Arbeit ohne Sinn gefährdet die Produktivität
Arbeit ohne Sinn ruft nicht nur negative Emotionen wie Enttäuschung oder das Gefühl, ersetzbar zu sein, hervor; vielmehr wird auch die zukünftige Arbeitsmotivation der Beschäftigten beeinflusst. Eine experimentelle Studie, die auf einer realen Arbeitssituation beruht, zeigt, dass Beschäftigte einen signifikant niedrigeren Arbeitseinsatz leisten, wenn ein vorangegangenes Projekt seinen ursprünglichen Sinn verloren hat. Die Information, dass das Projekt auch einen alternativen Zweck erfüllte, kompensiert die negativen Effekte allerdings vollständig, sowohl was den Arbeitseinsatz als auch den emotionalen Zustand der Beschäftigten angeht. Unternehmen und Personalverantwortliche sollten daher die Sinnhaftigkeit von Arbeitsaufgaben klar an ihre Beschäftigten kommunizieren sowie versuchen, auch gescheiterten Projekten eine Sinnhaftigkeit beizumessen.
06. Oktober 2017
Inhalt
Seite 1
Das ExperimentSeite 2
Produktivität leidet unter SinnverlustSeite 3
Fazit: Kommunikation von Sinnhaftigkeit wichtig für Beschäftigte Auf einer Seite lesenEine offene, transparente Kommunikation im Unternehmen wird in der Regel mit einer höheren Motivation der Beschäftigten und größerem Unternehmenserfolg in Zusammenhang gebracht. Für Vorgesetzte ergibt sich allerdings schnell die Frage, wie mit eher unangenehmen Informationen umzugehen ist, etwa wenn ein Projekt scheitert. So ist beispielsweise denkbar, dass Beschäftigte, die erhebliche Zeit und Arbeitseinsatz in ein Projekt investiert haben und anschließend von dessen Scheitern erfahren, mit geringerer Arbeitsmotivation an zukünftige Projekte herangehen. Um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Sinnhaftigkeit einer zuvor abgeschlossenen Aufgabe und der anschließenden Arbeitsleistung zu erkennen, nutzte die Studie1 eine experimentelle Variation basierend auf einer realen Arbeitssituation, in deren Verlauf sich herausstellte, dass der Sinn der Aufgabe tatsächlich verlorenging. Zugleich war es im Rahmen eines kontrollierten Experiments möglich, nur einem Teil der Beschäftigten den plötzlichen Verlust des Sinns ihrer Arbeit glaubhaft zu machen.
Es zeigte sich, dass die erfahrene Sinnhaftigkeit von Arbeit die Motivation von Arbeitskräften stark beeinflusst; ein gescheitertes Projekt reduziert sogar die zukünftige Produktivität in einem vollkommen unabhängigen Projekt. Vorgesetzte sollten daher die Bedeutung wahrgenommener Sinnhaftigkeit für ihre Angestellten im Rahmen ihrer Kommunikationsstrategien berücksichtigen.
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1. Dieser Beitrag basiert auf: Chadi, A.; Jeworrek, S.; Mertins, V.: When the Meaning of Work Has Disappeared: Experimental Evidence on Employees’ Performance and Emotions, in: Management Science, Vol. 63 (6), 2017, 1696-1707.
Das Experiment
Für die Inventarisierung von Geschäftsberichten, die über Jahrzehnte gesammelt, aber nie systematisch erfasst worden waren, wurden an einer Universität 140 Hilfskräfte für jeweils einen halben Tag eingestellt. Zunächst galt die Sammlung der Geschäftsberichte als umfassend und einzigartig und somit als eine wertvolle Ressource für Forscherinnen und Forscher. Im Verlauf der Inventarisierung stellte sich diese jedoch als fragmentarisch heraus. Einige Berichte waren in schlechtem Zustand, außerdem zeigte sich, dass zunehmend auch ältere Berichte gescannt und online zur Verfügung gestellt werden. Daher entschied der Verwaltungsleiter, das Archiv aufzulösen. Etwa eine Woche nach der Inventarisierung wurden die Hilfskräfte kontaktiert und eingeladen, online an einer Anschlussbefragung teilzunehmen. Die Befragung war in zwei Abschnitte eingeteilt, wobei sich der erste Abschnitt hauptsächlich mit Fragen zu dem vorangegangenen Inventarisierungsprojekt beschäftigte.
Zu Beginn des zweiten Abschnitts wurde jede Hilfskraft zufällig einem von drei Informationssets zugewiesen, die Teil des Fragebogens waren. Einer Gruppe wurde lediglich in Erinnerung gerufen, welchem Zweck ihre vorangegangene Aufgabe diente (nämlich, eine Datenbasis für Forschungszwecke aufzubauen), sodass man annehmen durfte, dass sie nach wie vor an die ursprüngliche Sinngebung ihrer Aufgabe glaubten. Einer zweiten Gruppe wurde mitgeteilt, dass die im Rahmen des Inventarisierungsprojekts generierten Daten auf nur geringes Interesse stießen und somit die geleistete Arbeit weitgehend nichtig gewesen sei (Sinnverlust). Um herauszufinden, wie Arbeitskräfte reagieren, wenn die ursprüngliche Sinnzuweisung zwar verschwindet, jedoch durch eine neue ersetzt wird, wurde einer dritten Gruppe eine alternative Bedeutung präsentiert. Ihnen erklärte man, dass ihre Arbeit zwar bezüglich des ursprünglich vorgestellten Zwecks vergeblich gewesen sei; jedoch sei sie für einen weiteren, zuvor nicht mitgeteilten Zweck brauchbar (da die im Rahmen der Inventur erhobenen Daten für Forschung auf dem Gebiet der Personalwirtschaft genutzt werden konnten2).
Anschließend erhielten die an der Befragung Teilnehmenden in einem ersten Schritt einen Kurzfragebogen zur Erfassung ihrer aktuellen emotionalen Lage. In einem zweiten Schritt wurden sie dann gebeten, zur Unterstützung laufender Forschungsarbeiten eine Reihe von gleichlautenden und monoton formulierten Fragen zu beantworten. Da lediglich die Beantwortung des ersten Fragebogenabschnitts entlohnt wurde und somit die Beantwortung der folgenden Fragen auf rein freiwilliger Basis erfolgte, konnten die Teilnehmer den Fragebogen zu jedem Zeitpunkt abbrechen. Insofern kann die Zahl der beantworteten Fragen als Indikator für die Arbeitsmotivation des Einzelnen interpretiert werden. Tabelle 1 fasst den gesamten Experimentalablauf noch einmal kurz zusammen. Von den 140 eingeladenen Hilfskräften haben letztendlich 102 Personen an der Online-Umfrage teilgenommen.
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2. Vgl. Jeworrek, S.; Mertins, V.: Wage Delegation in the Field. IAAEU Discussion Paper Series in Economics No. 08/2014, Trier 2014.