IWH-Tarif-Check: Keine realen Netto-Tariflohnzuwächse für Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder
*** „Inflationsausgleichszahlung“ und Tariflohnsteigerungen dürften Verbraucherpreis-
inflation nur knapp ausgleichen. *** Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes der Länder haben sich vor kurzem auf einen neuen Tariflohnabschluss geeinigt: Es wurde vereinbart, dass Einmalzahlungen von insgesamt 3 000 Euro in elf Monats-
beträgen abgabenfrei als so genannte Inflationsausgleichsprämie gezahlt werden. Bereits im Dezember 2023 soll ein Teilbetrag in Höhe von 1 800 Euro ausgezahlt werden, von Januar bis einschließlich Oktober gibt es monatlich jeweils 120 Euro. Die regulären Tabellenentgelte erhöhen sich währenddessen nicht. Erst ab November 2024, wenn die Inflationsausgleichszahlung wegfällt, gibt es eine Stufenerhöhung über 200 Euro für alle Beschäftigten. Auf diese setzt ab Februar 2025 dann eine reguläre prozentuale Erhöhung von 5,5% auf. Der Tarifvertrag läuft bis Ende Oktober 2025.
19. December 2023
Damit orientiert sich der Tarifabschluss der Länder an dem vom Bund und Kommunen, der bereits im Frühjahr 2023 abgeschlossen wurde. Wenngleich die zeitliche Verteilung der Zahlungen in beiden Tarifabschlüssen abweicht, so ist der Gesamteffekt dennoch sehr ähnlich.1
Da die erste Teilzahlung der Inflationszulage2 in Höhe von 1 800 Euro bereits für Dezember dieses Jahres vereinbart wurde, dürfte dies den Tariflohnanstieg im Jahr 2023 nochmals deutlich erhöhen. So gab es bereits im Dezember 2022 eine Tariflohnerhöhung um 2,8%, die noch in der vorherigen Tarifrunde 2021 vereinbart wurde. Die nun neu hinzukommende Sonderzahlung erhöht für einen Beschäftigten im mittleren Dienst (beispielsweise Entgeltgruppe 9a Stufe 2) den Tariflohnanstieg auf insgesamt 3,7%. Ab Januar 2024 gibt es dann weitere monatliche Teilzahlungen der Inflationsausgleichsprämie jeweils in Höhe von 120 Euro. Wenn Ende Oktober der maximal mögliche Gesamtbetrag von 3 000 Euro erreicht sein wird, ersetzt ein Sockelbetrag von 200 Euro die Sonderzahlungen, der dann je-doch wieder der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht unterliegt. Für das Beispiel der Entgeltgruppe 9a würde im Jahr 2024 im Vergleich zum Jahr 2023 die Gehaltssumme um 0,1% sinken. Ab Februar 2025 ist dann wieder eine reguläre Tariflohnerhöhung von 5,5% vereinbart. Damit steigt das Tarifgehalt im Jahr 2025 für die Beschäftigten im mittleren Dienst kräftig um 6,9%. Die entsprechenden Nettogehälter – hier am Beispiel eines alleinstehenden Angestellten ohne Kinder – steigen hingegen im Jahr 2023 mit 5,6% und im Jahr 2024 mit 3,5% deutlich kräftiger als die im Tarifvertrag vereinbarten Bruttolöhne. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass auf die Inflationsausgleichsprämie keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entfallen. Im Jahr 2025 gibt es durch die wieder regulär zu zahlenden Abgaben auf den gesamten Bruttolohn dann kaum noch einen Zuwachs bei den Nettolöhnen. „Die Kombination von abgabenfreien Sonderzahlungen, Sockelbeträgen und regulären Tariflohnerhöhungen führt letztlich zu einer Diskrepanz zwischen dem Bruttolohnanstieg und dem Nettolohnanstieg insgesamt und einer Nivellierung zwischen den Entgeltgruppen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH.
„Berücksichtigt man zudem die gegenwärtige und bis Ende der Tarifvereinbarung noch erwartete Verbraucherpreisinflation, dürften die Netto-Tariflohnanstiege bestenfalls die Kaufkraftverluste durch die Preissteigerungen knapp ausgleichen“, so Holtemöller. Demnach sinkt für einen Landesbeschäftigten im mittleren Dienst der reale Netto-Tariflohn im Jahr 2023 um 0,5%, nachdem er im Jahr 2022 bereits um 1,5% zurückgegangen war. Wenn im Jahr 2024 dann die Verbraucherpreise langsamer steigen und die Inflationssonderzahlungen ohne Abzüge ausgezahlt werden, dürfte es ein kleines Plus in Höhe von 0,5% geben. Im Jahr 2025, wenn der gesamte Lohn wieder der Abgabenpflicht unterliegt, wird der reale Netto-Tariflohn wohl um 1,5% sinken. Durch die für alle Beschäftigten gleich hohen Inflationssonderzahlungen und den danach vereinbarten Sockelbetrag profitieren Beschäftigte in den unteren und mittleren Entgeltgruppen prozentual stärker als in den oberen Entgeltgruppen.
2 Die so genannte Inflationsausgleichsprämie wurde vom Gesetzgeber zeitlich befristet bis Ende 2024 im Rahmen des dritten Entlastungspakets geschaffen und erlaubt es Arbeitgebern, bis zu einem Betrag von 3 000 Euro Sonderzahlungen zu leisten, die sozialversicherungs- und lohnsteuerfrei sind.
Alle bisherigen Ausgaben des IWH-Tarif-Checks sind auch auf der IWH-Website nachzulesen.