonomisch kommen aber im Wesentlichen die gleichen Mechanismen zum Tragen: erhöhte lokale Bauaktivität im Vorfeld (unter Umlenkung von Kapazitäten), hohe Preise und Verdrängungseffekte während der Austragung. Langfristige Niveaueffekte im Nachhinein entstehen aber nur im Ausnahmefall.

Gab es solche Niveaueffekte durch die Fußball-EM in Deutschland?

Ich denke, dass Deutschland ein guter Gastgeber war und wir weitgehend ein positives Bild des Landes vermitteln konnten. Leider wurden aber auch die Schwächen des Landes erneut sichtbar, darunter schlechte Internet-Verbindungen und Probleme im Nah- und Fernverkehr. International kann eine solche Infrastruktur abschreckend wirken, denn da gibt es Länder, die das besser machen. Unsere Konjunkturanalysen zeigen bislang auch keine messbare Wirkung der EM in Zahlen. Und das wird ebenfalls deutlich, wenn man in einzelne Bereiche blickt. Beispielsweise die Bahn: Obwohl es zu vermehrten Reisen durch Fußball-Fans kam, fuhr sie im ersten Halbjahr 2024 einen Milliardenverlust ein. Dafür gab es andere Gründe als Fahrgastzahlen – aber es zeigt, dass man strukturelle Probleme nicht durch Einmalveranstaltungen beheben kann. Ähnlich im Einzelhandel: Obschon die Fußball-EM in Deutschland stattfand, verschlechterte sich das Konsumklima im Einzelhandel in dieser Zeit. Auch hier zeigt sich: Es gibt deutlich größere Mechanismen als Sportgroßveranstaltungen, und eine Meisterschaft oder Olympische Spiele können nicht davon entbinden, die wirtschaftlichen Hausaufgaben richtig zu machen.

Also würde die deutsche Wirtschaft auch künftig nicht von Olympischen Spielen profitieren können?

Ja, im Ganzen betrachtet wären die Vorteile für die deutsche Wirtschaft durch Olympische Spiele tatsächlich wohl kaum relevant. Denn erstens erleben nur einzelne Branchen wie Hotels, Gastronomie und das Baugewerbe eine Sonderkonjunktur. Anders als bei einer Fußball-Meisterschaft würden auch die Sportartikelhersteller kaum profitieren, da es bei Olympischen Spielen und den Paralympischen Spielen weniger um den Verkauf von Fanartikeln geht. Zweitens dauern die Olympischen Spiele nur ein paar Wochen – das ist nur ein kleiner Teil des gesamten Wirtschaftsjahrs. Andere Faktoren wie Konjunktur, Beschäftigung oder Leitzinsen spielen da eine deutlich wichtigere Rolle. Drittens führen solche Großereignisse auch zu Verdrängungseffekten, bei denen Konsumausgaben nur umgeschichtet werden. Statt etwas länger bleibender Besucherfamilien für einen Urlaub in Deutschland sind die Olympia-Besucher beispielsweise eher kürzer im Land. Die Ausrichtung Olympischer Spiele ist kein gesamtwirtschaftlicher Impuls. Darum geht es auch nicht, aber vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass die Zahl der Bewerbungen für die Austragung von Olympia in den letzten Runden rückläufig war.

Nun haben wir in Deutschland ja einen ausgeprägten Wohnungsmangel. Könnte man Olympische Spiele nicht zum Anlass nehmen, wenigstens in einer Region den Wohnungsmangel zu beheben, indem man olympische Dörfer baut, die dann später als Wohnungen dienen?

Aktuell fehlen in Deutschland zwischen einer halben und einer Million Wohnungen. Das Olympische Dorf in Paris bietet gerade einmal 10.000 Menschen Unterkunft, also umgerechnet sind das vielleicht etwa 3.000 Wohnungen. Sie müssten also 100 Pariser Olympische Dörfer bauen, um substanziell etwas zu ändern. Den eklatanten Wohnungsmangel kann man so eher nicht beheben. Nein, also ich denke, dass man auch hier sieht, dass man erstens dezentraler denken muss und zweitens die richtigen Stellschrauben bedient. Das sind unter anderem leichtere und schnellere Genehmigungsverfahren, weniger Bauvorschriften, Umwidmungen und steigende Nettoeinkommen. Man sollte wegkommen davon, von Einmalereignissen wie Sportgroßveranstaltungen zu träumen. Die makroökonomische Analyse bietet stattdessen genügend aussichtsreichere Politikansätze, zum Beispiel bei den Abgaben und im Bildungs- und Forschungswesen.

Die Fragen stellte Wolfgang Sender.


Zur PersonProf. Dr. Oliver Holtemöller

Prof. Dr. Oliver Holtemöller

Professor Dr. Oliver Holtemöller ist Stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und dort Leiter der Abteilung Makroökonomik.


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