Neuere Anwendungsfelder der Input-Output-Analyse - Beiträge zum Halleschen Input-Output-Workshop 2010
Im März 2010 trafen sich die Input-Output-Experten aus dem Bereich Forschung und Statistik im deutschsprachigen Raum und aus dem Statistischen Amt der Europäischen Union zum fünften Mal am Institut für Wirtschaftsforschung Halle und berichteten über weitere Fortschritte bei der Erstellung von nationalen Input-Output-Tabellen und über neue Anwendungen der Input-Output-Analyse. Aufgrund der Vielfalt der Themen hat der Herausgeber das Motto des ersten Treffens im Jahr 2002 auch dieses Mal beibehalten und präsentiert die Beiträge weiterhin als Serie unter dem Titel „Neuere Anwendungsfelder der Input-Output-Analyse“. Der vorliegende Band umfasst die aktualisierten Fassungen der Vorträge, die am 18. und 19. März 2010 zu drei thematischen Schwerpunkten gehalten worden sind: Erstellung von Input-Output-Tabellen, neuere Anwendungen der Input-Output-Methode und umweltbezogene Input-Output-Analysen.
29. März 2012
Im ersten Schwerpunkt stellt P. Bleses (Statistisches Bundesamt) das aktuelle Tabellenprogramm der amtlichen Input-Output-Rechnung für Deutschland gemäß dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) von 1995 vor, und er gibt einen Ausblick auf die Aktivitäten zur Aufstellung der Input-Output-Tabellen für das Berichtsjahr 2008 nach der Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahr 2011. Besonderes Augenmerk legt er auf die Datenlage und die Aufgaben für die Forschung zur Integration der Anlagevermögensrechnung in das Tabellenwerk. In einem weiteren Beitrag zum Tabellenwerk berichten
U. Ludwig und B. Loose (IWH) über ihre Ergebnisse bei der Aufstellung von regionalen Aufkommenstabellen für die in Ost- und in Westdeutschland angesiedelte Fertigung von Industriegütern. Sie haben dazu die Angaben aus den vierteljährlichen Produktionserhebungen der amtlichen Statistik nach der räumlichen Herkunft in Form von Kreuztabellen (Make-Matrizen) mit der Dimension „Gütergruppen zu Industriezweigen“ aufbereitet und nach der Branchenzugehörigkeit ausgewertet. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich im Zeitraum von 1997 bis 2005 eine deutliche Angleichung der branchentypischen Herstellung der Gütergruppen in Ostdeutschland an westdeutsche Verhältnisse vollzogen hat. U.-P. Reich behandelt in seinem Beitrag ein Grundsatzproblem der Input-Output-Rechnung und der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen: die Deflationierung von Aggregatgrößen.
Der zweite Schwerpunkt liegt auf verschiedenen Anwendungsfeldern der Input-Output-Methode. Im Beitrag von M. Luptacik und M. Labaj (Wirtschaftsuniversität Wien) wird die Entwicklung der slowakischen Wirtschaft zwischen den Jahren 2000 und 2005 analysiert, wobei auch die Methode der Dekompositionsanalyse angewendet wird. Gestützt auf die Außenhandelsströme von acht EU-Ländern greift
G. Ahlert (Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH, Osnabrück) die Diskussion zur Basarökonomie auf. Er siedelt den Basareffekt im Bereich der Wiederausfuhr von Fertiggütern an. Unter Nutzung des Standardansatzes der Input-Output-Analyse kommt er zu dem Schluss, dass der Effekt kein deutsches Phänomen, sondern ein Nebeneffekt der Globalisierung ist. Die Minderung der Wertschöpfung im Jahr 2005 beziffert er für Deutschland mit knapp einem Viertel. Die Wirkung des Effektes fällt damit im europäischen Vergleich am geringsten aus. A. Diekmann untersucht in seinem Beitrag die Entwicklung und die Entwicklungsperspektiven der deutschen Automobilindustrie. Der in der nationalen Input-Output-Tabelle ausgewiesene Produktionsbereich Kraftwagen und Kraftwagenteile wird durch eine differenzierte Analyse von Teilbereichen der Automobilbranche erweitert. N. Heiling und
J. Richter (Wirtschaftskammer Österreich und Universität Innsbruck) analysieren mit Hilfe der Input-Output-Tabelle die Verkehrskostenbelastung in Österreich. Sie diskutieren die Darstellungskonzepte für Verkehrsleistungen in den Aufkommens- und Verwendungstabellen und präsentieren detaillierte Berechnungsergebnisse zum Gesamtgehalt an Transportleistungen der einzelnen Güter. M. Titze, M. Brachert und H.-U. Brautzsch (IWH) widmen sich der Anwendung der Qualitativen Input-Output-Analyse zur Identifikation industrieller Cluster. Dabei wird das in der Input-Output-Tabelle enthaltene Mengengerüst an Vorleistungsverflechtungen durch Beschäftigungseinheiten neu bewertet. Die mit dem modifizierten Modell identifizierten Cluster werden mit denjenigen Clustern verglichen, die mit dem traditionellen Input-Output-Modell für die Arbeitsmarktregion Stuttgart ermittelt wurden.
Im dritten Schwerpunkt wird über Fortschritte bei der Integration der Umweltproblematik in die Input-Output-Analyse berichtet. K. Wiebe (Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH, Osnabrück) stellt ein multiregionales Input-Output-Modell vor, mit dem die CO2-Emissionen ermittelt werden. Im Unterschied zu früheren Untersuchungen werden in diesem Modell die Emissionen jedoch nicht den produzierenden Herkunftsländern zugewiesen, sondern den Ländern, in denen die Güter konsumiert werden. Das Modell umfasst 53 Länder und zwei Weltregionen mit jeweils 48 Wirtschaftszweigen pro Land. Hauptergebnis ist eine CO2-Emissions-Handels-Matrix.
H. Mayer (Statistisches Bundesamt) widmet sich auf nationaler Ebene einem ähnlichen Problem und präsentiert den CO2-Gehalt von deutschen Export- und Importgütern. Er erweitert dazu das klassische Input-Output-Modell um einen Block mit dem mengenmäßigen Verbrauch an Energie. Der Emissionsgehalt an CO2 wird über sektorale Emissionskoeffizienten erfasst. Die Berechnungen ergeben für das Jahr 2007 einen im Vergleich zu den Importgütern höheren Emissionsgehalt der Exportgüter. Die Emissionen der Importgüter wurden nach ihren Entstehungsländern regionalisiert. Schließlich geht T. Kronenberg (Forschungszentrum Jülich) den Effekten des demographischen Wandels auf Energieverbrauch und Umweltbelastungen durch Emissionen von CO2 und NOX nach. Dazu entwickelt er ein Input-Output-Modell, in dem der Sektor der privaten Haushalte nach demographischen Merkmalen strukturiert wird. Im Ergebnis zeigt sich, dass durch die demographieinduzierte Verschiebung der Konsumausgaben tendenziell eine – wenn auch prozentual geringe – Reduktion von Energieverbrauch und Emissionen erreicht wird.