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Der Börsengang und die interne Organisation des Unternehmens

In diesem Beitrag wird untersucht, wie Unternehmen ihre Organisation anpassen, wenn sie erstmalig an die Börse gehen (initial public offering, IPO). Im Zuge des Börsengangs wandeln sich Unternehmen in eine hierarchischere Organisation um und verstärken die Aufsicht durch das Management. Organisatorische Funktionen in den Bereichen Rechnungswesen, Finanzen, Informationstechnologie und Personalwesen gewinnen an Bedeutung. Sie tauschen einen großen Teil ihrer Belegschaft und fast ihr gesamtes Management aus, um ihr Humankapital an die neue Organisation anzupassen. Die neue Organisation erleichtert interne Versetzungen und Beförderungen. Insgesamt ist das Unternehmen durch den Börsengang einem Wandel unterworfen, der die Abhängigkeit des Unternehmens von einzelnen Beschäftigten verringert und den Produktionsprozess effizient organisiert.

06. März 2024

Autoren Daniel Bias Benjamin Lochner Stefan Obernberger Merih Sevilir

Inhalt
Seite 1
Der Börsengang als Herausforderung für die Unternehmensorganisation
Seite 2
Zentrale Ergebnisse
Seite 3
Zusammenfassung
Seite 4
Endnoten Auf einer Seite lesen

Der Börsengang als Herausforderung für die Unternehmensorganisation

Der Börsengang galt lange Zeit als wichtiger Meilenstein im Lebenszyklus eines Unternehmens.1 Seit den 2000er Jahren ist jedoch ein Rückgang der Börsengänge zu beobachten, während privates Beteiligungskapital auf dem Vormarsch ist.2 Die Rekordzahl von Einhörnern – nicht börsennotierte Start-ups mit Bewertungen von mindestens einer Milliarde US-Dollar – deutet darauf hin, dass die Unternehmen eher bereit sind, Privilegien an Eigenkapital-Investoren abzutreten als einen Börsengang anzugehen.3 Diese Entwicklungen können eine Folge zunehmender Kosten eines Börsengangs sein. Ein Teil dieser Kosten wird durch organisatorische Veränderungen verursacht, die in der Regel vor dem Börsengang vorgenommen werden müssen. Dieser Beitrag wirft am Beispiel von Börsengängen deutscher Unternehmen einen genaueren Blick auf den Zusammenhang von Börsengang und Unternehmensorganisation.

In seiner Präsidentschaftsrede vor der American Finance Association weist Rajan darauf hin, dass der Zugang zu Aktienmärkten davon abhängt, wie das Unternehmen organisiert ist: Um sein Unternehmen an die Börse zu bringen, muss der Unternehmer es so umgestalten, dass der Unternehmenswert weniger von einzelnen Beschäftigten abhängt.4 Darüber hinaus muss das Unternehmen aus regulatorischer Sicht in Vorbereitung des Börsengangs seine interne Organisation anpassen, um erweiterte Rechenschaftspflichten sowie die Wertpapiervorschriften und Offenlegungspflichten zu erfüllen. Insgesamt hat es den Anschein, dass die erforderlichen organisatorischen Änderungen für die Entscheidung, an die Börse zu gehen oder in Privatbesitz zu bleiben, von vorrangiger Bedeutung sind, insbesondere wenn der innovative Charakter des Unternehmens auf seine Organisation zurückzuführen ist. Trotz der Bedeutung der organisatorischen Veränderungen für das Verständnis der Kosten und Nutzen eines Börsengangs wissen wir jedoch nur sehr wenig darüber, wie der Börsengang die interne Organisation des Unternehmens verändert. In diesem Beitrag öffnen wir die Blackbox, indem wir untersuchen, wie Unternehmen ihre Organisation anpassen, wenn sie an die Börse gehen.

Hierarchisierung und Standardisierung von Unternehmen vor dem Börsengang

Wir gliedern unsere Analyse um zwei theoretische Bezugsrahmen. Der erste Rahmen stützt sich auf Rajan, der argumentiert, dass Unternehmen ihre Organisation standardisieren müssen, um an die Börse gehen zu können. Die zugrunde liegende Erkenntnis ist, dass verstreute Eigentümer dem Unternehmen nur dann Eigenkapital zur Verfügung stellen werden, wenn der Unternehmenswert nicht entscheidend vom Unternehmer oder anderen wichtigen Beschäftigten abhängt, da diese das Unternehmen nach dem Börsengang verlassen könnten. Standardisierung – der Prozess der Schaffung von organisatorischen Funktionen, systematisierten internen Prozessen und Stellenprofilen sowie Kontrollsystemen – wird die personenspezifischen Aspekte der Arbeitsweise des Unternehmens reduzieren, was den Austausch von Beschäftigten erleichtert und so das Humankapitalrisiko des Unternehmens verringert. Daher erwarten wir, dass börsennotierte Unternehmen Managementkapazitäten und organisatorische Funktionen aufbauen bzw. ausweiten, um das Unternehmen zu standardisieren. Als Folge der Standardisierung erwarten wir, dass börsennotierte Unternehmen einen viel aktiveren internen Arbeitsmarkt und eine Belegschaft aufweisen, die weniger von spezifischen Fähigkeiten und Erfahrungen abhängig ist.

