IWH-Insolvenztrend: Trendanstieg bei Insolvenzen gestoppt; Insolvenzwelle auch nach Rückkehr zur Antragspflicht unwahrscheinlich
Nach einer kräftigen Zunahme im März ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im April wieder gesunken. Laut IWH-Insolvenztrend wurden im April 769 Personen- und Kapitalgesellschaften als insolvent gemeldet. Damit lagen die Insolvenzen im April um mehr als 10% unter den Märzzahlen und auch deutlich unter dem Niveau des Vorjahresmonats
(vgl. Abbildung 1).
Die Analyse des IWH zeigt, dass die größten 10% der Unternehmen, deren Insolvenz im April gemeldet wurde, insgesamt knapp 7 400 Personen beschäftigen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Jobs in etwa auf dem Niveau der Vormonate, jedoch deutlich unter den Höchstständen im vergangenen Sommer (vgl. Abbildung 2).
Die vollständige Rückkehr zur Insolvenzantragspflicht zum
1. Mai 2021 schürt vielerorts Ängste vor einer Insolvenzwelle bei den Unternehmen. Diese Ängste sind aus Sicht des IWH jedoch unbegründet. „Eine Welle von Unternehmensinsolvenzen mit massiven Jobverlusten aufgrund der Rückkehr zur Insolvenzantragspflicht ist unwahrscheinlich“, erklärt Steffen Müller, der die Abteilung Strukturwandel und Produktivität und die dort angesiedelte Insolvenzforschung am IWH leitet. Der Hauptgrund liegt laut Müller darin, dass die verlängerte Aussetzung in erster Linie nur Branchen betraf, die für die so genannten November- und Dezemberhilfen des Bundes antragsberechtigt waren. Für alle anderen gilt die Antragspflicht bereits vollumfänglich seit 1. Januar. Zudem galt die Aussetzung nicht für Unternehmen, die auch mit staatlicher Hilfe insolvenzreif wären. Selbst wenn die Rückkehr zur Antragspflicht zu leicht erhöhten Insolvenzzahlen führen sollte, wären aufgrund der Branchenstruktur in erster Linie kleinere Unternehmen betroffen und die gesamtwirtschaftlichen Effekte sehr begrenzt.
Jenseits der im IWH-Insolvenztrend abgebildeten Gruppe der in der Regel größeren und daher gesamtwirtschaftlich relevanteren Personen- und Kapitalgesellschaften war seit Februar ein starker Anstieg bei den Insolvenzen von Kleinstunternehmen und Selbstständigen zu beobachten. Der Hauptgrund für diese Entwicklung dürfte der seit 1. Januar 2021 erleichterte Zugang zur Restschuldbefreiung für private Schuldner und Selbstständige sein. Diese Gesetzesänderung verringert für die Betroffenen die negativen Konsequenzen einer Insolvenz und hat nichts mit der Rückkehr zur Insolvenzantragspflicht im Mai zu tun. Aufgrund ihrer geringen Beschäftigtenzahl gingen in der Vergangenheit nur etwa 10% der Jobverluste bei Insolvenzen auf das Konto solcher Kleinstinsolvenzen. Allerdings führt eine explosionsartige Entwicklung bei den Kleinstinsolvenzen dazu, dass auch die Gesamtzahl der betroffenen Jobs relevante Größenordnungen erreicht. Vorläufige Auswertungen des IWH zeigen nun jedoch, dass sich der starke Anstieg bei den Kleinstinsolvenzen im April nicht fortgesetzt hat. Die gesamtwirtschaftliche Relevanz dieser Insolvenzen bleibt also begrenzt.
Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3). Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle, gehört das Institut bundesweit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.
Mehr zur IWH-Insolvenzforschungsstelle und zur Methodik hinter dem IWH-Insolvenztrend: www.iwh-halle.de/insolvenzforschung.
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