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Kommentar: Freihandel, Protektionismus und das stabile Genie

Protektionismus ist schlecht, aber vielleicht nicht ganz so schlecht, wie ihn viele Leute machen. Zölle sind kurzfristig nichts anderes als Umverteilung: von vielen Konsumenten zu einigen wenigen inländischen Produzenten und deren Mitarbeitern. Denken Sie zum Beispiel an Zölle auf Stahl: Die Konsumenten leiden, weil Autos, Maschinen und alles, wofür es sonst noch Stahl braucht, teurer wird. Allerdings profitieren die im Vergleich zu den ausländischen Wettbewerbern ineffizienteren inländischen Stahlhersteller.

18. Dezember 2019

Autoren Reint E. Gropp

Sie stellen möglicherweise sogar mehr Mitarbeiter ein. In der Geschichte lassen sich durchaus Länder finden, die mit relativ hohen Zöllen gut gelebt haben, jedenfalls solange die Jobverluste in der Exportindustrie oder in Sektoren, die viele Vorleistungen importieren, ausgeglichen werden durch die Jobgewinne in Sektoren, die von den Zöllen profitieren. Das mag zurzeit in den USA sogar der Fall sein. Man muss allerdings auch sagen: Langfristig sieht die Sache ganz anders aus. Die USA werden insgesamt ärmer und ihre Wirtschaft ineffizienter, da sie nicht von der globalen Arbeitsteilung profitiert. Zu viel Kapital fließt in global gesehen relativ unproduktive Sektoren und zu wenig in produktive. Darüber hinaus leidet die Innovationskraft der Wirtschaft, da der Druck, Produkte ständig zu verbessern, durch die mangelnde Konkurrenz ausländischer Firmen nachlässt. Darunter leiden mittelfristig das Produktivitätswachstum, die Löhne und das Pro-Kopf-Einkommen.

Eine erratische Handelspolitik, wie sie momentan von Präsident Trump betrieben wird, ist nun allerdings noch viel schlechter als stabiler Protektionismus. Blicken wir nur auf die Geschehnisse der vergangenen Wochen und Monate zurück: Im Sommer kündigte Trump an, dass auf noch viel mehr chinesische Güter Zölle erhoben werden sollen, nur um es anschließend wieder zurückzunehmen, wohl aus Angst, Wähler vor Weihnachten mit höheren Preisen auf Spielzeug und anderen aus China importierten Gütern zu verprellen. Allerdings wurden die Zölle nicht gestrichen, sondern nur vertagt. China reagierte auf diese Ankündigung mit eigenen Zöllen, was wohl nun wirklich nicht überraschen kann. Darauf twitterte ein wütender Trump, dass er noch höhere Zölle auf chinesische Importe erheben will und ordnete gleichzeitig an, dass amerikanische Firmen ihre Geschäfte mit China ganz einstellen sollen. Wenn auch wohl eher eine leere Drohung, zeigte sie natürlich doch Trumps völliges Unverständnis internationaler Arbeitsteilung und Lieferketten, was wiederum jedes international operierende Unternehmen nur mit Sorge erfüllen kann. Auf dem G7-Gipfel in Biarritz äußerte er dann Zweifel an seiner Handelspolitik (second thoughts), nur um das postwendend vom Sprecher des Weißen Hauses dementieren zu lassen. Schließlich dann die Verwirrung, ob tatsächlich Verhandlungen über Zölle stattfinden (Trump behauptete ja, die Chinesen nein), und im Dezember tatsächlich die Teileinigung, die eine neue Eskalationsrunde bei den Zollsätzen mitten im Weihnachtsgeschäft noch verhinderte – es ist fraglich, wie lange sie hält.

