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Konjunktur aktuell: Gute Konjunktur in Deutschland und in der Welt

Im Frühsommer 2017 ist die konjunkturelle Dynamik in der Welt recht kräftig. Wichtige Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaft dürften günstig bleiben: Die Zinsen werden weiterhin fast überall niedrig sein, und das im Allgemeinen ruhige Preisklima deutet darauf hin, dass von der Angebotsseite insgesamt bislang kaum Spannungen ausgehen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich bereits seit Frühjahr 2013 in einem langgezogenen Aufschwung; sie wird im Sommerhalbjahr wohl weiter deutlich expandieren. Die Binnennachfrage und wegen der günstigen Arbeitsmarktlage insbesondere der private Konsum dürften kräftig bleiben. Die privaten Haushalte werden bei anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen auch ihre Bauaktivitäten weiter ausweiten, ebenso die Gebietskörperschaften, zumal die Steuereinnahmen hoch sind. Die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts ist allerdings wegen der geringeren Zahl an Arbeitstagen in diesem Jahr mit 1,6% niedriger als im Jahr 2016. Im kommenden Jahr dürfte der Zuwachs 1,8% betragen. Mit jeweils 1,7% in diesem und im nächsten Jahr fällt der Anstieg der Verbraucherpreise moderat aus, aber deutlich stärker als in den drei Jahren zuvor. Die Arbeitslosigkeit nimmt zunächst weiter ab. Die öffentlichen Haushalte erzielen weiterhin deutliche Überschüsse, auch in konjunkturbereinigter Rechnung. Die ostdeutsche Wirtschaft dürfte im Jahr 2017 wie bereits im Jahr zuvor um zwei Zehntel Prozentpunkte stärker zulegen als in Deutschland insgesamt. Risiken für die deutsche Wirtschaft resultieren vor allem aus den globalen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.

08. Juni 2017

Autoren Oliver Holtemöller Hans-Ulrich Brautzsch Andrej Drygalla Katja Heinisch Martina Kämpfe Konstantin Kiesel Axel Lindner Brigitte Loose Jan-Christopher Scherer Birgit Schultz Matthias Wieschemeyer Götz Zeddies

Lebhafter Welthandel

Im Frühsommer 2017 ist die konjunkturelle Dynamik in der Welt recht kräftig. Darauf deuten fast überall die bei Unternehmensbefragungen gemessenen Stimmungsindikatoren hin. Allerdings fielen die Produktionsdaten für das erste Quartal des Jahres gemischt aus: Im Euroraum und in Japan lag die gesamtwirtschaftliche Expansion weiterhin deutlich über dem jeweiligen Trendwachstum. Dagegen fiel in den USA die Produktion im ersten Quartal überraschend schwach aus. Andere Indikatoren wie die Beschäftigung oder die Industrieproduktion lassen für die USA allerdings keine konjunkturelle Abschwächung erkennen. In China ging die gesamtwirtschaftliche Expansion zuletzt gemessen an der Vorquartalsrate ebenfalls zurück, und auch hier deuten andere Indikatoren wie der Elektrizitätsverbrauch und vor allem der Außenhandel auf eine weiterhin kräftige Konjunktur hin. Vor allem auf Ostasien ist denn auch die Belebung des Welthandels seit Herbst 2016 zurückzuführen. Hintergrund sind wohl nicht nur expansive wirtschaftspolitische Maßnahmen in China. Vielmehr dürften die ostasiatischen Volkswirtschaften von der zuletzt etwas stärkeren Weltkonjunktur besonders profitieren, weil in Ostasien das von konjunkturellen Schwankungen besonders betroffene Verarbeitende Gewerbe eine große Rolle spielt. Dieser Wirtschaftszweig dürfte auch Impulse vom drastischen Fall des Ölpreises in den Jahren 2014 und 2015 erhalten haben. Dieser Effekt, läuft zurzeit allmählich aus, denn seit einem Jahr schwankt der Ölpreis in einem Band von etwa 40 bis 58 US-Dollar pro Barrel (Brent).

