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Wie Arbeitsplatzzusagen die Unternehmensdynamiken beeinflussen

Arbeitsplatzzusagen stellen eine häufig genutzte industriepolitische Maßnahme dar. Die zugrundeliegende Studie evaluiert die Wirkungen von Arbeitsplatzzusagen zum Zeitpunkt der Privatisierung der Unternehmen in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Diese industriepolitische Maßnahme verlangte von den neuen Eigentümern der Unternehmen, sich zu Beschäftigungszielen zu verpflichten, wobei Strafen für Nichteinhaltung vertraglich vereinbart waren. Die Studie zeigt, dass Arbeitsplatzzusagen zu einer Polarisierung und Fehlallokation führen. Während Unternehmen mit geringer Produktivität aus dem Markt gedrängt werden, führt das industriepolitische Instrument zu Verzerrungen in der Unternehmensgröße. Um diese Verzerrungen abzubauen, haben Unternehmen einen Anreiz, in Produktivität zu investieren. Im Vergleich mit produktivitätssteigernden Subventionen zeigen sich Arbeitsplatzzusagen langfristig als weniger nachhaltig und generieren geringere Beschäftigungseffekte.

23. December 2024

Authors Ufuk Akcigit Harun Alp André Diegmann Nicolas Serrano-Velarde

Contents
Page 1
Institutioneller Rahmen
Page 2
Datenverfügbarkeit
Page 3
Alternative Politikmaßnahmen und langfristige Überlegungen
Page 4
Endnoten All on one page

Industriepolitische Maßnahmen stellen oft die Förderung und den Schutz von Beschäftigung in den Mittelpunkt ihrer Gestaltung. Dies ist besonders häufig in Zeiten von strukturellem Wandel der Fall. Eine wichtige, aber wenig erforschte industriepolitische Maßnahme macht die öffentliche Unterstützung für Unternehmen von Beschäftigungszielen abhängig. Maßnahmen mit Beschäftigungszielen sind in wirtschaftspolitischen Debatten weltweit von großer Bedeutung und umfassen Unterstützungsmaßnahmen, beispielsweise bei Initiativen wie dem Paycheck Protection Program (PPP) in den USA während und nach der COVID-19-Pandemie und der in Deutschland vorhandenen Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW). Auch beim Kohleausstieg in Deutschland sind Förderungszusagen an Beschäftigungsziele gebunden.

Dieser Beitrag – basierend auf einer Studie von Akcigit et al. (2024)1 – stellt dar, dass Beschäftigungsziele heterogene dynamische Auswirkungen auf das Verhalten von Unternehmen haben. Es zeigt sich, dass Arbeitsplatzzusagen die Kosten der Unternehmen strukturell erhöhen und so zu einer Polarisierung und zu Fehlallokationen führen. Für Unternehmen mit geringer Produktivität stellen Arbeitsplatzvereinbarungen derart hohe Kosten dar, dass die Unternehmensgewinne negativ werden. Diese treten aus dem Markt aus, mit negativen Auswirkungen auf Beschäftigung. Ein anderer Teil der Unternehmen, die weiterhin produzieren, werden in ihrer Wahl der Unternehmensgröße verzerrt. Aufgrund von drohenden Strafzahlungen beschäftigen die Unternehmen mehr Personal als deren optimale Unternehmensgröße ergeben würde. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit wird ein Teil der zusätzlichen Beschäftigung abgebaut. Allerdings generieren Arbeitsplatzzusagen auch positive dynamische Produktivitätseffekte bei den verbleibenden Unternehmen. Um die zukünftige Unternehmensgröße mit geringen Kosten zu erreichen, haben Unternehmen einen Anreiz, in Produktivität zu investieren. Aufgrund dieser Produktivitätssteigerungen kommt es nicht zum vollständigen Abbau der zusätzlichen Beschäftigung. Im Aggregat können Arbeitsplatzzusagen demnach zu einem langfristigen Anstieg der Beschäftigung führen.

Die empirische Relevanz dieser Mechanismen kann mit Daten von ostdeutschen Unternehmen nach der Privatisierung durch die Treuhandanstalt bestätigt werden. Die Kosten der Fehlallokation durch wirtschaftspolitisch eingeforderte Arbeitsplatzzusagen sind jedoch deutlich. Wäre es zu Produktivitätssteigerungen der Unternehmen aufgrund von Subventionen gekommen, hätte der permanente Beschäftigungseffekt doppelt so hoch ausfallen können.

Institutioneller Rahmen

Gegründet im März 1990 unter dem letzten kommunistischen Regime in Ostdeutschland, erhielt die Treuhandanstalt (THA) im Juli 1990 durch das Treuhandgesetz größere Befugnisse. Mit der Aufgabe, die Unternehmen zu verwalten und zu privatisieren, die zuvor im Besitz der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) waren, wurde die THA zur größten Holding der Welt. Sie umfasste ein Portfolio von rund 12 000 Unternehmen mit etwa 4,5 Millionen Beschäftigten, was etwa 50% der erwerbstätigen Bevölkerung in der DDR entsprach.

