Konjunktur aktuell: Weltkonjunktur wieder etwas kräftiger – aber Deutschland zunächst weiter im Abschwung
Internationale Konjunktur
Seit Herbst 2019 gibt es Anzeichen für eine Entspannung in den Handelskonflikten der USA, zudem ist ein harter Brexit unwahrscheinlich geworden. Die jüngsten Produktionsdaten deuten allerdings noch nicht auf eine durchgreifende Besserung der internationalen Konjunktur hin. Auch weil die Preisdynamik in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zum Teil deutlich niedriger ist als von den Zentralbanken angestrebt, ist die Geldpolitik im Lauf des Jahres vielerorts noch einmal expansiver geworden. Wenn weitere Zollerhebungen im Wesentlichen ausbleiben, dürfte der Abschwung im Verarbeitenden Gewerbe um die Jahreswende 2019/2020 zu einem Ende kommen. Allerdings bleibt die Zukunft der politischen Rahmenbedingungen für den internationalen Handel unsicher. Das ist ein wichtiger Grund, warum mit einem kräftigen weltwirtschaftlichen Aufschwung für den Prognosezeitraum nicht zu rechnen ist. Zudem dürfte mit China der weltwirtschaftliche Wachstumsmotor der vergangenen 20 Jahre weiter Kraft verlieren.
Deutsche Konjunktur
Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter im Abschwung. Ursache ist im Wesentlichen die schwache Auslandsnachfrage nach Produkten des Verarbeitenden Gewerbes, bedingt durch die von den USA ausgehenden protektionistischen Tendenzen und den bevorstehenden Brexit. Zudem trifft die Verlagerung der chinesischen Nachfrage von Industriegütern in Richtung Dienstleistungen die deutschen Exporteure besonders. Als weiterer Faktor kommen die Probleme im Automobilbau hinzu, denn die Branche steht mit dem technologischen Schwenk zum Elektroantrieb am Beginn eines drastischen Strukturwandels. Im Jahr 2020 dürfte eine leichte Belebung der internationalen Konjunktur die Nachfrage nach Industriegütern und damit den deutschen Export wieder anziehen lassen. Auch wegen der seit einiger Zeit deutlich steigenden Lohnstückkosten wird der Anstieg aber nicht allzu hoch ausfallen. Auf der anderen Seite stabilisieren die recht deutlichen Lohnzuwächse die binnenwirtschaftliche Nachfrage. Zudem wirkt die Finanzpolitik weiter expansiv, und die sehr günstigen Finanzierungsbedingungen werden zusammen mit der Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen den Bauboom am Leben halten. „Alles in allem ist mit einer langsamen Belebung der deutschen Wirtschaft im Lauf des Jahres 2020 zu rechnen“, so Holtemöller. Die Verbraucherpreisinflation bleibt im gesamten Prognosezeitraum moderat, und die Beschäftigung nimmt nur noch wenig zu.
Das wichtigste Konjunkturrisiko ist eine erneute Zuspitzung der Handelskonflikte zwischen den USA und China oder der Europäischen Union. Zudem würde ein deutlicher Rückschlag bei den insbesondere in den USA und in Japan hohen Aktienbewertungen die weltweiten Finanzierungsbedingungen verschlechtern. Ein Risiko speziell für die deutsche Konjunktur besteht darin, dass der Strukturwandel in der Automobilindustrie mehr gutbezahlte Arbeitsplätze kostet und mehr Unternehmen aus dem Markt drängt, als hier unterstellt ist. Der Kaufkraftrückgang, der mit einer Krise des Automobilsektors verbunden wäre, könnte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Deutschland spürbar dämpfen.
Die Langfassung der Prognose (Konjunktur aktuell: Weltwirtschaft wieder etwas kräftiger – aber Deutschland zunächst weiter im Abschwung) enthält zwei Kästen:
Kasten 1: Gesamtwirtschaftliche Wertschöpfungseffekte des Rückgangs der Kfz-Produktion
Kasten 2: Zur Schätzung des Produktionspotenzials
Langfassung:
Brautzsch, Hans-Ulrich; Claudio, João Carlos; Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Lindner, Axel; Müller, Isabella; Schultz, Birgit; Staffa, Ruben; Wieschemeyer, Matthias; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Weltwirtschaft wieder etwas kräftiger – aber Deutschland zunächst weiter im Abschwung, in: IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 7 (4), 2019. Halle (Saale) 2019.
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Zugehörige Publikationen
Konjunktur aktuell: Weltwirtschaft wieder etwas kräftiger – aber Deutschland zunächst weiter im Abschwung
in: Konjunktur aktuell, 4, 2019
Abstract
Im Jahr 2020 zieht die Weltwirtschaft wieder etwas an, weil der Gegenwind von den Handelskonflikten nachlässt. Die jüngsten Produktionsdaten deuten allerdings noch nicht auf eine durchgreifende Besserung der internationalen Konjunktur hin. Auch wegen der niedrigen Preisdynamik ist die Geldpolitik im Lauf des Jahres vielerorts noch einmal expansiver geworden. Wenn weitere Zollerhebungen im Wesentlichen ausbleiben, dürfte der Abschwung im Verarbeitenden Gewerbe um die Jahreswende 2019/2020 zu Ende gehen. Allerdings bleibt die Zukunft der politischen Rahmenbedingungen für den internationalen Handel unsicher. Das ist ein wichtiger Grund, warum mit einem kräftigen weltwirtschaftlichen Aufschwung für den Prognosezeitraum nicht zu rechnen ist. Zudem dürfte die Expansion der Nachfrage aus China weiter nachlassen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter im Abschwung. Ursache ist im Wesentlichen die schwache Auslandsnachfrage nach Produkten des Verarbeitenden Gewerbes, bedingt durch die von den USA ausgehenden protektionistischen Tendenzen und den bevorstehenden Brexit. Als weiterer Faktor kommen die Probleme im Automobilbau hinzu, denn die Branche steht mit am Beginn eines drastischen Strukturwandels. Im Jahr 2020 dürfte eine leichte Belebung der internationalen Konjunktur den deutschen Export wieder anziehen lassen. Der Anstieg wird aber nicht allzu hoch ausfallen, nicht zuletzt, weil die Lohnstückkosten seit einiger Zeit deutlich zugenommen haben. Auf der anderen Seite stabilisieren die recht deutlichen Lohnzuwächse die binnenwirtschaftliche Nachfrage. Zudem wirkt die Finanzpolitik expansiv, und die günstigen Finanzierungsbedingungen werden zusammen mit der Wohnungsknappheit in Ballungsräumen den Bauboom am Leben halten. Das Bruttoinlandsprodukt wird im Jahr 2020 wohl um 1,1% zunehmen, auch dank einer hohen Zahl an Arbeitstagen. Der Produktionszuwachs in Ostdeutschland dürfte mit 1,3% höher ausfallen als in Gesamtdeutschland. Die Verbraucherpreisinflation bleibt moderat, die Beschäftigung nimmt nur noch wenig zu.