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Begleitende Evaluierung des Investitionsgesetzes Kohleregionen (InvKG) und des STARK-Bundesprogramms. Endbericht zur Auftragserweiterung

Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz

Das vorliegende Kurzgutachten befasst sich mit der Analyse des aktuellen Standes der Maßnahmen des StStG. Ausgangspunkt für die Analysen stellt eine Auswertung der aktuellen Literatur zum Strukturwandel in den deutschen Kohlerevieren dar. Dieser Literaturüberblick zeigt, dass die Förderregionen im Geltungsbereich des StStG sehr unterschiedliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewältigung des Strukturwandels aufweisen. Dennoch sollten die Maßnahmen in allen Regionen an den wichtigen Determinanten des Wirtschaftswachstums ansetzen, wobei sie auf die Gegebenheiten der Regionen abgestimmt sein sollten. Dabei sind vor allem Investitionen als zentraler Bestimmungsfaktor für die langfristige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anzusehen. Diese setzen sich aus privaten Investitionen in Sachkapital, Ausgaben für Forschung und Entwicklung mit dem Ziel des technologischen Fortschritts, Ausgaben für Bildung zur Erhöhung des Humankapitals sowie Investitionen in den öffentlichen Kapitalstock, etwa die Verkehrsinfrastruktur, zusammen. Dabei werden langfristig Bildung und Forschung und Entwicklung als wichtigste Wachstumstreiber angesehen, an denen die Förderung des Strukturwandels entsprechend ansetzen sollte. Auch sollte das Augenmerk auf die Diffusion und den Transfer von Wissen und Technologien gerichtet sein. Kritische Anmerkungen weisen in die Richtung, dass vor allem Infrastrukturprojekte Unterstützung durch StStG-Mittel erhalten, die ohnehin durchgeführt worden wären und dass die Kommunen die StStG-Mittel als Erweiterung ihrer Haushaltsspielräume betrachten.

16. August 2023

Autoren Matthias Brachert Katja Heinisch Oliver Holtemöller Florian Kirsch Uwe Neumann Michael Rothgang Torsten Schmidt Christoph Schult Anna Solms Mirko Titze

Für eine Beurteilung der Maßnahmen des StStG sind eine ganze Reihe von Besonderheiten zu berücksichtigen. Eine davon ist, dass eine erhebliche Zeitspanne vergeht, bis sich erste Wirkungen aus den Maßnahmen des StStG nachweisen lassen. Verantwortlich sind hierfür vier Aspekte. Erstens handelt es sich bei den Maßnahmen um nachfragegetriebene Projekte und die Behörden haben entsprechende Bewilligungsraster entwickelt, ein bestimmtes Projekt zu fördern oder abzulehnen. Hier kann es – gegeben der Vielzahl an involvierten Stellen – sehr heterogene Verfahrensweisen und damit Zeitspannen von der Projektidee bis zur Bewilligung geben. Zweitens benötigt es Zeit, die Maßnahmen umzusetzen. Auch hier besteht eine große Heterogenität – Infrastrukturmaßnahmen nehmen sehr viel mehr Zeit in Anspruch als die Maßnahmen im STARK-Bundesprogramm. Drittens gibt es eine Zeitverzögerung, bis die Effekte bei den Begünstigten tatsächlich wirksam werden. Gegeben der Heterogenität der Maßnahmen sind verschiedene Wirkungskanäle angesprochen, woraus unterschiedliche Wirkungsverzögerungen resultieren. Viertens bestehen Zeitverzögerungen, bis geeignete Daten für die Wirkungsanalyse zur Verfügung stehen. Insgesamt bedeutet dies, dass die endgültigen Effekte womöglich erst nach Ablauf des StStG im Jahr 2038 nachweisbar sind. Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage ist es umso wichtiger, dass die Förderprozesse, also die Regeln, nach denen die Auswahl der Projekte erfolgt, der Beginn und das Ende jeder Maßnahme, die Fördersumme sowie die jährlichen Mittelabflüsse, eingehend dokumentiert werden.

Eine weitere Besonderheit ist, dass das StStG ein ganzes Bündel an verschiedenen Maßnahmen umfasst, angefangen von Infrastrukturen über die Stärkung von Forschung und Entwicklung bis zur Kulturförderung. Um eine ganzheitliche Bewertung der Maßnahmen vornehmen zu können, ist eine Komplexitätsreduktion notwendig. Das Kurzgutachten setzt dies um, indem es die verschiedenen Maßnahmen zu Clustern zusammenfasst. Die Bildung der Cluster orientiert sich an den Faktoren, die die einschlägige ökonomische Literatur als Treiber regionaler wirtschaftlicher Entwicklung diskutiert. Gegeben der Ausrichtung der Maßnahmen des StStG können acht Cluster identifiziert werden.