Der zweite Rahmen betrifft die hierarchische Organisation des börsennotierten Unternehmens mit dem Ziel, die Produktion effizient zu organisieren. Die Regulierung der Finanzmärkte und die Offenlegungspflichten werden die Tätigkeit eines börsennotierten Unternehmens wesentlich komplexer machen, da alle Produktionsstufen rechenschaftsfähig sein müssen, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und die Informationsasymmetrie gegenüber externen Investoren zu verringern. Die Organisationsökonomik sagt voraus, dass ein komplexerer Produktionsprozess es erforderlich macht, dass das börsennotierte Unternehmen hierarchischer wird und einen größeren Anteil seiner Arbeitskräfte in den höheren Rängen der Organisation einsetzt.5 Daher erwarten wir, dass börsennotierte Unternehmen in dem Maße hierarchischer werden, wie sie das für den Börsengang erforderliche Fachwissen internalisieren.

Daten und Methoden

Wir untersuchen die organisatorischen Veränderungen im Zusammenhang mit Börsengängen in Deutschland, da wir durch den direkten Zugang zu deutschen statistischen Daten die Organisation des börsennotierten Unternehmens im Hinblick auf die hierarchische Struktur, die organisatorischen Funktionen (Rechnungswesen, Finanzen, Informations- und Kommunikationstechnologie, Personalwesen, Vertrieb, Marketing) und die Aufsicht durch das Management darstellen können. Als Hauptmaße für die hierarchische Struktur eines Unternehmens verwenden wir die Anzahl der hierarchischen Ebenen im Unternehmen und die Verteilung der Mitarbeiter über die hierarchischen Ebenen des Unternehmens. Wir führen Differenz-in-Differenzen-Analysen für den Zeitraum von zwei Jahren vor dem Börsengang-Jahr bis zwei Jahre nach dem Börsengang-Jahr durch, wobei wir als Kontrollgruppe eine Stichprobe von Unternehmen in Privatbesitz verwenden, die hinsichtlich der hierarchischen Struktur, der organisatorischen Funktionen, der Unternehmensgröße, des Wachstums vor dem Beobachtungszeitraum, des Unternehmensalters, der Branchenzugehörigkeit und des Lohnniveaus der Arbeitskräfte mit den an die Börse gebrachten Unternehmen vergleichbar sind.

Empfohlene Publikationen

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Going Public and the Internal Organization of the Firm

Daniel Bias Benjamin Lochner Stefan Obernberger Merih Sevilir

in: SSRN Working Paper, May 2022

Abstract

We examine how firms adapt their organization when they go public. To conform with the requirements of public capital markets, we expect IPO firms to become more organized, making the firm more accountable and its human capital more easily replaceable. We find that IPO firms transform into a more hierarchical organization with smaller departments. Managerial oversight increases. Organizational functions dedicated to accounting, finance, information and communication, and human resources become much more prominent. Employee turnover is sizeable and directly related to changes in hierarchical layers. New hires are better educated, but younger and less experienced than incumbents, which reflects the staffing needs of a more hierarchical organization. Wage inequality increases as firms become more hierarchical. Overall, going public is associated with a comprehensive transformation of the firm's organization which becomes geared towards efficiently operating a public firm.

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Außerdem in diesem Heft

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Ausstieg aus der Kohle: Herausforderungen bei der Mittelvergabe und -verteilung

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 1, 2024

Abstract

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 ist ein wichtiger Teil der Strategie der Bundesregierung, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Begleitet wird der Kohleausstieg seit 2020 von regionalen Subventionen (Investitionsgesetz Kohleregionen – InvKG und Bundesprogramm STARK), um die wirtschaftlichen und sozialen Anpassungsprozesse zu begleiten und die negativen Auswirkungen abzufedern. Dafür stehen bis 2038 insgesamt rund 41 Mrd. Euro bereit. Es wird dabei eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen eingesetzt, u. a. die Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur und der Verkehrsanbindungen, die Stärkung der regionalen Bildungsangebote sowie Forschungseinrichtungen. Das IWH hat zusammen mit dem RWI in Essen einen ersten Evaluationsbericht für die Periode von August 2020 bis Ende 2022 vorgelegt.

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Aktuelle Trends: Die Liquidität europäischer Immobilienmärkte in der Polykrise

Michael Koetter Felix Noth Fabian Wöbbeking

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 1, 2024

Abstract

Der Ausbruch der Covid-Pandemie in Europa zu Beginn des Jahres 2020 markierte den Beginn einer Polykrise in Europa. Umgangsbeschränkungen lähmten die Wirtschaft, die Invasion der Ukraine durch Russland trieb die Energiepreise, internationale Lieferketten strauchelten und die hohe Inflation belastete die Haushalte nachhaltig. 

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Klimastresstests, Kreditvergabeverhalten der Banken und der Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft

Larissa Fuchs Huyen Nguyen Trang Nguyen Klaus Schaeck

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 1, 2024

Abstract

Kann die Bankenaufsicht den Übergang zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft unterstützen, indem sie die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen beeinflusst? Dieser Beitrag untersucht die Kreditvergabe der Banken vor und nach dem weltweit ersten Klimastresstest in Frankreich und die Reaktion der kreditnehmenden Unternehmen. Die dem Stresstest unterworfenen Banken geben kohlenstoffintensiven Unternehmen mehr Kredite. Zugleich verlangen sie ihnen aber höhere Zinssätze ab. Die kohlenstoffintensiven Kreditnehmer, deren Banken sich dem Klimastresstest unterzogen haben, verpflichten sich eher zu ehrgeizigen Emissionszielen und integrieren eher Umweltaspekte in die Bewertung von Investitionsprojekten. Jedoch reduzieren sie weder direkt ihre Kohlenstoffemissionen noch beenden sie Beziehungen zu klimaschädlichen Lieferanten. Die Studie belegt somit einen kausalen Zusammenhang zwischen Klimastresstests der Banken und der Verringerung des Transitionsrisikos der Kreditnehmer.

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