Arbeitnehmermitbestimmung und Tarifverträge im Fokus – 14. IWH/IAB-Workshop zur Arbeitsmarktpolitik
Bereits zum 14. Mal fand am 18. und 19. September der diesjährige Workshop zur Arbeitsmarktpolitik am IWH in Halle (Saale) statt, der traditionell gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) organisiert wird. Mit dem Schwerpunkt „Industrielle Beziehungen: Arbeitnehmermitbestimmung und Tarifverträge im Fokus“ widmete sich der Workshop einem wirtschaftspolitisch aktuellen Thema.
21. Dezember 2017
Lange Zeit galt Deutschland mit seinem dualen Modell aus branchengebundenen Tarifverträgen und dezentraler betrieblicher Mitbestimmung als ein institutioneller Vorreiter. Der Keynote-Vortrag von Professor Claus Schnabel, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg, zeichnete die Entwicklung des deutschen Modells innerhalb der letzten 30 Jahre nach. Empirische Ergebnisse zeigen einen Rückgang der Tarifbindung, sinkende Mitgliederzahlen von Gewerkschaften und weniger Unternehmen mit Betriebs- oder Personalräten. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung informeller Einigungen stetig zu. Schnabel warf die Frage auf, ob angesichts dieses Befunds das deutsche Modell überholt sei und wo die Zukunft der industriellen Beziehungen liege.
In der Podiumsdiskussion kamen Wissenschaftler, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sowie Geschäftsführer von Unternehmen aus der Region zu Wort. Alle Diskutierenden stellten die wichtige Rolle der industriellen Beziehungen in den Vordergrund. Gleichzeitig wurde deutlich, dass viele Unternehmen sich mehr Flexibilität wünschen, um auf aktuelle Herausforderungen wie die zunehmende Globalisierung oder die Digitalisierung reagieren zu können. Während dies beispielsweise in der IT-Branche keine Nachteile für die stark nachgefragten Fachkräfte bedeuten sollte, sind die Konsequenzen des Rückgangs industrieller Beziehungen in anderen Branchen und für Niedrigqualifizierte vor allem aus Sicht der Gewerkschaften ein großes Problem.
Ob der Rückgang von Branchentarifverträgen auf Änderungen im Verhalten von Managern oder auf den Strukturwandel zurückzuführen ist, analysierte Dr. Susanne Kohaut (IAB) in ihrem Vortrag. Mit Hilfe einer Dekompositionstechnik untersuchte sie, wie die Abdeckung mit Tarifverträgen zum jetzigen Zeitpunkt aussähe, wenn die strukturellen Bedingungen von 1998 gelten würden. Sie zeigte, dass nur etwa ein Drittel der Veränderungen auf strukturelle Faktoren zurückzuführen sind.
Dr. Hagen Lesch (IW Köln) diskutierte die Frage, ob Tarifkonflikte durch die zunehmende Tarifpluralität härter und länger geworden sind. Die Vermutung liegt nahe, dass durch den Konkurrenzkampf zwischen Sparten- und Branchengewerkschaften der volkswirtschaftliche Schaden von Tarifauseinandersetzungen zunimmt, doch lässt sich diese Hypothese empirisch nicht eindeutig belegen. Hingegen ist eine Verlagerung der Arbeitskämpfe in den Dienstleistungssektor zu verzeichnen.
Die industriellen Beziehungen spielen auch in der Digitalisierung eine wichtige Rolle. Sabrina Genz (IAB) stellte in diesem Zusammenhang die Frage, ob Betriebsräte die Einführung neuer Technologien hemmen oder fördern. Die von ihr präsentierten Auswertungen zeigen keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Existenz eines Betriebsrates und der Implementierung neuer Technologien. Daraus schlossen die Autoren der Studie, dass Betriebsräte die Implementierung technischer Innovationen nicht blockieren und Potenziale folglich noch besser genutzt werden könnten.