Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2020: Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen
Bereits im ersten Quartal 2020 dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 1,9% geschrumpft sein. Im zweiten Quartal bricht es dann als Folge des Shutdowns um 9,8% ein. Dies ist der stärkste je seit Beginn der Vierteljahresrechnung im Jahr 1970 gemessene Rückgang in Deutschland und mehr als doppelt so groß wie jener während der Weltfinanzkrise im ersten Quartal 2009.
„Die Rezession hinterlässt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt und im Staatshaushalt“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „In der Spitze wird die Arbeitslosenquote in diesem Jahr auf 5,9% und die Zahl der Kurzarbeiter auf 2,4 Millionen hochschnellen.“ Im Durchschnitt werden die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum Vorjahr um knapp eine Viertelmillion auf 2,5 Millionen steigen.
„Deutschland bringt gute Voraussetzungen mit, den wirtschaftlichen Einbruch zu verkraften und mittelfristig wieder das wirtschaftliche Niveau zu erreichen, das sich ohne die Krise ergeben hätte“, sagt Wollmershäuser. Die günstige Finanzlage ermöglicht es dem Staat, weitgehende Maßnahmen zur Abfederung der kurzfristigen negativen Folgen für Unternehmen und private Haushalte zu ergreifen. Diese führen in diesem Jahr zu einem Rekorddefizit beim Gesamtstaat (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung) von 159 Mrd. Euro. Der Bruttoschuldenstand des Staates wird in diesem Jahr auf 70% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt steigen.
Die mit dieser Prognose verbundenen Abwärtsrisiken sind erheblich. So könnte sich die Pandemie deutlich langsamer abschwächen als angenommen. Auch das Wiederhochfahren der wirtschaftlichen Aktivität könnte schlechter gelingen und eine erneute Ansteckungswelle auslösen. Zudem könnten weitere Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung in Kraft treten, die die Produktion länger oder in größerem Umfang stilllegen. Verwerfungen im Finanzsystem als Folge zuneh-mender Unternehmensinsolvenzen würden wahrscheinlicher, die durch staat-liche Schutzschilde nicht verhindert werden könnten.
Die Gemeinschaftsdiagnose wird erarbeitet vom DIW in Berlin, vom ifo Institut in München, vom IfW in Kiel, vom IWH in Halle und vom RWI in Essen.
Langfassung des Gutachtens
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, Frühjahr 2020. München 2020.
Die Langfassung des Gutachtens ist auf der IWH-Website und unter www.gemeinschaftsdiagnose.de/category/gutachten/ abrufbar.
Über die Gemeinschaftsdiagnose
Die Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellt. Am Frühjahrsgutachten 2020 haben mitgewirkt:
- Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
- ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. in Kooperation mit der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich
- Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel)
- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
- RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien
Wissenschaftliche Anspechpartner
Dr. Claus Michelsen
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
Tel +49 30 89789 458
CMichelsen@diw.de
Professor Dr. Timo Wollmershäuser
ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.
Tel +49 89 9224 1406
Wollmershaeuser@ifo.de
Professor Dr. Stefan Kooths
Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel)
Tel +49 431 8814 579 oder +49 30 2067 9664
Stefan.Kooths@ifw-kiel.de
Professor Dr. Oliver Holtemöller
Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
Tel +49 345 7753 800
Oliver.Holtemoeller@iwh-halle.de
Professor Dr. Torsten Schmidt
RWI – Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung
Tel +49 201 8149 287
Torsten.Schmidt@rwi-essen.de
Ihr Kontakt
Für Wissenschaftler/innen
Für Journalistinnen/en
IWH-Expertenliste
Die IWH-Expertenliste bietet eine Übersicht der IWH-Forschungsthemen und der auf diesen Gebieten forschenden Wissenschaftler/innen. Die jeweiligen Experten für die dort aufgelisteten Themengebiete erreichen Sie für Anfragen wie gewohnt über die Pressestelle des IWH.
Zugehörige Publikationen
Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen: Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2020
in: Dienstleistungsauftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, 1, 2020
Abstract
Die Konjunktur in Deutschland bricht als Folge der Corona-Pandemie drastisch ein. Um die Infektionswelle abzubremsen, hat der Staat die wirtschaftliche Aktivität in Deutschland stark eingeschränkt. Deshalb dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 4,2% schrumpfen. Die Rezession hinterlässt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt und im Staatshaushalt. In der Spitze wird die Arbeitslosenquote auf 5,9% und die Zahl der Kurzarbeiter auf 2,4 Millionen hochschnellen. Die finanzpolitischen Stabilisierungsmaßnahmen führen in diesem Jahr zu einem Rekord defizit im gesamtstaatlichen Haushalt von 159 Mrd. Euro. Nach dem Shutdown wird sich die Konjunktur schrittweise erholen. Entsprechend fällt der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im kommenden Jahr mit 5,8% kräftig aus. Mit dieser Prognose sind erhebliche Abwärtsrisiken verbunden, etwa, weil sich die Pandemie deutlich langsamer abschwächen lässt, oder weil das Wiederhochfahren der wirtschaftlichen Aktivität schlechter gelingt als angenommen bzw. eine erneute Ansteckungswelle auslöst.