Viele Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaft sind derzeit günstig: Die Zinsen dürften in diesem und im nächsten Jahr über alle Fristen hinweg fast überall niedrig bleiben. Insbesondere wird die US-Notenbank den Leitzins nur behutsam (auf 2,25% Ende 2018) anheben. Die Stimmung auf den Finanzmärkten ist weiterhin freundlich: Seit Jahresanfang haben die Aktienkurse bis Anfang Juni sowohl in den USA (gemessen am S&P500) als auch im Euroraum (gemessen am EuroStoxx50) um etwa 8% zugelegt. Die Inflation ist weiter niedrig. Davon sind nur Länder wie Großbritannien ausgenommen, deren Währungen stark abgewertet haben. Das im Allgemeinen ruhige Preisklima deutet darauf hin, dass von der Angebotsseite kaum mit Restriktionen zu rechnen ist, obwohl in einigen großen Volkswirtschaften wie den USA, Japan und Deutschland nahezu Vollbeschäftigung herrscht.

In den USA bleibt die Konjunktur zwar aufwärtsgerichtet, der Jahreszuwachs der Produktion fällt allerdings aufgrund des schwachen ersten Quartals niedriger aus als noch im Frühjahr erwartet worden war. Für das Jahr 2018 wird in dieser Prognose mit keinen deutlichen Fiskalimpulsen gerechnet. Die Erwartungen im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der US-Wirtschaftspolitik sind auch auf den Finanzmärkten zurückgeschraubt worden. So notiert der Euro Anfang Juni mit reichlich 1,11 US-Dollar wieder etwas höher als kurz vor der US-Präsidentenwahl im vergangenen November.

Im Euroraum setzt sich der moderate Aufschwung fort. Darauf deuten die guten Stimmungsindikatoren hin. Zudem setzt sich der deutliche Beschäftigungsaufbau in den meisten Mitgliedsländern fort, und die Investitionen, insbesondere in Bauten, haben zuletzt kräftig angezogen. Eine höhere Investitionsaktivität dürfte ausgleichen, dass Realeinkommen und privater Konsum wegen der Stabilisierung des Ölpreises nicht mehr so stark steigen wie im vergangenen Jahr. Die Finanzpolitik ist im Euroraum gegenwärtig leicht expansiv ausgerichtet. Alles in allem dürfte die Zuwachsrate im Euroraum in diesem Jahr mit 1,9% sogar noch etwas höher liegen als im Jahr 2016.

Die Weltproduktion expandiert nach vorliegender Prognose in den Jahren 2017 und 2018 um jeweils 3,0%.

Die konjunkturellen Risiken sind für den Euroraum zuletzt geringer geworden. So haben die jüngsten Wahlen den Einfluss globalisierungsfeindlicher Parteien auf die europäische Wirtschaftspolitik eher reduziert. Auch ist aufgrund der guten Konjunktur ein Wiederaufflammen der Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum gegenwärtig unwahrscheinlich, denn die Haushaltslage der Mitgliedsstaaten hat sich zumindest vorübergehend verbessert. So hat die Europäische Kommission angekündigt, die Defizitverfahren gegen Portugal und Kroatien einzustellen. Allerdings bleibt das Risiko einer Verschlechterung der globalen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hoch.

Vorbemerkung: Die Webfassung des Dokuments enthält den vollständigen Text und die wesentlichen Abbildungen und Tabellen. Die PDF-Fassung enthält darüber hinaus ergänzendes Material (Kästen zu den Annahmen der Prognose und zur Schätzung des Produktionspotenzials, Fußnoten, Anhänge).

Deutsche Wirtschaft expandiert auf breiter Basis

Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit Frühjahr 2013 in einem langgezogenen Aufschwung. Der Auslastungsgrad hat zu Beginn des Jahres beschleunigt zugenommen und dürfte leicht überdurchschnittlich sein. Die konjunkturelle Dynamik hat sich damit weiter gefestigt und auf eine breitere Basis gestellt. Tragende Säule ist nach wie vor die gute Konstitution des Arbeitsmarktes. Der Beschäftigungsaufbau stützt seit geraumer Zeit den privaten Konsum. Davon profitieren die konsumnahen Bereiche des Verarbeitenden Gewerbes und der Dienstleistungssektor. Zudem wurden die Bauinvestitionen kräftig ausgeweitet, weiterhin begünstigt durch das niedrige Zinsniveau. Zuletzt haben mit dem Anziehen des Welthandels auch die Exporte wieder an Bedeutung gewonnen und bei zunehmender Kapazitätsauslastung eine Ausweitung der Ausrüstungen notwendig gemacht. Bei etwas verhalteneren Importen hat der Außenhandel im ersten Quartal rechnerisch einen positiven Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt geleistet, nachdem er zuvor negativ zu Buche geschlagen hatte.

