Konjunktur aktuell: Schwache Auslandsnachfrage – Abschwung in Deutschland
Gegenwärtig deutet vieles darauf hin, dass die neuerliche Verschärfung der amerikanischen Handelspolitik den Welthandel und die internationale Konjunktur schwächt. Auf chinesische Waren sollen neue Zölle erhoben werden, und der weltwirtschaftlich stark verflochtene IT-Sektor wird durch die Genehmigungspflicht von Geschäften mit wichtigen chinesischen Anbietern der Telekommunikationstechnik belastet. In der Folge haben sich die von den Finanzmarktteilnehmern wahrgenommenen Risiken gemessen an impliziten Volatilitäten wichtiger Aktienindizes deutlich erhöht, und Konjunktursorgen haben die Preise für wichtige Industriemetalle sowie für Erdöl sinken lassen. Mittlerweile erwarten die Finanzmärkte, dass die US-Notenbank den Leitzins im Herbst senken wird. Auch die Finanzpolitik ist vielerorts, etwa im Euroraum, in Großbritannien und in China, expansiv ausgerichtet. Dies gilt, wenngleich in schwindendem Maß, auch für die USA. Trotzdem dürfte der US-Aufschwung im Sommerhalbjahr zu Ende gehen, und für die Produktion im Euroraum ist für diesen Zeitraum mit einer Expansion unterhalb der Potenzialrate von knapp 1½% zu rechnen.
„Von der Schwäche des Welthandels ist die international stark vernetzte deutsche Industrie besonders betroffen“, so Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Der deutliche Rückgang der Industrieproduktion im April lässt erkennen, dass die Belebung vom Jahresanfang vor allem auf temporäre Faktoren zurückging und die Grundtendenz der Konjunktur weiterhin schwach ist. Auch die Auftragseingänge für das Verarbeitende Gewerbe sind im Trend rückläufig. Was die deutsche Konjunktur in diesem und wohl auch im nächsten Jahr stützen wird, ist die nach wie vor robuste Binnennachfrage. So bleibt der Zuwachs des privaten Konsums kräftig, denn die Einkommensentwicklung ist weiter positiv. Dazu trägt auch bei, dass von der Finanzpolitik in diesem Jahr ein expansiver Impuls im Umfang von 0,7% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt ausgeht. Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo geht im Jahr 2019 von 1,7% auf 1,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zurück, strukturell bleibt er mit 1,5% unverändert.
Deutliche Lohnsteigerungen lassen indes bei anhaltendem Beschäftigungsaufbau die Lohnstückkosten stark steigen. Hohe Preissteigerungen bleiben aber auf die Bauwirtschaft beschränkt, die auch wegen der geringen Finanzierungskosten weiter boomt.
Von der Schwäche des Welthandels ist die international stark vernetzte deutsche Industrie besonders betroffen
Die robuste Binnenkonjunktur lässt zusammen mit der schwächelnden Auslandsnachfrage den Außenbeitrag deutlich zurückgehen. Alles in allem liegt die Produktion nach vorliegender Prognose im Jahr 2019 um 0,5% höher als im Vorjahr, im Jahr 2020 steigt die Rate auch wegen der höheren Zahl an Arbeitstagen auf 1,8%. Der Auslastungsgrad der deutschen Wirtschaft nimmt deutlich ab, und die Produktionslücke dürfte im Jahr 2019 leicht negativ sein. Die ostdeutsche Wirtschaft expandiert in diesem Jahr um 0,8% und im Jahr 2020 um 1,7%.
Das Hauptrisiko für die Konjunktur in Deutschland und in der Welt besteht darin, dass die US-Regierung ihre Drohungen, weitere Handelshemmnisse vorzunehmen, in die Tat umsetzt.
Die Langfassung der Prognose enthält drei Kästen:
Kasten 1: Annahmen und Prognosen bezüglich der Rahmenbedingungen
Kasten 2: Zur Schätzung des Produktionspotenzials
Kasten 3: Zu den Konsequenzen der konjunkturellen Abkühlung für die Finanzpolitik
Langfassung:
Brautzsch, Hans-Ulrich; Claudio, João Carlos; Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Lindner, Axel; Müller, Isabella; Schultz, Birgit; Staffa, Ruben; Wieschemeyer, Matthias; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Schwache Auslandsnachfrage – Abschwung in Deutschland. Konjunktur aktuell, Jg. 7 (2), 2019. Halle (Saale) 2010.
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Zugehörige Publikationen
Konjunktur aktuell: Schwache Auslandsnachfrage – Abschwung in Deutschland
in: Konjunktur aktuell, 2, 2019
Abstract
Im Sommer 2019 deutet vieles darauf hin, dass die neuerliche Verschärfung der amerikanischen Handelspolitik den Welthandel und die internationale Konjunktur schwächt. Auf chinesische Waren sollen neue Zölle erhoben werden, und der weltwirtschaftlich stark verflochtene IT-Sektor wird durch die Genehmigungspflicht von Geschäften mit wichtigen chinesischen Anbietern der Telekommunikationstechnik belastet. Konjunktursorgen haben die Preise für wichtige Industriemetalle sowie für Erdöl sinken lassen. Mittlerweile erwarten die Finanzmärkte, dass die US-Notenbank ihren Leitzins im Herbst senken wird. Trotzdem dürfte der US-Aufschwung im Sommerhalbjahr zu Ende gehen, und für die Produktion im Euroraum ist für diesen Zeitraum mit einer Expansion unterhalb der Potenzialrate von knapp 1½% zu rechnen. Von der Schwäche des Welthandels ist die international stark vernetzte deutsche Industrie besonders betroffen. Der deutliche Rückgang der Industrieproduktion im April lässt erkennen, dass die Belebung vom Jahresanfang vor allem auf temporäre Faktoren zurückging und die Grundtendenz der Konjunktur weiterhin schwach ist. Was die deutsche Konjunktur in diesem und wohl auch im nächsten Jahr stützen wird, ist die nach wie vor robuste Binnennachfrage. So bleibt der Zuwachs des privaten Konsums kräftig, denn die Einkommensentwicklung ist weiter positiv. Dazu trägt auch bei, dass von der Finanzpolitik in diesem Jahr ein expansiver Impuls im Umfang von 0,7% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt ausgeht. Deutliche Lohnsteigerungen bei anhaltendem Beschäftigungsaufbau lassen die Lohnstückkosten stark steigen. Hohe Preissteigerungen bleiben aber auf die Bauwirtschaft beschränkt. Alles in allem liegt die Produktion nach vorliegender Prognose im Jahr 2019 um 0,5% höher als im Vorjahr, im Jahr 2020 steigt die Rate auch wegen der höheren Zahl an Arbeitstagen auf 1,8%. Die ostdeutsche Wirtschaft expandiert in diesem Jahr um 0,8% und im Jahr 2020 um 1,7%.