Produktivität: Mehr mit weniger durch besser

Die verfügbaren Ressourcen sind begrenzt. Nur wenn wir sie intelligenter nutzen,  können wir Einkommen und Lebensstandard unserer Gesellschaft in einer Welt des ökologischen und demographischen Umbruchs erhalten.

Dossier

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Auf den Punkt

Die Nobelpreisträger Paul Samuelson und William Nordhaus bringen es in ihrem klassischen Wirtschaftslehrbuch auf den Punkt: Ökonomik ist wichtig, da Ressourcen knapp sind. Produktivitätsforschung steht daher im Mittelpunkt der Ökonomik: Sie erforscht, wie knappe Ressourcen effizient in Waren und Dienstleistungen und damit in Wohlstand umgewandelt werden können. Soll die Verwendung von Ressourcen zum Beispiel aus ökologischen Gründen reduziert werden, kann nur Produktivitätswachstum den derzeitigen materiellen Lebensstandard in unserer Gesellschaft sichern. Die Alterung unserer Gesellschaft und die dadurch verursachte Verknappung der Ressource Arbeit ist eine der größten Herausforderungen der Zukunft; eine Lösung ist ohne Produktivitätswachstum kaum vorstellbar. Um die Prozesse zu verstehen, die Produktivitätswachstum auslösen, ist ein Blick in Mikrodaten auf Unternehmensebene unverzichtbar.

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Produktivität ist das Verhältnis zwischen Output und Input. Sie lässt sich unterschiedlich messen. Während das Konzept der totalen Faktorproduktivität beschreibt, wie effizient Arbeit, Maschinen und alle anderen Ressourcen genutzt werden, betrachtet die Arbeitsproduktivität vereinfachend die Wertschöpfung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) pro Arbeitnehmer. Sie misst im gesamtwirtschaftlichen Sinn das Pro-Kopf-Einkommen.

Das Wachstum der Produktivität verläuft immer langsamer

Erstaunlicherweise haben sich die Fortschritte bei der Produktivität trotz massiver Technisierung und Digitalisierung in den letzten Jahrzehnten verlangsamt. Wie in Abbildung 1 zu sehen wuchs die Arbeitsproduktivität in den 1960er und 1970er Jahren viel stärker als heute. Noch Anfang der 1970er Jahre wuchs das BIP pro Arbeitsstunde in den G7-Ländern jedes Jahr um etwa 4%. Danach sanken die jährlichen Wachstumsraten des BIP auf etwa 2% in den 1980er und 1990er Jahren. Nach 2010 fiel das jährliche Produktivitätswachstum sogar auf etwa 1%.

Das ist ein dramatischer Verlust an potenziellem Einkommen: Wäre das Produktivitätswachstum von 4% in den viereinhalb Jahrzehnten von 1972 bis 2017 stabil gewesen, dann wäre das BIP der G7-Länder pro Arbeitsstunde heute unvorstellbare zweieinhalbmal so hoch wie es tatsächlich ist. Was für ein Potenzial, um beispielsweise Armut zu bekämpfen oder Forschung zu grundlegenden Themen wie Krebsheilung oder die Nutzung der Kernfusion als Energiequelle zu fördern!

Warum also ist das Produktivitätswachstum so drastisch gesunken, obwohl wir doch gleichzeitig einen Boom bei den neuen digitalen Technologien ausmachen können, die doch eigentlich das Produktivitätswachstum steigern sollen? Sicherlich könnte ein Teil des Rückgangs irreführend und durch eine falsche Bemessung des Beitrags der digitalen Technologien verursacht worden sein. So ist es natürlich schwierig, den Wert einer Google-Suche oder eines weiteren Videos auf YouTube zu messen. Allerdings sind sich die meisten Beobachter einig, dass ein Teil der Verlangsamung real ist.

Technik-Skeptiker und Technik-Optimisten

Die Technik-Skeptiker auf der einen Seite behaupten, dass diese neuen Technologien einfach nicht so starke Auswirkungen auf die Produktivität haben, wie es beispielsweise die Elektrifizierung oder der Verbrennungsmotor hatten. Auf der anderen Seite argumentieren die Technik-Optimisten, dass es viele Jahre dauern kann, bis die Produktivitätseffekte neuer Technologien einsetzen. Möglicherweise sind die derzeitigen neuen Technologien nur die Werkzeuge, um in Zukunft noch folgenreichere Innovationen zu entwickeln.