Privatisierungen durch die THA erfolgten sowohl als Privatisierung ganzer Unternehmen als auch durch Ausgliederungen infolge von Umstrukturierungen und Liquidationen. Das Standardverfahren der Privatisierung erfolgte durch Direktverkäufe an interessierte Käufer. Strukturierte Auktionen fanden eher in Ausnahmefällen statt, zum Beispiel für kleine Management-Buy-Out-Privatisierungen (Schmidt, 19932). Innerhalb des Verkaufsprozesses war die Rolle und Freiheit, die dem zuständigen Privatisierer zugewiesen wurde, erheblich. In den offiziellen Handbüchern, die von den Mitarbeitern der THA verwendet wurden, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verkaufsprozess vom Privatisierer gesteuert werden soll und dass die Gewichtung der Komponenten jedes Angebots keiner starren Formel unterlag.

Verkaufsverträge wurden so gestaltet, dass sie neben dem Verkaufspreis Garantien der Käufer hinsichtlich Beschäftigungs- und Investitionsniveaus enthielten. In der Praxis war das Ziel des Verkaufsprozesses nicht unbedingt die Maximierung des Verkaufspreises, sondern vielmehr die Sicherstellung von Beschäftigungsniveaus des privatisierten Unternehmens. Diese Sicherstellung erfolgte durch verbindliche Arbeitsplatzzusagen, die für einen vereinbarten Zeitraum aufrechterhalten werden sollten. Obwohl solche Verpflichtungen zu Kaufpreisvergünstigungen führen konnten, variierte der Bewertungsprozess für jeden Fall, ohne einer festen Formel zu folgen (Dodds, Wächter, 19933). Die Verpflichtung bezog sich speziell auf den erworbenen Betrieb und konnte nicht erfüllt werden, indem Personen in anderen Betrieben des Käufers beschäftigt wurden (Siebert, 19914; Fischer et al., 19935). Ebenso stellten diese Verpflichtungen Unternehmensverträge dar und waren daher bei einem Firmenverkauf weiterhin gültig.

Die eingegangenen Verpflichtungen umfassten Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung und wurden durch das THA-Vertragsmanagement kontrolliert. Die Strafen waren so konzipiert, dass sie den Personalkosten unter Berücksichtigung der branchenüblichen Löhne entsprachen. Wenn beispielsweise ein Unternehmen kontinuierlich einen Mitarbeiter über einen Vertragszeitraum von drei Jahren nicht besetzt, hat das Unternehmen insgesamt drei Verpflichtungen nicht eingehalten und muss dreimal die Strafe pro verpassten Arbeitsplatz zahlen. Die effektiven Strafzahlungen können jedoch aufgrund von Neuverhandlungen, Bagatellfällen und gerichtlichen Entscheidungen niedriger ausfallen.

Suggested Reading

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Committing to Grow: Employment Targets and Firm Dynamics

Ufuk Akcigit Harun Alp André Diegmann Nicolas Serrano-Velarde

in: IWH Discussion Papers, No. 17, 2023

Abstract

<p>We examine effects of government-imposed employment targets on firm behavior. Theoretically, such policies create “polarization,“ causing low-productivity firms to exit the market while others temporarily distort their employment upward. Dynamically, firms are incentivized to improve productivity to meet targets. Using novel data from East German firms post-privatization, we find that firms with binding employment targets experienced 25% higher annual employment growth, a 1.1% higher annual exit probability, and 10% higher annual productivity growth over the target period. Structural estimates reveal substantial misallocation of labor across firms and that subsidizing productivity growth would yield twice the long term increases in employment.</p>

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Also in this issue

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Ist der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig?

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Am 12. November 2024 hörte das Bundesverfassungsgericht Argumente zu einer Klage einiger FDP-Abgeordneter gegen den Solidaritätszuschlag. IWH-Präsident Reint Gropp war als Sachverständiger geladen und gibt in diesem Beitrag seine Einschätzung zur Thematik wieder.</p>

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Aktuelle Trends: Die Bedeutung von Banken zur Verteilung von Subventionen

Aleksandr Kazakov Michael Koetter

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Seit 1990 wurden im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) rund 68 Milliarden Euro an Unternehmen in strukturschwachen Regionen in Ost- und Westdeutschland vergeben. Dieser Beitrag verdeutlicht die Rolle der Banken dabei und zeigt erhebliche räumliche Unterschiede bei den Subventionen.</p>

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Chinesische Massenimporte und Wahlverhalten in Europa: Kann der Aufstieg der politischen Ränder durch Importschocks erklärt werden?

Annika Backes Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Wir untersuchen die kurz- und langfristigen Auswirkungen eines starken Anstiegs chinesischer Importe auf Wahlergebnisse in Europa. Populistische sowie links- und rechtsextreme Parteien gewannen erst viele Jahre nach dem Höhepunkt des China-Schocks bedeutenden Zuwachs an Wählerstimmen. Wir zeigen, dass die Auswirkungen von Importschocks überwiegend zugunsten populistischer Parteien ausfallen. In geringerem Maße profitieren in der kurzen Frist zudem linksextreme Parteien, langfristig hingegen rechtsextreme Parteien. Die Effekte auf das Wahlverhalten sind jedoch moderat und wir schlussfolgern, dass Importschocks den Aufstieg der politischen Ränder nur in begrenztem Maße erklären können.</p>

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Interview: Promovieren in Wirtschaftswissenschaften am IWH

Michael Koetter

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) bietet ein Doctoral Programme in Economics (DPE). Diese Promotionsstellen in Wirtschaftswissenschaften bieten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Forschung unter exzellenten Bedingungen durchzuführen und sich während ihrer Promotion in Wirtschaftswissenschaften in einem internationalen Netzwerk zu verankern. Wir sprechen mit dem Leiter des Programms, Professor Michael Koetter, Ph.D.</p>

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