IWH-Präsident: Silicon Valley Bank in Deutschland?

Nach dem Zusammenbruch der zahlungsunfähigen US-amerikanischen Silicon Valley Bank zieht Reint Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), drei Lehren für die europäische Bankenaufsicht.

13. März 2023

Autoren Reint E. Gropp

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Was können wir aus der Pleite der Silicon Valley Bank für das deutsche Bankensystem lernen? Wie sich herausstellt, gibt es mindestens drei wichtige Lehren.

Ausgangspunkt für die Schieflage

Der Ausgangspunkt für die Pleite ist in der Geldpolitik zu sehen. Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) haben in den letzten Monaten die Leitzinsen dramatisch und sehr schnell angehoben. Die Fed hat ihren Hauptzins, die Federal Funds Rate, innerhalb eines Jahres von 0% auf 4,5% erhöht. Die EZB hat den Hauptrefinanzierungssatz für Banken seit dem Sommer 2022 von 0% auf 3% erhöht. Beides war eine Reaktion auf die schnell steigenden Inflationsraten, ausgelöst durch die coronabedingten Lieferkettenprobleme in der Industrie und die sprunghaft steigenden Energiepreise aufgrund des Krieges in der Ukraine.

Auswirkungen des starken Zinsanstiegs

Was für Auswirkungen hat so ein schneller und dramatischer Anstieg für die Bilanzen und die Gewinne von Banken? Eine der wichtigsten Aufgaben von Banken ist die so genannte Fristentransformation. Dabei „verwandeln“ Banken kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite und verdienen dabei eine Zinsmarge: Sie zahlen weniger Zinsen auf die kurzfristigen Einlagen, als sie von den Kreditnehmern bekommen können. Wenn die Zinsen stark steigen, steigen kurzfristig auch die Zinsen, die Banken auf die Einlagen zahlen müssen. Daher verschlechtert sich die Zinsmarge, da die Kredite, die noch zu niedrigen Zinsen ausgegeben wurden, langfristig sind. Höhere Zinsen auf Einlagen bei relativ unveränderten Zinsen auf Kredite bedeutet, dass Banken weniger Geld mit ihrem Kerngeschäft verdienen. Das ist einer der Gründe, warum die Silicon Valley Bank in Schieflage geraten ist. Mit diesem Problem sind auch die deutschen Banken konfrontiert.

Zwei Strategien

Es gibt zwei Strategien, mit dieser Situation umzugehen. Erstens können Banken dieses Risiko mit Zinsderivaten absichern. Sie lagern das Zinsrisiko also an andere Akteure im Finanzsystem aus. Die EZB hat in einer Studie untersucht, an welche Akteure das Risiko weitergegeben wird, und festgestellt, dass das Risiko überwiegend an andere Banken ausgelagert wird. Die Banken versichern sich also gegenseitig. Das führt insgesamt dazu, dass die Risiken aus dem Finanzsystem zwar nicht verschwinden, aber besser auf diejenigen Banken verteilt sind, die diese Risiken besser tragen können ‒ allerdings nur so lange, wie die Zinsen nicht überraschend viel stärker steigen, als die Versicherer der Zinsrisiken erwartet haben.

Die zweite Strategie, mit stark steigenden Zinsen umzugehen und dabei die Zinsmarge zu bewahren, besteht darin, den Zinsanstieg nur unvollständig an die Einleger weiterzugeben. Einlagen von Privatpersonen sind oft unelastisch, was Zinsen angeht: Einleger ziehen ihre Einlagen nicht ab, um bei einer anderen Bank höhere Zinsen zu bekommen. Das hat mit Transaktionskosten und Informationsproblemen zu tun: Privatpersonen sind über das Zinsniveau und die Zinsen, die an anderen Banken gezahlt werden, oft schlecht informiert. Die Zinsen nicht weiterzugeben funktioniert jedoch sehr schlecht bei gut informierten institutionellen Einlegern – daher auch die Probleme der Silicon Valley Bank: Ihre Einleger waren nur zu einem relativ kleinen Teil Einzelpersonen und zum großen Teil Unternehmen, insbesondere aus der im Silicon Valley ansässigen High-Tech-Branche. In Deutschland profitieren besonders Sparkassen und Volksbanken von diesem Informationsdefizit bei Einlegern und sind daher nur relativ wenig von dem starken Zinsanstieg betroffen. Sie verlassen sich darauf, dass ihre Kunden schlecht über Finanzentwicklungen informiert sind und nicht erwarten, dass höhere Zinsen auch bei ihren Einlagen ankommen.

Lokaler Faktor: Die Tech-Branche

Zudem spielte bei der Schieflage der Silicon Valley Bank ein wichtiger lokaler Faktor eine große Rolle: In der Tech-Szene ist seit dem Zinsanstieg die Liquidität der High-Tech-Unternehmen ausgetrocknet. Noch vor einem Jahr war es für diese Unternehmen sehr leicht, Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen. Oft wurde dann das Geld in Banken geparkt, um die bei Start-ups in der Anfangsphase oft auflaufenden Verluste zu tragen. Diese Liquidität ist nicht mehr vorhanden, was dazu geführt hat, dass Tech-Unternehmen ihre Einlagen aufbrauchen oder ganz abziehen, um Defizite auszugleichen.

Drei Lehren aus der Pleite

Es gibt daher in meinen Augen drei wichtige Lehren aus der Pleite der Silicon Valley Bank für die europäische Bankenaufsicht: Erstens, wer hat die meisten Zinsrisiken übernommen und inwieweit sind diese Institutionen in der Lage, diese Risiken zu tragen? Zweitens, welche Finanzinstitutionen haben disproportional viele Einlagen von Institutionen, wie Firmen, Anlagefonds oder anderen informierten Akteuren, die erwarten, dass die Zinserhöhungen auch voll auf Einlagen weitergegeben werden? Und drittens: Die Bankenaufsicht sollte bei Banken genauer hinschauen, die besonders in der Start-up-Szene als Liquiditätsgeber unterwegs waren. Wenn die Insolvenz der Silicon Valley Bank Lehren für Deutschland und Europa beinhaltet, dann für diese Institutionen.

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