Während sich ein Teil der Diskussion mit der Art der neu erfundenen Technologien befasst, besteht für andere das Problem darin, dass Erfindungen heutzutage nur langsam von den Technologieführern zu den Nachzüglern durchsickern können (Akcigit et al., 2021). Dadurch würde eine Kluft zwischen einigen wenigen Superstar-Unternehmen und der Masse entstehen. Eine stärkere Marktkonzentration und die Marktmacht von Superstar-Unternehmen könnten den Wettbewerbsdruck und die Innovationsanreize verringern.

Zu guter Letzt ist ein deutlicher Rückgang bei der Schumpeter’schen „kreativen Zerstörung“ zu verzeichnen: Weniger Firmen werden gegründet, alte Firmen überleben länger. Das bedeutet, dass knappe Ressourcen wie Arbeit und Kapital nicht mehr in der nötigen Geschwindigkeit neu kombiniert und somit ihrer produktivsten Verwendung zugeführt werden.

Während die Erklärung für und der Weg aus diesem „Produktivitätspuzzle“ noch unbekannt sind, scheint der Rückgriff auf detaillierte Daten auf Unternehmensebene der vielversprechendste Ansatz zu sein, um Antworten zu finden.

Was sind die Quellen des Produktivitätswachstums?

Das aggregierte Produktivitätswachstum einer Volkswirtschaft kommt wie zuvor beschrieben auf zwei Weisen zustande: i) durch eine effizientere Nutzung der verfügbaren Ressourcen in den bestehenden Unternehmen und ii) durch eine verbesserte Verteilung der Ressourcen zwischen den Unternehmen.

Eine höhere Effizienz bestehender Unternehmen entsteht zum Beispiel durch Innovationen (Acemoglu et al., 2018) oder eine verbesserte Unternehmensorganisation etwa durch verbessertes „Human Resource Management“ (Heinz et al., 2020; Müller und Stegmaier, 2017). Eine verbesserte Ressourcenallokation beschreibt hingegen, in welchem Maße knappe Inputfaktoren von ineffizienten auf effiziente Unternehmen umverteilt werden. Diese Umverteilung hat positive Produktivitätseffekte, wenn unproduktive Unternehmen schrumpfen und die frei werdenden Ressourcen von produktiveren Unternehmen eingesetzt werden. Dieser Prozess umfasst auch Marktaustritt und Markteintritt als deutlichsten Ausdruck der auf Josef Schumpeter zurückgehenden Idee der „schöpferischen Zerstörung“ (Aghion et al., 2015; Decker et al., 2021).

Die meisten ökonomischen Prozesse beeinflussen sowohl die Produktivität bestehender Unternehmen als auch das Wachstum und die Ressourcennutzung dieser Unternehmen und ihrer Wettbewerber. So dürften die beschleunigte Einführung der Robotik in deutschen Unternehmen (Deng et al., 2020), die Außenhandelsschocks durch den Aufstieg Chinas (Bräuer et al., 2019), aber auch die in ihren Auswirkungen noch zu bewertende COVID-19-Pandemie (Müller, 2021) nicht nur Effekte auf Produktivität und Wachstum direkt betroffener Unternehmen haben, sondern gleichzeitig auch neue Unternehmen erschaffen und bestehende Unternehmen infragestellen.

Produktivität kann zwar auf der Ebene ganzer Branchen oder Volkswirtschaften gemessen werden. Für ein tieferes Verständnis der Quellen des Produktivitätswachstums sind jedoch Daten zu einzelnen Unternehmen oder Einrichtungen, sogenannte Mikrodaten, unerlässlich. Mit ihnen lassen sich Unternehmensorganisation, die Ausbreitung von Technologien und Innovationen, Ressourcenallokation und Schumpeter’sche Unternehmensdynamik untersuchen. Diesen Ansatz auf Mikroebene verfolgt das IWH sowohl im EU-Horizon-2020-Projekt MICROPROD als auch im Forschungsnetzwerk CompNet.

Da „schöpferische Zerstörung“ auch Belastungen für (zum Beispiel von Entlassungen) negativ Betroffene mit sich bringen kann (Fackler et al., 2021), analysiert das IWH die Folgen von Insolvenzen gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle und untersucht die breiteren gesellschaftlichen Implikationen schöpferischer Zerstörung zum Beispiel im Rahmen eines Projekts der Volkswagen-Stiftung zu den ökonomischen Ursachen des Populismus und im Rahmen des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Publikationen zum Thema „Produktivität“

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Assessing European Competitiveness: The New CompNet Microbased Database