Auf Basis dieses Clustermodells lassen sich nunmehr die Bewilligungen im Rahmen des StStG analysieren. Gegeben der Struktur des StStG gliedert sich die Analyse in die Auswertung der Maßnahmen aus den §§ 14-22 (ausgenommen § 15) InvKG, der Maßnahmen im Rahmen des STARK-Bundesprogramms (§ 15 InvKG) sowie der Maßnahmen aus Kapitel 1 InvKG. Bei der Beurteilung der Bundesmaßnahmen lässt sich festhalten, dass rund 75 Prozent des Budgets fest verplant sind. Hierbei offenbart sich eine starke Variation über die Land-Revier-Ebene. Im Land Brandenburg (Lausitzer Revier) sind 55 Prozent der für dieses Revier verfügbaren Mittel gebunden – in sächsischen Teil des mitteldeutschen Reviers beträgt diese Quote 99 Prozent.

Ein beachtlicher Teil der Bundesmaßnahmen entfällt auf Verkehrsprojekte. Hinsichtlich des Anteils der Verkehrsprojekte am Gesamtbudget lassen sich keine gravierenden Unterschiede auf der Land-Revier- Ebene feststellen. Unter den Arten von Verkehrsprojekten (Schiene, Straße, Ortsumgehung) dominieren Projekte zum Auf- und Ausbau der Schieneninfrastruktur. Eine Anwendung des Clustermodells auf die Bundesmaßnahmen zeigt, dass der überwiegende Teil der Mittel aus diesem Arm in die Cluster „Erreichbarkeit“ sowie „Forschung und Entwicklung“ fällt.

Die Auswertungen der Projekte im Rahmen des STARK-Bundesprogramms offenbaren, dass bislang 240 Mio. Euro gebunden sind, allerdings befinden sich nur Projekte im Umfang von rund 60 Mio. Euro in der Umsetzung. Unter Anwendung des Clustermodells zeigt sich, dass in Brandenburg und Sachsen Projekte aus dem Cluster „Forschung und Entwicklung“ dominieren, während in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Projekte aus dem Cluster „Standorte für Betriebe“ vorherrschend sind.

Schließlich erfolgte noch eine Auswertung der Projekte, die in der Verantwortung der Länder stehen. Nordrhein-Westfalen hat – gemäß den vorliegenden Informationen – bislang keine in der Umsetzung befindlichen Projekte in diesem Arm. In Brandenburg und Sachsen entfällt das Gros der in Umsetzung befindlichen Projekte in die Cluster „Bildung“ sowie „Forschung und Entwicklung“. Sachsen-Anhalt dagegen setzt seinen Schwerpunkt auf Projekte aus dem Cluster „Standorte für Betriebe“.

Die Zweckmäßigkeit so genannter Place-based Policies – zu denen die Maßnahmen des StStG zu zählen sind – diskutiert die einschlägige regionalökonomische Literatur kontrovers. Hier gibt es gute Argumente sowohl für als auch gegen diese Art wirtschaftspolitischer Intervention. Wenn sich allerdings die Politik für einen solchen Eingriff entscheidet, dann sind Maßnahmen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, der Verbesserung von Erreichbarkeit, der Stärkung der Humankapitalbasis und (sozial)kultureller Einrichtungen vielversprechend. Die für die Länder Brandenburg und Sachsen vorgesehenen Maßnahmen weisen in diese Richtung. Im Land Sachsen-Anhalt wird eine Fokussierung auf diese Bereiche bislang weniger deutlich. Für das Land Nordrhein-Westfalen lässt sich keine abschließende Einschätzung abgeben, da sich die Projekte gerade in der Anlaufphase befinden. Eine deskriptive Auswertung der schon zur Verfügung stehenden arbeitsmarktpolitischen Zielgrößen zeigt, dass sich die Arbeitsmarktlage in allen Revieren spürbar bessert. Eine besonders gute Entwicklung zeigen das Rheinische Revier sowie der sächsische Teil des Mitteldeutschen Reviers. Diese Regionen verfügen zugegebenermaßen über ohnehin günstigere Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Entwicklung. Diese deskriptive Analyse lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Wirkung von Fördermaßnahmen zu. Um hierüber Aussagen treffen zu können, sind weitergehende Analyse unter Berücksichtigung kontrafaktischer Szenarien erforderlich.

Abschließend werden die zu erwartenden Wirkungen eines vorgezogenen Ausstiegs aus der thermischen Verwertung von (Braun)Kohle anhand der Literatur dargestellt. Die Studienlage weist darauf hin, dass die Konsequenzen für Deutschland als Ganzes kaum spürbar sind, sofern die Energieversorgung auch ohne Braunkohle sichergestellt werden kann. Allerdings sind regional starke sozioökonomische Auswirkungen zu erwarten. Eine besondere Rolle spielt hier das Lausitzer Revier, das von besonderen strukturpolitischen Herausforderungen betroffen ist. Die in den Studien bislang vorgenommenen Bewertungen gingen immer davon aus, dass Versorgungssicherheit bei den Energieträgern besteht. Mit Beginn des Ukrainekrieges ist diese Maßnahme so nicht mehr zu halten.

