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Täglich werden in Deutschland rund 30 000 Beschäftigungsverhältnisse begonnen und beendetSeite 2
Staatliche Umverteilung als wichtigste Quelle der Kompensation Auf einer Seite lesenStaatliche Umverteilung als wichtigste Quelle der Kompensation
Abbildung 2 zeigt den Effekt von Arbeitsplatzverlusten auf äquivalenzgewichtete Haushaltseinkommen. Im Jahr nach einem Jobverlust ergibt sich eine Einkommenslücke von etwa 6 600 Euro im jährlichen Haushaltsarbeitseinkommen. Dieser Unterschied verringert sich über die Zeit, allerdings beträgt die Einkommenslücke zwischen Treatment- und Kontrollgruppe nach fünf Jahren immer noch rund 3 800 Euro. Die insgesamt geringeren Verluste im Haushaltseinkommen im Vergleich zum individuellen Einkommen können zum einen aufgrund der Äquivalenzgewichtung zustande kommen, da dadurch die Verluste auf mehrere Personen verteilt werden. Zum anderen kann es sein, dass andere Haushaltsmitglieder ihr Arbeitsangebot und damit ihr Einkommen als Reaktion auf den Jobverlust anpassen. Letztere Alternative wird im nächsten Abschnitt diskutiert.
Der Vergleich von Haushaltsarbeitseinkommen und gesamtem Bruttohaushaltseinkommen zeigt, dass Nicht-Arbeitseinkommen
(z. B. private Transfers, private Pensionen oder Kapitaleinkommen) keinen Beitrag zur Kompensation des Verlustes im Arbeitseinkommen leisten. Betrachtet man den Effekt von Steuern und Sozialabgaben, so wird deutlich, dass diese eine nicht unerhebliche (jeweils etwa gleich große) umverteilende Wirkung haben und somit eine wichtige Rolle beim Ausgleich des Verlustes spielen. So verringert sich durch Steuern und Sozialabgaben der Unterschied im Netto- verglichen mit dem Bruttohaushaltseinkommen im Jahr nach der Entlassung um etwa die Hälfte (auf etwa 3 500 Euro).
Diese Wirkung zeigt sich auch in der längeren Frist, da die Lücke im Nettohaushaltseinkommen nur noch rund 1 900 Euro beträgt. Letztlich zeigt eine Betrachtung des gesamten verfügbaren Haushaltseinkommens, dass staatliche Transfers die Einkommens- unterschiede zwischen Treatment- und Kontrollgruppe noch weiter reduzieren. Der kurzfristige Einkommensverlust beträgt nur noch
ca. 1 800 Euro, und nach fünf Jahren verbleibt lediglich ein (statistisch nicht signifikanter) Unterschied von etwa 1 200 Euro.
Keine Anpassung des Arbeitseinkommens anderer Haushaltsmitglieder
Abbildung 3 zeigt die Unterschiede im jährlichen Arbeitseinkommen anderer Haushaltsmitglieder – also das gesamte Haushaltsarbeitseinkommen abzüglich des Einkommens der befragten Person selbst – zwischen Treatment- und Kontrollgruppe. Dies soll Aufschluss darüber geben, ob andere Haushaltsmitglieder ihr Arbeitseinkommen als Reaktion auf den Jobverlust eines Haushaltsmitglieds anpassen (können) und somit der Haushalt direkt zur Kompensation von individuellen Verdienstverlusten beiträgt.
Die Ergebnisse zeigen über die Zeit hinweg nur sehr geringe und statistisch insignifikante Unterschiede zwischen Treatment- und Kontrollgruppe. Hieraus kann geschlossen werden, dass andere Haushaltsmitglieder – selbst wenn sie durch eine Ausweitung ihres Arbeitsangebots auf den Arbeitsplatzverlust reagieren – nicht in der Lage sind, zusätzliches Arbeitseinkommen zu generieren.
Keine Hinweise auf negative Arbeitsanreize staatlicher Umverteilung
Wie bereits in vorangegangenen Arbeiten wurde in dieser Studie gezeigt, dass unfreiwillige Arbeitsplatzverluste zu starken und langanhaltenden individuellen Verdienstverlusten führen. Darüber hinaus wurde erstmals beleuchtet, inwieweit unterschiedliche Kanäle zu einer Kompensation dieser Verluste beitragen. Die Analyse hat gezeigt, dass Abfindungen kurzfristig für einen Ausgleich sorgen und dass Eintritte in Selbstständigkeit Verluste in der kurzen und längeren Frist zumindest in geringem Maße ausgleichen. Nicht-Arbeitseinkommen leistet hingegen keinen Beitrag zur Kompensation, wobei gleiches für zusätzliches Arbeitseinkommen anderer Haushaltsmitglieder gilt. Vielmehr zeigt sich, dass Ausfälle im Arbeitseinkommen nach Entlassungen in Deutschland vor allem durch staatliche Umverteilung ausgeglichen werden.
Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass von Arbeitsplatzverlusten betroffene Haushalte in Deutschland relativ gut durch den Staat abgesichert sind, während die entlassenen Arbeitnehmer selbst hohe Verluste im individuellen Bruttoarbeitseinkommen erfahren. Der Vermutung, dass generöse Wohlfahrtsstaaten negative Anreize zum Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt setzen, widerspricht allerdings, dass die Verluste im individuellen Bruttoarbeitseinkommen in Deutschland denen in weniger stark ausgeprägten Wohlfahrtsstaaten, wie den USA und Großbritannien, sehr ähnlich sind. Zudem zeigt beispielsweise eine international vergleichende Studie der OECD, dass die Verdienstverluste nach Arbeitsplatzverlusten in den skandinavischen Ländern, die durch eher großzügige Wohlfahrtsstaatregimes geprägt sind, tendenziell sogar geringer ausfallen. Die vorhandene empirische Evidenz deutet somit nicht darauf hin, dass staatliche Umverteilung den Anreiz, Verluste im Arbeitseinkommen durch eigene Anstrengungen selbst auszugleichen, vermindert.
Wenn auch die vorliegenden Ergebnisse nur geringe Verluste im verfügbaren Haushaltseinkommen aufzeigen, darf nicht vergessen werden, dass die Auswirkungen unfreiwilliger Arbeitsplatzverluste weitreichendere Folgen als rein finanzielle Einbußen nach sich ziehen. So finden einige Studien beispielsweise negative Effekte auf die Gesundheit und Lebenszufriedenheit betroffener Personen, den schulischen Erfolg ihrer Kinder sowie erhöhte Scheidungsraten. Folglich sollte es nicht ausschließlich Ziel der Politik sein, entlassene Arbeitnehmer und ihre Familien finan- ziell abzusichern, sondern vor allem auch die Chancen für den baldigen Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt zu verbessern, um somit ebenso den weitreichenden nicht finanziellen Folgen von Arbeitsplatzverlusten entgegenzuwirken.