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IWH-Flash-Indikator IV. Quartal 2020 und I. Quartal 2021

Weil weitreichende Eindämmungsmaßnahmen gelockert wurden, war die deutsche Wirtschaft im Sommer 2020 auf Erholungskurs. Dazu hat auch die Wirtschaftspolitik entscheidend beigetragen. Nach dem pandemiebedingten Einbruch um 9,8% im zweiten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal um 8,2%. Im Vergleich zum vierten Quartal 2019 – dem letzten Quartal ohne Einfluss der Pandemie – beträgt der Rückgang noch 4%. Allerdings sind die Covid-19-Neuinfektionen im Herbst wieder stark gestiegen, und für den November wurden insbesondere für den privaten Bereich erneut erhebliche Einschränkungen erlassen. Für weite Teile der gewerblichen Wirtschaft gelten diese Einschränkungen aber nicht. Die Wirtschaftsleistung dürfte daher im vierten Quartal 2020 nicht so stark einbrechen wie in der ersten Jahreshälfte. Der IWH-Flash-Indikator für das Bruttoinlandsprodukt deutet auf einen Rückgang um 2,1% hin, gefolgt von einer Expansion um 5,0% im ersten Quartal 2021 (vgl. Abbildung 1)

17. November 2020

Autoren Katja Heinisch Oliver Holtemöller Axel Lindner Birgit Schultz

Das Bruttoinlandsprodukt stieg im dritten Quartal 2020 um 8,2%. Damit wurde der pandemiebedingte Rückgang von 9,8% im zweiten Quartal zum großen Teil wieder aufgeholt. Die Industrie konnte bis September die Produktion seit dem Tiefpunkt im April um mehr als 20% wieder hochfahren. Besonders kräftig expandierten zuletzt die Konsumgüterbranche und mit ihr der Einzelhandel. Dabei dürfte die Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli 2020 zusätzlich stimuliert haben, worauf auch die überdurchschnittlich hohen Kfz-Umsätze im Juli und im August hinweisen. Auch die Exporte erholten sich zuletzt deutlich, und es wurde weiterhin kräftig in Bauten investiert. Die Auftragseingänge legten bis September deutlich zu, jedoch gab es bei den Investitionsgüterbestellungen aus dem Euroraum zuletzt einen Dämpfer. Mit dem herbstlichen Anstieg der Infektionszahlen in ganz Europa und dem partiellen Lockdown in Deutschland seit dem 2. November 2020 schwächt sich der generelle Erholungsprozess jedoch ab. „Mit dem Anstieg der Covid-19-Fallzahlen im Herbst 2020 und der folgenden erneuten Verschärfung der Infektionsschutzmaßnahmen wird der konjunkturelle Aufholprozess vorübergehend ausgebremst“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).

Dabei sind von der neuen Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen im November vor allem die privaten Haushalte betroffen. Auch wenn diese Maßnahmen zunächst nur für einen Monat geplant sind, werden aktuell weitere Verschärfungen in den Wintermonaten diskutiert. Die mit der Pandemie verbundenen Ängste und Sorgen zeigten sich bereits in der GfK-Konsumklimastudie vom Oktober, in der von einer gesunkenen Konjunktur- und Einkommenserwartung sowie einer geringeren Anschaffungsneigung berichtet wird. Ebenso stiegen die konjunkturellen Sorgen bei den befragten Unternehmen der ifo-Geschäftsklima-Umfrage vom Oktober. Obwohl die Lage der Unternehmen noch mehrheitlich positiv bewertet wurde, sanken die Erwartungen in allen Bereichen. Unsicherheit dürfte wohl insbesondere darin bestehen, inwieweit steigende Infektionszahlen und Lockdown-Regeln die wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen künftig einschränken. Hingegen blieben die befragten Unternehmen des IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) weiterhin optimistisch. Vor allem die außerordentlich hohen Zuwächse bei den Auslandsaufträgen ließen den EMI auf ein neues 31-Monatshoch steigen. Recht kräftig ist die Konjunktur in China, und auch anderswo in Ostasien gewinnt die Konjunktur angesichts geringer Infektionszahlen an Schwung. In den USA hat sich die Erholung gleichfalls bis zuletzt fortgesetzt, obwohl die Pandemie unvermindert anhält. Von Seiten der Nachfrage aus den europäischen Nachbarländern wird die deutsche Konjunktur allerdings gegenwärtig gedämpft, denn dort sind die Infektionszahlen vielfach höher und die Shut-down-Maßnahmen schärfer als hierzulande.

Der IWH-Flash-Indikator basiert auf einer Fülle von Einzelprognosen, die anhand vergangener Ereignisse seit dem Jahr 1991 die zukünftige Entwicklung prognostizieren. Abbildung 2 zeigt die Verteilung all dieser auf jeweils einem Indikator basierenden Prognosen für die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts im Winterhalbjahr 2020/2021; der Median für die Summen der beiden Quartalswachstumsraten beträgt 2,9%. Da die im IWH-Flash-Indikator enthaltenen Indikatoren die Effekte von Pandemie und Shutdown nicht adäquat wiedergeben können, werden für die Aufteilung dieses Wachstums auf das vierte Quartal 2020 und das erste Quartal 2021 im aktuellen IWH-Flash-Indikator auch Informationen aus dem Index der Universität Oxford zur Intensität staatlicher Einschränkungen (Oxford COVID-19 Government Response Tracker) sowie Mobilitätsdaten von Google (COVID-19 Community Mobility Reports) berücksichtigt. Daraus ergibt sich für das vierte Quartal 2020 ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 2,1% und für das Gesamtjahr 2020 ein Rückgang um 5,6%. Für das erste Quartal 2021 deutet der IWH-Flash-Indikator auf einen BIP-Zuwachs von 5,0% hin.

[Die Zeitreihe mit den historischen Daten des Flash-Indikators sowie eine Beschreibung der Methodik finden Sie im Download-Bereich.]

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