Konjunktur aktuell: Deutschland in der Stagnation festgefahren – privater Konsum weiter unter dem Niveau von vor der Pandemie
Zu Beginn des Jahres 2024 zeigen Stimmungsindikatoren etwas aufgehellte Aussichten für die internationale Konjunktur. Dabei war die weltweite Produktionsdynamik noch bis Ende 2023 zurückgegangen. Ursachen waren hohe Inflation, restriktive Geldpolitik und in Europa der russische Krieg gegen die Ukraine sowie in China die dortige Immobilienkrise. Die Finanzmärkte sind vor diesem Hintergrund bemerkenswert optimistisch, vor allem in Erwartung von Leitzinssenkungen ab dem Sommer. Zudem erwarten sich die Anleger wohl Wachstumsimpulse von Innovationen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Für die USA kann die Tatsache optimistisch stimmen, dass die restriktive Geldpolitik bisher überraschend wenig gedämpft hat. In Europa dürfte die Dynamik dagegen recht schwach bleiben. Gründe sind unter anderem die höheren Energiekosten des Verarbeitenden Gewerbes und industriepolitische Maßnahmen in den USA und in China, die die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter beeinträchtigen.
„Deutschland befindet sich in einer langanhaltenden Stagnation“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Ende 2023 waren privater Konsum und Investitionen niedriger als vor Pandemieausbruch vor vier Jahren. Für die schlechte Wirtschaftslage gibt es mehrere Ursachen. Hohe Inflation hat die Realeinkommen gedrückt, und die Haushalte halten sich mit Konsumausgaben zurück. Die Industrieproduktion der energieintensiven Wirtschaftszweige ist deutlich rückläufig. Aber auch allgemeine Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland drücken die Ausgabenneigung von Haushalten und Unternehmen. Was die Konjunktur stützt, ist der recht robuste Arbeitsmarkt. Der jüngste Anstieg der realen Arbeitnehmereinkommen dürfte sich im Jahr 2024 fortsetzen und ein deshalb wieder höherer privater Konsum die Unternehmensinvestitionen stabilisieren. Allerdings werden die Bauinvestitionen weiter durch die gestiegenen Finanzierungskosten belastet. „Erst in der zweiten Jahreshälfte ist mit einem leichten Anziehen der Konjunktur zu rechnen“, sagt Oliver Holtemöller.
„Ein Risiko für die deutsche Konjunktur besteht in der Frage, wie gut der derzeitige erhebliche Strukturwandel bewältigt werden kann“, so der Ökonom. Teile des Verarbeitenden Gewerbes, etwa energieintensive Produzenten oder Zulieferer der Automobilindustrie, bauen Arbeitsplätze ab. Weil gesamtwirtschaftlich Arbeitskräftemangel herrscht, sollte es im Prinzip möglich sein, die freigesetzten, zum Teil hochqualifizierten, Fachkräfte rasch wieder in Beschäftigung zu bringen. Es gibt aber auch Faktoren, die eine Reallokation in Deutschland erschweren. Denn sowohl der regionalen als auch der beruflichen Mobilität stehen in Deutschland oft hohe Hürden entgegen. Gegenwärtig kommt dazu eine verbreitete Unsicherheit, die Unternehmen davon abhalten könnte, jetzt mit neuen Mitarbeitern zu expandieren.
Die Langfassung der Prognose enthält drei Kästen:
Kasten 1: GRNN – Ein neues Werkzeug im Prognoseinstrumentarium für den BIP-Nowcast
Kasten 2: Zur Schätzung des Produktionspotenzials Kasten
Kasten 3: Eine Analyse der Prognosegüte mit dem IWH Forecasting Dashboard
Langfassung:
Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Kozyrev, Boris; Lindner, Axel; Mukherjee, Sukanya; Sardone, Alessandro; Schult, Christoph; Schultz, Birgit; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Deutschland in der Stagnation festgefahren – privater Konsum weiter unter dem Niveau von vor der Pandemie. IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 12 (1), 2024. Halle (Saale) 2024.
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Zugehörige Publikationen
Konjunktur aktuell: Deutschland in der Stagnation festgefahren – privater Konsum weiter unter dem Niveau von vor der Pandemie
in: Konjunktur aktuell, 1, 2024
Abstract
<p>Zu Beginn des Jahres 2024 zeigen Stimmungsindikatoren etwas aufgehellte Aussichten für die internationale Konjunktur. In Europa dürfte die Dynamik allerdings recht schwach bleiben. Deutschland befindet sich in einer lang anhaltenden Stagnation, die sich bis zum Sommer fortsetzen wird. Für die Zeit danach ist mit einem leichten Anziehen der Konjunktur zu rechnen. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr 2024 um lediglich 0,2% expandieren, für 2025 prognostiziert das IWH einen Zuwachs um 1,5%.</p>