Der IWH-Flash-Indikator signalisiert, dass die deutsche Wirtschaft auch im Sommerhalbjahr 2017 ihre kräftige Expansion fortsetzt. Nach der deutlichen Zunahme der Wirtschaftsleistung im Auftaktquartal um 0,6% ist für das zweite Vierteljahr erneut ein Plus von 0,6% und für das Folgequartal eines von 0,4% zu erwarten. Dafür sprechen etwa die positiven Aussichten der gewerblichen Wirtschaft. So waren die ifo Geschäftserwartungen zuletzt in fast allen großen Wirtschaftsbereichen aufwärtsgerichtet, im Verarbeitenden Gewerbe gingen im Februar und im März wieder mehr Aufträge ein und für das Baugewerbe sind die Auftragsbestände hoch. Die Impulse dürften im Sommerhalbjahr deshalb vor allem von der inländischen Nachfrage ausgehen. Die ifo Exporterwartungen haben sich auch weiter verbessert; sie lagen im Mai auf dem höchsten Stand seit Januar 2014. Zusammen mit der Einschätzung der Weltkonjunktur weist dies auf eine fortgesetzte Ausweitung der Ausfuhren hin.

Die Binnennachfrage dürfte robust bleiben. Das gilt vor allem für den privaten Konsum. Die dämpfenden Impulse von Seiten der gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise auf den privaten Konsum laufen aus, und die günstige Arbeitsmarktlage vermittelt den Verbrauchern weiterhin eine hohe Arbeitsplatz- und Einkommenssicherheit. Dies regt bei anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen auch die Bauaktivitäten der privaten Haushalte weiter an; vor dem Hintergrund der hohen Steuereinnahmen werden zudem die Gebietskörperschaften ihre Bauinvestitionen kräftig ausweiten. Von den Unternehmen sind angesichts der bereits derzeit überdurchschnittlich ausgelasteten Kapazitäten in vielen Wirtschaftsbereichen und günstiger Finanzierungsbedingungen ebenfalls mehr Investitionen zu erwarten. Die Konsumausgaben des Staates werden im Prognosezeitraum dagegen an Tempo verlieren, da die im Staatsverbrauch verbuchten Ausgaben im Zusammenhang mit der Fluchtmigration allmählich zurückgehen.

Insgesamt bleibt die Binnennachfrage recht kräftig und die Importe nach Deutschland ziehen wieder an, so dass der Außenhandel im kommenden Jahr per saldo die Expansion der Produktion wohl dämpfen wird. Der Überschuss der deutschen Leistungsbilanz, der im Durchschnitt des Jahres 2016 bei etwa 8,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt lag, dürfte in den Jahren 2017 und 2018 auf 7,8% zurückgehen.

Alles in allem dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2017 um 1,6% steigen und im Jahr darauf um 1,8%. Das IWH ging im März 2017 für das laufende Jahr von 1,3% und für 2017 von 1,6% aus. Die Aufwärtskorrektur um drei Zehntel Prozentpunkte im laufenden Jahr ist zu einem Großteil dem starken ersten Quartal zuzurechnen. Dahinter steht vor allem ein deutlich stärkerer Beitrag des Außenhandels. Unter Ausschluss der Effekte der jährlich schwankenden Zahl an Arbeitstagen wird die Expansion der gesamtwirtschaftlichen Produktion in den Jahren 2017 und 2018 nun in etwa so kräftig wie im Jahr 2016 eingeschätzt (vgl. Tab. 3). Für das Jahr 2017 reicht das 68%-Prognoseintervall für den Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 0,9% bis 2,2%, für das Jahr 2018 von 0,1% bis 3,5%. Der Finanzierungssaldo des Staates erhöht sich im laufenden Jahr auf 1% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt; im Jahr 2018 dürfte sich der Überschuss der öffentlichen Haushalte auf 0,8% belaufen. Der strukturelle Überschuss des Gesamtstaats beträgt 0,8% im Jahr 2017 und 0,5% im Jahr 2018.

Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im Jahresdurchschnitt 2016 um 538 000 Personen bzw. um 1,2%. Getragen wurde der Beschäftigungsaufbau erneut von der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Die Zahl der aus¬schließlich geringfügig Beschäftigten nahm weiter ab. Aber auch die Zahl der Selbstständigen ging weiter zurück. Die auf die Erwerbspersonen bezogene Arbeitslosenquote sank erstmalig seit der Wiedervereinigung unter die Sechs-Prozent-Marke. Im Jahr 2017 dürfte sich der Beschäftigungsaufbau wegen der positiven Entwicklung der Produktion fortsetzen. Im Jahresdurchschnitt dürfte er auch wegen des Anstiegs im ersten Quartal noch höher ausfallen als im Jahr 2016. Die registrierte Arbeitslosigkeit nimmt weiter ab. Die für die ersten fünf Monate des Jahres vorliegenden Daten lassen einen Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um 136 000 Personen erwarten. Die Zahl der arbeitslos registrierten Personen im Kontext von Fluchtmigration dürfte zwar merklich zunehmen. Dies wird sich wohl nur allmählich in der Höhe der Arbeitslosigkeit insgesamt niederschlagen, da die Arbeitslosigkeit unter den heimischen Erwerbspersonen weiter deutlich abnimmt. Erst im Jahr 2018 könnte eine Abflachung beim Abbau der Arbeitslosigkeit sichtbar werden. Die Arbeitslosenquote wird im Durchschnitt des Jahres 2017 bei 5,5% und im Jahr 2018 bei 5,4% liegen. Das Erwerbspersonenpotenzial wird im Prognosezeitraum weiter kräftig zunehmen. Bei der Prognose muss beachtet werden, dass sowohl die registrierte Arbeitslosigkeit als auch die Erwerbstätigkeit maßgeblich von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen beeinflusst werden. Sollten Personen im Kontext der Fluchtmigration noch stärker als bisher durch derartige Maßnahmen gefördert werden, wird der Anstieg der Arbeitslosigkeit geringer ausfallen, da Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen nicht zu den registrierten Arbeitslosen zählen. Zudem werden Teilnehmer in einigen Maßnahmen wie beispielsweise Ein-Euro-Jobs den Erwerbstätigen zugerechnet, sodass derartige Maßnahmen auch die Zahl der Erwerbstätigen beeinflussen.

Auch die ostdeutsche Wirtschaft dürfte weiter moderat expandieren. Zu Jahresbeginn haben die Umsätze des Verarbeitenden Gewerbes wie auch in Deutschland insgesamt zugenommen, und die Auftragseingänge sind auf breiter Basis aufwärts gerichtet. Das Baugewerbe profitiert ähnlich wie in Deutschland von den insgesamt guten Rahmenbedingungen und der steigenden Nachfrage in Ballungszentren wie Berlin, Leipzig, Dresden und anderen Universitätsstädten. Zudem gehen Impulse von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen aus. Zwar werden Nachfrage und Produktion in den ostdeutschen Flächenländern nach wie vor durch eine demografische Entwicklung gedämpft, die schwächer ist als in Deutschland, der Bevölkerungszuwachs in Berlin und die sich dort fortsetzende gute Konjunktur im Dienstleistungsbereich werden dies aber wohl überkompensieren. Während die ostdeutschen Flächenländer im Jahr 2017 mit 1,5% wohl geringfügig schwächer expandieren als die westdeutschen, dürfte die ostdeutsche Wirtschaft einschließlich Berlin erneut um zwei Zehntel Prozentpunkt stärker zulegen als Deutschland insgesamt. Der etwas schwächere Zuwachs der Produktion als im Vorjahr resultiert – wie in Deutschland insgesamt – vor allem aus der geringeren Anzahl von Arbeitstagen. Der Aufholprozess Ostdeutschlands beim Bruttoinlandsprodukt je Ein¬wohner setzt sich bei etwas geringerer Bevölkerungsentwicklung als in Westdeutschland in kleinen Schritten fort. Im Verlauf des Jahres 2017 wird die Beschäftigung in Ostdeutschland weiter zunehmen. Für das Jahr 2016 liegen noch keine amtlichen Angaben für die Großregionen Ost- und Westdeutschland vor. Nach Schätzungen des IWH dürfte die Zahl der Beschäftigten im Jahr 2016 in Ostdeutschland um 1,3% zugenommen haben (Westdeutschland: 1,2%). Im Jahr 2017 dürfte der Beschäftigungsaufbau in Ostdeutschland mit ca. 1,4% genauso hoch sein wie in Westdeutschland. Die registrierte Arbeitslosigkeit nimmt weiter ab. Im Jahresdurchschnitt dürften 650 000 Personen arbeitslos gemeldet sein. Die Arbeitslosenquote wird wohl dann bei 7,6% liegen.

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