Neuere Studien zeigen, dass eine instabile Versorgungslage bei den Energieträgern zu ganz neuen Herausforderungen auf regionaler Ebene führen dürfte, insbesondere für diejenigen Gebiete, die Ballungen energieintensiver Produktion aufweisen. Hierbei handelt es sich nicht notwendigerweise um die Fördergebiete des StStG, sondern es sind teilweise ganz andere Regionen betroffen, denen man bislang eine resiliente Wirtschaftsstruktur unterstellte.

Auf Basis des bisherigen Erkenntnisstands lassen sich noch keine gravierenden Anpassungsbedarfe ableiten. Nach weitergehenden Untersuchungen kann man möglicherweise auch zu einer anderen Einschätzung gelangen. Was sich allerdings bereits jetzt abzeichnet, sind die Herausforderungen hinsichtlich der Verfügbarkeit gut ausgebildeter Arbeitskräfte in der Zukunft – insbesondere im Lausitzer Revier sowie im sachsen-anhaltischen Teil des Mitteldeutschen Reviers. Maßnahmen von Aus- und Weiterbildung allein sind möglicherweise nicht ausreichend, um zukünftige Arbeitskräftebedarfe zu bedienen und das Wachstumspotential der Fördermaßnahmen zu heben. Vielmehr sollte die Zuwanderung von Arbeitskräften stärker in Fokus der Maßnahmen rücken, sowohl auf nationaler als auch insbesondere auf internationaler Ebene. Maßnahmen, die auf die Attrahierung internationaler Arbeitskräfte ausgerichtet sind, finden sich bislang im InvKG (inklusive des STARK-Bundesprogramms) weder im Arm 1 noch im Arm 2. Außerdem ergeben sich aus der Energiekrise weitreichende Konsequenzen für die Beurteilung der Resilienz einzelner Regionen. Es gilt zukünftig, neben positiven Agglomerationseffekten auch einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Rohstoffen oder Import- und Exportdestinationen stärker in die Analyse einzubeziehen.

Empfohlene Publikationen

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Begleitende Evaluierung des Investitionsgesetzes Kohleregionen (InvKG) und des STARK-Bundesprogramms. Zwischenbericht vom 30.06.2023

Matthias Brachert Katja Heinisch Oliver Holtemöller Florian Kirsch Uwe Neumann Michael Rothgang Torsten Schmidt Christoph Schult Anna Solms Mirko Titze

in: IWH Studies, Nr. 6, 2023

Abstract

<b>Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz </b><br /><br />Das Klimaschutzgesetz (KSG) sieht eine Reduktion der deutschen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent gegenüber den Emissionen im Jahr 1990 vor. Der Ausstieg aus der thermischen Verwertung der Kohle (vor allem der Braunkohle) leistet einen substanziellen Beitrag zum Erreichen dieser Ziele. Der Kohleausstieg stellt die Braunkohlereviere (und die Standorte der Steinkohlekraftwerke) jedoch vor strukturpolitische Herausforderungen. Um den Strukturwandel in diesen Regionen aktiv zu gestalten, hat der Bundestag im August 2020 mit Zustimmung des Bundesrats das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen (StStG) beschlossen. Über dieses Gesetz stellt der Bund bis zum Jahr 2038 Finanzhilfen von 41,09 Mrd. Euro zur Verfügung. Im Fokus der Politikmaßnahmen stehen verschiedene Ziele, vor allem gesamtwirtschaftliche (Wertschöpfung, Wachstum, Steueraufkommen), wettbewerbliche (Produktivität), arbeitsmarktpolitische (Beschäftigung, Beschäftigungsstrukturen), verteilungspolitische (regionale Disparitäten) sowie klimapolitische (Treibhausgasreduzierung, Nachhaltigkeit). Die im StStG vorgesehenen strukturpolitischen Interventionen umfassen ein breites Maßnahmenbündel. Das Gesetz regelt auch die Berichtspflichten der Bundesregierung gegenüber Bundestag und Bundesrat. Diese beinhalten insbesondere die wissenschaftliche Evaluierung des Gesetzes in einem zweijährigen Zyklus. Bei dem vorliegenden Bericht handelt es sich um das erste Dokument in dieser Reihe. Der aktuelle Bericht fokussiert sich dabei insbesondere auf die im Rahmen des Investitionsgesetzes Kohleregionen (InvKG) und des STARK-Bundesprogramms geplanten Maßnahmen sowie die vorläufige Bewertung ihrer möglichen Effekte. Angesichts des Programmstarts im Jahr 2020 und einer fast zwanzigjährigen Laufzeit des Programms kann der Bericht allenfalls einen ersten Zwischenstand wiedergeben. Viele Maßnahmen haben noch nicht oder gerade erst begonnen. Die hier vorgelegten empirischen Analysen basieren auf dem Datenstand vom 31.12.2022. Es ist vorgesehen, den Bericht in einem jährlichen Rhythmus zu aktualisieren und zu erweitern.

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