Paloma Lopez-Garcia Filippo di Mauro

in: ECB Working Paper, Nr. 1764, 2015

Abstract

Drawing from confidential firm-level balance sheets for 17 European countries (13 Euro-Area), the paper documents the newly expanded database of cross-country comparable competitiveness-related indicators built by the Competitiveness Research Network (CompNet). The new database provides information on the distribution of labour productivity, TFP, ULC or size of firms in detailed 2-digit industries but also within broad macrosectors or considering the full economy. Most importantly, the expanded database includes detailed information on critical determinants of competitiveness such as the financial position of the firm, its exporting intensity, employment creation or price-cost margins. Both the distribution of all those variables, within each industry, but also their joint analysis with the productivity of the firm provides critical insights to both policy-makers and researchers regarding aggregate trends dynamics. The current database comprises 17 EU countries, with information for 56 industries, including both manufacturing and services, over the period 1995-2012. The paper aims at analysing the structure and characteristics of this novel database, pointing out a number of results that are relevant to study productivity developments and its drivers. For instance, by using covariances between productivity and employment the paper shows that the drop in employment which occurred during the recent crisis appears to have had “cleansing effects” on EU economies, as it seems to have accelerated resource reallocation towards the most productive firms, particularly in economies under stress. Lastly, this paper will be complemented by four forthcoming papers, each providing an in-depth description and methodological overview of each of the main groups of CompNet indicators (financial, trade-related, product and labour market).

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Private Equity, Jobs, and Productivity

Steven J. Davis John Haltiwanger Kyle Handley Ron S. Jarmin Josh Lerner Javier Miranda

in: American Economic Review, Nr. 12, 2014

Abstract

Private equity critics claim that leveraged buyouts bring huge job losses and few gains in operating performance. To evaluate these claims, we construct and analyze a new dataset that covers US buyouts from 1980 to 2005. We track 3,200 target firms and their 150,000 establishments before and after acquisition, comparing to controls defined by industry, size, age, and prior growth. Buyouts lead to modest net job losses but large increases in gross job creation and destruction. Buyouts also bring TFP gains at target firms, mainly through accelerated exit of less productive establishments and greater entry of highly productive ones.

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Linking Distress of Financial Institutions to Macrofinancial Shocks

Alexander Al-Haschimi Stéphane Dées Filippo di Mauro Martina Jančoková

in: ECB Working Paper, Nr. 1749, 2014

Abstract

This paper links granular data of financial institutions to global macroeconomic variables using an infinite-dimensional vector autoregressive (IVAR) model framework. The approach taken allows for an assessment of the two-way links between the financial system and the macroeconomy, while accounting for heterogeneity among financial institutions and the role of international linkages in the transmission of shocks. The model is estimated using macroeconomic data for 21 countries and default probability estimates for 35 euro area financial institutions. This framework is used to assess the impact of foreign macroeconomic shocks on default risks of euro area financial firms. In addition, spillover effects of firm-specific shocks are investigated. The model captures the important role of international linkages, showing that economic shocks in the US can generate a rise in the default probabilities of euro area firms that are of a significant magnitude compared to recent historical episodes such as the financial crisis. Moreover, the potential heterogeneity across financial firms.

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Euro Area External Imbalances and the Burden of Adjustment

Filippo di Mauro Francesco Pappadà

in: Journal of International Money and Finance, November 2014

Abstract

The objective of this paper is to explore the consequences of the correction of Euro area trade imbalances on real exchange rates. This analysis requires one additional dimension with respect to the standard Global Imbalances framework à la Obstfeld and Rogoff (2005), since the adjustment takes place within and outside the Euro area. Both types of adjustments are analyzed in a three-country general equilibrium model with a tradable and a non-tradable sectors, and heterogeneous firms built upon Pappadà (2011). ECB (CompNet) data are used to measure the differences in firm size and productivity dispersion across Euro area countries. With respect to the surplus country (Germany), countries running a trade deficit (Spain, Italy) are characterised by a productivity distribution with a lower mean and a less fat right tail. This increases the relative price movement associated with the external adjustment because of the limited role played by the extensive margin. We show that the real exchange rate movements are underestimated when the cross-country differences in terms of productivity distributions are neglected.

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Corporate Venture Capital, Value Creation, and Innovation

Thomas J. Chemmanur Elena Loutskina Xuan Tian

in: Review of Financial Studies, Nr. 8, 2014

Abstract

We analyze how corporate venture capital (CVC) differs from independent venture capital (IVC) in nurturing innovation in entrepreneurial firms. We find that CVC-backed firms are more innovative, as measured by their patenting outcome, although they are younger, riskier, and less profitable than IVC-backed firms. Our baseline results continue to hold in a propensity score matching analysis of IPO firms and a difference-in-differences analysis of the universe of VC-backed entrepreneurial firms. We present evidence consistent with two possible underlying mechanisms: CVC's greater industry knowledge due to the technological fit between their parent firms and entrepreneurial firms and CVC's greater tolerance for failure.

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