Warum ist diese erratische Handelspolitik schädlicher für die wirtschaftliche Entwicklung als konstant hohe Zölle? Einfach deshalb, weil die Unternehmen alle Entscheidungen zurückstellen, da sie sich als falsch erweisen könnten: Sollen sich die Unternehmen jetzt auf langfristig höhere Zölle einstellen und in die einheimische Produktion investieren, die Substitute für Importe herstellt? Wohl eher nicht, denn es könnte sein, dass Trump die Drohungen nur benutzt, um sich in den Verhandlungen mit den Chinesen Vorteile zu verschaffen, und dass die Zölle langfristig sogar fallen. Oder sollen die Unternehmen jetzt so investieren wie in der Vergangenheit, sich also auf funktionierende Lieferketten und Exportmärkte verlassen? Wohl auch nicht: Vielleicht bleiben die Zölle langfristig hoch. Alle Entscheidungen über Investitionen werden also erst einmal vertagt. Kein verantwortungsbewusster Unternehmer wird in solch einem Klima der kompletten Unsicherheit größere Investitionen tätigen. Es ist also durchaus möglich, dass die Unsicherheit über die Handelspolitik der USA eine globale Rezession auslöst, und nicht so sehr die Handelspolitik selbst. Die negativen Effekte langanhaltender Unsicherheit kann man im Übrigen auch sehr schön im Zusammenhang mit dem Brexit beobachten. Unsicherheit ist vielleicht das schlimmste Gift für die Wirtschaft.

Außerdem in diesem Heft

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Aktuelle Trends: Fachkräftemangel hat in den letzten zehn Jahren in Ost und West stark zugenommen

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2019

Abstract

Vor dem Hintergrund sinkender Arbeitslosenzahlen und einer alternden Bevölkerung – vor allem im Osten Deutschlands – ist der immer schwieriger zu deckende Bedarf der Betriebe an Fachkräften in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema in der öffentlichen und politischen Arbeitsmarktdebatte geworden. Fachkräfteengpass herrscht, wenn Betriebe Probleme haben bei der Besetzung von Stellen für qualifizierte Tätigkeiten, die eine Berufsausbildung, vergleichbare Berufserfahrung oder einen Hochschulabschluss erfordern. Wie hoch der Anteil der nicht besetzten Stellen an den insgesamt angebotenen Stellen ist, wird durch die Nichtbesetzungsquote angegeben. Sie kann damit als Indikator für einen Fachkräfteengpass interpretiert werden.

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Zur Wirtschaftskraft deutscher Regionen aus langfristiger Perspektive: Alte Muster werden in Ostdeutschland langsam wieder sichtbar

Axel Lindner

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2019

Abstract

Kann der Osten Deutschlands in Zukunft noch wesentlich aufholen, oder haben die 40 Jahre Zentralplanwirtschaft dauerhafte Spuren in der Raumstruktur der deutschen Volkswirtschaft hinterlassen? Dieser Beitrag vergleicht die Raumstruktur der deutschen Volkswirtschaft im Jahr 1925, vor den politischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts, mit ihrer Entwicklung nach der Vereinigung. Es zeigen sich folgende Punkte: Gewinner der historischen Umbrüche war eher Süd- als Westdeutschland. Berlin konnte sein Hauptstadt-Potenzial lange nicht ausspielen, beginnt dies aber nun nachzuholen. Die Wirtschaftskraft ostdeutscher Flächenländer war 1925 breit gestreut und dabei teils höher, teils niedriger als die Deutschlands. Seit 1990 ist sie dagegen viel niedriger als im gesamtdeutschen Durchschnitt und liegt eng beieinander. Zwar holten die ostdeutschen Flächenländer in den Jahren nach 1990 zügig auf, nach dem Jahr 2000 aber nur noch langsam. Die Streuung nimmt erst seit 2010 wieder ein wenig zu. Aus historischer Perspektive sehen manche Tendenzen, etwa der Berlin-Boom und die höhere Wachstumsdynamik in Sachsen, wie eine Normalisierung aus, die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit fortsetzen dürfte.

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Ostdeutscher Produktivitätsrückstand und Betriebsgröße

Steffen Müller Georg Neuschäffer

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2019

Abstract

Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall ist die Produktivität der ostdeutschen Wirtschaft um 20% geringer als die der westdeutschen. Vielfach wird dies dadurch erklärt, dass westdeutsche Betriebe größer sind – denn größere Betriebe sind meist produktiver. Berechnungen auf Basis einzelbetrieblicher Daten bringen jedoch zum Vorschein, dass die Produktivitätslücke sich selbst dann nicht schließt, wenn Betriebe ähnlicher Größe verglichen werden, die zudem noch der gleichen Branche angehören und Ähnlichkeiten in weiteren für die Produktivität relevanten Merkmalen wie der Kapitalintensität, der Exporttätigkeit und dem Anteil qualifizierten Personals aufweisen.

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