Konjunktur aktuell: Gasspeicher voll – Konjunkturaussichten weniger trüb
Im Frühjahr 2023 wirken gegenläufige Kräfte auf die Weltwirtschaft: Das Ende von Pandemie und Lockdowns in China bedeutet einen Schub vor allem für den asiatischen Raum. Belastend wirkt aber die weiterhin hohe Inflation in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Zwar sinken die Raten der Verbraucherpreisinflation, allerdings vorwiegend aufgrund wieder niedrigerer Energiepreise, und die Kernraten sind weiter hoch. Die deshalb zu erwartenden Leitzinserhöhungen werden die Nachfrage im Jahr 2023 etwa im Bausektor vielerorts dämpfen, wohingegen die Lieferengpässe als Hemmnisse der Produktion auf der Angebotsseite an Bedeutung verlieren. Alles in allem bleibt die internationale Konjunktur im Jahr 2023 schwach, mit einem stagnativen ersten Halbjahr im Euroraum und einer milden Rezession im zweiten Halbjahr in den USA.
In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt im Schlussquartal 2022 um 0,4% gesunken, für Anfang dieses Jahres deuten Frühindikatoren aber auf einen leichten Zuwachs hin, und die Unternehmen haben die Beschäftigung bis zuletzt weiter ausgeweitet. Die europäischen Energie- und vor allem Gaspreise sind von ihren Rekordwerten vom Spätsommer 2022 drastisch gefallen. Der Terms-of-Trade-Schock für die deutsche Wirtschaft fiel damit viel milder aus als erwartet. Auf eine Rationierung von Gas konnte verzichtet werden, auch weil Unternehmen und private Haushalte ihren Verbrauch von teurer gewordenem Erdgas deutlich reduziert haben. Zudem ist nicht zuletzt wegen der raschen Installation von LNG-Terminals das Risiko einer Gaskrise für den Winter 2023/2024 deutlich gesunken. Die Gas- und Strompreise für private Haushalte dürften im Schnitt in diesem Jahr niedriger oder nur wenig höher liegen als die Preise, die der Staat für 80% der vom einzelnen Haushalt zuletzt verbrauchten Menge garantiert. Und doch dürfte die Konjunktur schwach bleiben, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Trotz ihres Rückgangs sind die Kosten für Energie immer noch deutlich höher als vor Beginn der Gasknappheit in Europa im Sommer 2021. Im Verarbeitenden Gewerbe wird deshalb zurzeit manches in der Herstellung energieintensive Gut wegen fehlender Wirtschaftlichkeit nicht in Deutschland produziert, sondern importiert. Zudem hat die Inflation auch ohne Energie- und Nahrungsmittelkomponente Anfang 2023 einen Höchststand erreicht, und die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sinken. „Zur Bekämpfung der Inflation zieht die Europäische Zentralbank (EZB) die geldpolitischen Zügel kräftig an, und die höheren Finanzierungskosten verschärfen die Kostenkrise am Bau“, sagt Holtemöller. Impulse von der Nachfrage aus dem Ausland sind kaum zu erwarten, so der Konjunkturexperte, denn die Weltwirtschaft befindet sich im Abschwung. Für das Jahr 2023 besteht zwar die Chance, dass sich das Exportgeschäft mit China nach Ende der dortigen Lockdowns wieder belebt, mit den USA dürfte aber ein anderer großer Absatzmarkt für deutsche Exporteure in eine Rezession geraten.
Die Langfassung der Prognose enthält zwei Kästen:
Kasten 2: Zur Schätzung des Produktionspotenzials
Langfassung:
Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Kozyrev, Boris; Lindner, Axel; Sardone, Alessandro; Schult, Christoph; Schultz, Birgit; Staffa, Ruben; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Gasspeicher voll – Konjunkturaussichten weniger trüb. IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 11 (1), 2023. Halle (Saale) 2023.
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Zugehörige Publikationen
Konjunktur aktuell: Gasspeicher voll – Konjunkturaussichten weniger trüb
in: Konjunktur aktuell, 1, 2023
Abstract
Im Frühjahr 2023 wirken gegenläufige Kräfte auf die Weltwirtschaft: Das Ende des Corona-Lockdowns in China gibt vor allem dem asiatischen Raum einen Schub, doch die anhaltend hohe Inflation belastet die fortgeschrittenen Volkswirtschaften weltweit. Alles in allem bleibt die internationale Konjunktur 2023 schwach. Für die deutsche Wirtschaft blieb der vielfach erwartete deutliche Einbruch aus, denn die Gasversorgungslage hat sich zunächst stabilisiert. Dennoch dürfte die Konjunktur wegen der Energiekosten, hoher Inflation, gestiegener Realzinsen und rückläufiger Realeinkommen schwach bleiben. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr 2023 um lediglich 0,4% zulegen, und die Inflationsrate bleibt mit 5,8% hoch.