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Europäische Wirtschaft stärken – Forschungsergebnisse aus dem Leibniz-Forschungsverbund "Krisen einer globalisierten Welt"
Welche Erkenntnisse über die Bruchzonen unserer Zeit liefert die Wirtschaftswissenschaft? Mit dieser Frage befasste sich ein Workshop am 11. Juni 2018 in Berlin, organisiert vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
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Aktueller kann eine Konferenz kaum sein. Gerade hatte der amerikanische Präsident die Verhandlungsergebnisse des G7-Gipfels in Kanada per Tweet für nichtig erklärt und damit jenen Modus verschärft, der seit Jahren die Welt zu bestimmen scheint: den der Krise. Was globale Turbulenzen für das Zusammenleben der Menschen, für Politik und Umwelt bedeuten, untersuchen 24 Institute der Leibniz-Gemeinschaft interdisziplinär im Forschungsverbund „Krisen einer globalisierten Welt“. In dieses Netzwerk speisen auch zahlreiche Ökonomen und Ökonominnen ihr Wissen ein, darunter Kollegen und Kolleginnen vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, vom ifo Institut in München und vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Vor Gästen aus Politik, Wirtschaft und Forschung präsentierten sie neue Erkenntnisse bei einem Workshop im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie am 11. Juni 2018 in Berlin – zwei Tage nach dem kanadischen G7-Schock. Als hätte man diesen amerikanischen Alleingang schon länger geahnt, standen die fünf Vorträge unter der Frage, wie sich die europäische Wirtschaft stärken lässt.
Eine einheitliche Antwort darauf kann man aus der Wirtschafts-wissenschaft nicht erwarten – schon die Ansichten von Europas Bürgern und Bürgerinnen gehen weit auseinander, was beispielsweise den Freihandel betrifft. Und viele haben offenbar keine feste Meinung, sondern schwanken, wie die empirische Untersuchung von Martin Braml und Gabriel Felbermayr zeigt. Mit Hilfe der Daten des Eurobarometers fanden die beiden Wissenschaftler des ifo Instituts heraus, dass manche Menschen den Freihandel ganz allgemein begrüßen, während sie das Freihandelsabkommen TTIP ablehnen. Außerdem stießen die Forscher auf große regionale Unterschiede. Vereinfacht gesagt: Während Bürger in ärmeren EU-Ländern wie Spanien, Griechenland, Polen eher offen sind für Freihandel, ist man im reichen Deutschland eher reserviert – man könnte an Wohlstand einbüßen, so die Befürchtung. Allerdings, so Braml, beeinflusse der erwartbare eigene Nutzen die Haltung insgesamt nur wenig. Die ideologische Prägung wirke viel stärker.
Das kann ein Grund sein, weshalb positive Nachrichten von der Globalisierung bisweilen nur schwer durchdringen. Aber es gibt sie. Das zeigt die Arbeit von Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Oliver Holtemöller vom IWH. Anhand der World Input Output Database untersuchten die Wissenschaftler 19 Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes in 43 Ländern. Ihre Analyse stützt die These, dass die Produktivität umso stärker wächst, je internationaler ein Sektor in einem Land aufgestellt ist. Und je besser ein Sektor in den internationalen Handel eingebunden ist, desto höher fallen die Stundenlöhne aus. „Entgegen der landläufigen Meinung profitieren auch Arbeitnehmer von der Globalisierung“, sagt Holtemöller. Es sei allerdings eine offene Forschungsfrage, inwieweit Globalisierung zu einer Marktkonzentration führe, bei der die Zahl der Unternehmen sinke und die Marktmacht der verbleibenden Unternehmen steige.
Bei Banken ist der Wettbewerb allemal härter geworden. Falls es wieder zu einer schweren Finanzkrise kommt und ein europäisches Geldhaus in Schieflage gerät, soll es zügig und effektiv abgewickelt werden können, und zwar ohne die Steuerzahler zu belasten. Darum müssen Europas Banken seit 2016 in den Einheitlichen Abwicklungsfonds SRF (Single Resolution Fund) einzahlen. Bis 2024 soll er auf ein Volumen von 55 Milliarden Euro anwachsen. Allein die deutschen Institute zahlten 2017 mehr als 1,7 Milliarden Euro ein. Wie Banken mit dieser Last umgehen, untersucht ein Forschungsprojekt von Michael Kleemann und den IWH-Wissenschaftler Michael Koetter sowie der IWH-Wissenschaftlerin Lena Tonzer. Der in Berlin vorgestellte Zwischenstand deutet darauf hin, dass stärker belastete Bankengruppen diese Steuerlast auf ihre Kunden überwälzen. Zum Beispiel indem sie weniger Kredite zu erhöhten Zinsen vergeben. Ob sich der vorläufige Befund bestätigt, muss die weitere Forschung zeigen.