Nationale Aufsicht versus Europäische Bankenunion: Unterscheidet sich die Beurteilung der Einflussfaktoren systemischen Risikos von Banken?
Als Reaktion auf die Finanzkrise unterliegt das Finanzsystem zahlreichen neuen regulatorischen Änderungen. Zum einen wurden bestehende mikroprudenzielle Regeln für Eigenkapital und Liquidität verschärft. Zum anderen wurden makroprudenzielle Instrumente eingeführt. Makroprudenzielle Regulierung hat dabei zum Ziel, systemische Risiken im Finanzsystem frühzeitig zu erkennen, zu reduzieren und somit die Finanzmarktstabilität zu erhöhen. Zudem wurde mit der Einführung der Bankenunion die Aufsicht der größten Banken des Euroraums der Europäischen Zentralbank (EZB) übertragen. Diese Studie untersucht, ob das systemische Risiko von Banken unterschiedlich groß ist, wenn eine europäische im Vergleich zu einer nationalen Perspektive eingenommen wird. Im Anschluss wird die Frage geklärt, welche Faktoren systemisches Risiko beeinflussen und ob sich diese Faktoren zwischen der nationalen und europäischen Ebene unterscheiden. Es zeigt sich, dass Banken auf nationaler Ebene im Durchschnitt etwas mehr zum systemischen Risiko beitragen, wobei es große Unterschiede zwischen Banken und Ländern gibt. Zudem haben größere und profitablere Banken sowie Banken, deren Geschäftsmodell durch eine geringere Kreditvergabe geprägt ist, ein höheres systemisches Risiko.
06. Oktober 2017
Inhalt
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Systemische RisikenSeite 2
Wie wird systemisches Risiko gemessen?Seite 3
Qualitativ keine Unterschiede zwischen den Einflussfaktoren – quantitativ aber sehr wohl Auf einer Seite lesenDie Finanzkrise hat gezeigt, dass Risiken, die auf Ebene einzelner Banken oder in Teilen des Finanzsystems entstehen, zur Gefahr für das gesamte System werden und negative Effekte für die Realwirtschaft mit sich bringen können. Diese Risiken gilt es deshalb frühzeitig zu erkennen und im besten Fall ganz zu vermeiden. Risiken bestehen dabei nicht nur auf der Ebene der einzelnen Finanzinstitute, sondern auch im Zusammenspiel von Banken. Um diesen so genannten systemischen Risiken besser begegnen zu können, wurde nach der letzten Finanzmarktkrise der Fokus der Bankenüberwachung und Bankenregulierung vermehrt auf die Stabilität des gesamten Finanzsystems gelegt.
Makroprudenzielle Aufsicht, das heißt die Überwachung und Regulierung systemischer Risiken im gesamten Finanzsystem, ist in erster Linie nationale Aufgabe der europäischen Mitgliedstaaten. Maroprudenzielle Instrumente beinhalten unter anderem die Festlegung von Kapital- oder Liquiditätsvorschriften. Seit der Einführung des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism) im November 2014 überwacht die EZB zudem die größten europäischen Banken. Im Rahmen des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus kann somit in die nationale, makroprudenzielle Aufsichtspolitik eingegriffen werden, zum Beispiel durch die Festlegung höherer Eigenkapital- oder Liquiditätsquoten für einzelne Institute. Dies gilt, falls systemische Risiken vom nationalen Aufseher nicht ausreichend adressiert werden.
Systemische Risiken entstehen, wenn einzelne Banken die Auswirkungen und Kosten ihrer Tätigkeiten auf andere Finanzmarktakteure nicht in Betracht ziehen. Zum Beispiel kann eine Bank in Folge eines plötzlichen Abfalls ihres Eigenkapitals mit sinkender Kreditvergabe oder dem Verkauf von Vermögenswerten reagieren. Dabei kalkuliert sie nicht mit ein, dass der Verkauf von Bilanztiteln einen Preisverfall nach sich zieht, welcher andere Banken ebenfalls dazu zwingt, Vermögenstitel zu verkaufen. Dieser Prozess kann sich selbst verstärken und zu einer Unterkapitalisierung solcher Banken führen, die ähnliche Vermögenstitel halten. Wenn eine Bank zu wenig Eigenkapital hält zu einem Zeitpunkt, zu dem das gesamte Bankensystem unterkapitalisiert ist, hat dies negative Effekte auf die Finanzstabilität und erhöht das Risiko im System. Makroprudenzielle Überwachung hat zum Ziel, diese systemischen Risiken frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.
Für eine effiziente makroprudenzielle Überwachung ist es daher wichtig zu verstehen, wie hoch das systemische Risiko von Banken ist und welche Faktoren auf das systemische Risiko einwirken. Da makroprudenzielle Aufsicht sowohl auf der nationalen wie auch auf der europäischen Ebene durchgeführt wird, ist es notwendig, systemisches Risiko und dessen Einflussfaktoren aus diesen verschiedenen Perspektiven zu untersuchen. In der bisherigen Forschung wurde die Differenzierung der regionalen Ebenen bei der Analyse von systemischen Risiken vernachlässigt. In einer Studie von Claudia M. Buch, Thomas Krause und Lena Tonzer1 wird untersucht, ob die systemische Relevanz von Banken variiert, wenn systemisches Risiko aus der Sicht eines nationalen versus eines europäischen Regulators berechnet wird. Außerdem wird analysiert, welche die entscheidenden Treiber für systemisches Risiko sind und ob sich diese auf nationaler und europäischer Ebene unterscheiden.
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1.Buch, C. M.; Krause T.; Tonzer, L.: Drivers of Systemic Risk: Do National and European Perspectives Differ? Deutsche Bundesbank Discussion Paper 9/2017. Frankfurt am Main 2017.